Stephan Ott – so heißt der freundlich dreinschauende Herr in der Eon-Werbung – hat ein Einfamilienhaus mit einem auffällig roten Ziegeldach. Da fehlt etwas, scheint er zu denken. Deshalb schreibt er eine Mail an Eon Vertrieb: „Ich möchte eine Photovoltaikanlage mit Top-Qualität. Und das zu einem richtig guten Preis.“ Der Stromversorger weiß Rat. „Hallo, Herr Ott, da haben wir was: Eon Solar bietet Profi-Qualität zum Top-Preis.“ Seit einigen Monaten erscheint diese Anzeige in Printmedien in Teilen Deutschlands. Auch in lokalen Radiosendern ist der Slogan zu hören. Denn seit Mitte April dieses Jahres bietetDeutschlands größter Energiekonzern Photovoltaikanlagen für Ein- und Zweifamilienhäuser an.
Geplant und installiert werden sie nach Aussage von Eon von Handwerkspartnern. Das Angebot scheint gut anzukommen. Thomas Renz, Sprecher der Eon Vertrieb Deutschland GmbH, bestätigt der Redaktion im August, dass bereits Anlagen mit zwei Megawatt Leistung verkauft wurden. Kein schlechter Start, scheint es. Das Interesse ist geweckt. Ob Eon das wirklich will, ist fraglich.
Knapp über 40 Prozent des von Eon gelieferten Stroms stammten bis vor Kurzem noch aus Atomkraftwerken. DieKatastrophe von Fukushima mit dem darauf folgenden dreimonatigen Moratorium und dem am 30. Juni beschlossenen Atomausstieg hat für Eon wie für die anderen Energiekonzerne RWE, EnBW und Vattenfall hohe Gewinneinbußen zur Folge. Im August verkündet Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen, dass das Unternehmen im zweiten Quartal zum ersten Mal in seiner gut zehnjährigen Unternehmensgeschichte einen Verlust verzeichnen muss. Doch er hat auch Positives zu berichten. Neben der Erdgasförderung und der Stromerzeugung in Russland entwickeln sich „vor allem die erneuerbaren Energien“ gut.Bereits im Mai 2007 gründete Eon die Tochterfirma „Climate & Renewables“. Deren Mitarbeiter setzen Großprojekte in der Photovoltaik, solarthermischen Stromerzeugung und Windkraft um, bei denen Eon selbst der Betreiber ist. 2010 investierte das Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Euro in erneuerbare Energien und baute die Kapazität in den Geschäftsbereichen Solarstrom und Windkraft um 600 Megawatt auf rund 3.600 Megawatt aus.
Großprojekt seit 2007
„Die Nutzung von Solarstrom im industriellen Maßstab ist für Eon ein Geschäft mit Wachstumspotenzial“, heißt es in einer Pressemitteilung von September. Die Aussage zeigt, in welche Richtung es in diesem Geschäftsfeld gehen soll. Photovoltaik-Großanlagen im sonnenreichen Südeuropa sind das Ziel. Gerade werden auf Sardinien Nummer sechs und sieben gebaut. Mit diesen Anlagen verfügt Eon über eine Photovoltaik-Gesamtkapazität von knapp 30 Megawatt Leistung. Bis Jahresende sollen es europaweit 60 Megawatt sein.
Teyssen bekundet immer wieder öffentlich seine Meinung, Solaranlagen sollten in sonnenreichen Regionen wie Südeuropa montiert werden. Zu Jahresbeginn zitiert die Nachrichtenagentur dpa-AFX ihn wie folgt: „Der Eon-Chef sprach sich dennoch für weitere Einschnitte bei der Solarförderung aus, da es eine Überförderung gebe. Er verwies darauf, dass 80 Prozent der in Deutschland aufgebauten Solarmodule inzwischen aus dem Ausland kämen. Somit komme die Wertschöpfung nicht aus Deutschland,die Kosten der Förderung aber schon.“ Nun bietet Eon selbst Photovoltaikanlagen für deutsche Hausdächer, und zwar – zumindest zu Beginn – ausschließlich mit Modulen des chinesischen Herstellers Trina Solar.
Eon als Großhändler
Das neue Geschäftsfeld im Privatkundensegment ist bei der Eon Vertrieb Deutschland GmbH angesiedelt, da das Unternehmen die Anlagen lediglich vertreibt. Die in München ansässige Tochterfirma ist die Steuerungsgesellschaft für die regionalen Vertriebsgesellschaften Eon Avacon, Eon Bayern, Eon Edis, Eon Hanse, Eon Mitte und Eon Westfalen Weser. Für die zentral gesteuerten Photovoltaikaktivitäten kreierte das Unternehmen die Marke „Eon Solar“.
Als die Autorin dieses Artikels Ende August das erste Mal in der Münchner Pressestelle um ein Interview, Kontaktdaten von Handwerkspartnern und beispielhaften Projekten bittet, reagiert die Eon-Mitarbeiterin schnell. Nur zwei Tage später schickt sie ein vorformuliertes Interview, in dem sie beziehungsweise Franco Gola, Leiter Sales Management bei Eon Vertrieb Deutschland, auf die stichwortartig genannten Fragen eingeht. Ein persönliches Interview sei momentan nicht möglich, erklärt die Mitarbeiterin des Energiekonzerns.
„Mehr als 300 ausgewählte regionale Handwerkspartner übernehmen dann die Detailberatung der Kunden, erstellen Angebote, installieren und warten die Anlagen“, heißt es in dem Text. 300 Installateure: Davon sollte doch wenigstens einer einen Moment Zeit haben, um mitder Autorin zu sprechen, meint diese. Doch die Suche gestaltet sich schwierig. Mit der Begründung „Urlaub oder Hochphase vor dem Winter“ teilt die Mitarbeiterin nach mehrfachem Nachhaken mit, dass kein Gespräch mit einem Handwerker möglich sei. Auf die Frage nach Referenzanlagen geht sie gar nicht mehr ein.
Wenn ein Handwerksbetrieb mit solch einem namhaften Energieversorger kooperiert, dann macht er dies doch sicherlich auf seiner Website kenntlich. Also sollte es leicht sein, Photovoltaikpartner von Eon im Internet zu finden. Diese Vermutung liegt nahe, bestätigt sich aber nicht. Erst nach langer Suche findet sich dann doch ein Name. In Tangstedt bei Hamburg gibt es den Installationsbetrieb WK Sanitärtechnik. Inhaber Wolfgang Karg schreibt auf seiner Website, dass er „Eon Hanse Profi Partner“ im Bereich Photovoltaik ist.
„Da passiert nicht viel“
Karg ist auf Heizung, Sanitär und Solarthermie spezialisiert. Photovoltaik bezeichnet er als Randprodukt. In den vergangenen eineinhalb Jahren habe er sechs Anlagen montiert. „Ich bekomme Anfragen ohne Ende und habe permanent Angebote geschrieben“, sagt er zu der Kooperation mit dem Energieversorger, der die Anfragen über seine Website direkt an den Handwerkspartner weiterleitet. „Aber da passiert nicht viel.“ Bisher habe er noch keinen Auftrag mit den von Eon angebotenen Komponenten erhalten. „Die Preise sind ganz gut“, räumt Karg ein. Die Leute störe wohl doch die niedrigere Einspeisevergütung, so seine Vermutung.
Jojakim Sames von Sames Solar aus Marburg ist kein Handwerkspartner des Energiekonzerns, aber er kennt Kunden, die Angebote vorliegen haben. „Ich glaube, die Wettbewerbsfähigkeit bei Kleinanlagen ist bei Eon noch nicht so gut ausgebildet, weil das komplette Dienstleistungspaket sehr effizient sein muss. Für so einen großen Tanker wäre es sehr kompliziert, so viele Kleinanlagen abzuwickeln“, sagt er. Eine enge Zusammenarbeit – preislich wie logistisch – mit den Subunternehmern sei dazu notwendig, weiß Sames aus eigener Erfahrung. Er findet es „ein bisschen fragwürdig“, dass Eon erst gegen Photovoltaik wetterte und nun selbst solche Anlagen anbietet.
Dieser Meinung schließen sich die Geschäftsführer von stichprobenartigbefragten etablierten Installationsbetrieben und Großhändlern an. Dass Eon nun Hausdachanlagen vertreibt, nehmen sie nicht weiter ernst. „Ich kenne keinen, der was davon gehört oder gesehen hat“, sagt ein Firmenchef aus Baden. Einem bayerischen Geschäftsführer geht es genauso. Er fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass sie ernsthaft ein Geschäft damit machen wollen.“ Positive Stimmen sind gesucht, und so bittet die Autorin Eon nochmals um Kontakte zu Handwerkspartnern. Daraufhin erklärt sich zumindest Vertriebsleiter Franco Gola zu einem persönlichen Interview bereit.
Wunsch der Kunden
„Wir sehen, dass sich die Energiewelt unserer Kunden verändert. Es gibt einen verstärkten Wunsch, Energie dezentral zu erzeugen“, erklärt Gola den Einstieg in das Kleinanlagensegment. Eon wolle seine Kunden bei der Entwicklung unterstützen – daher nun auch die Hausdachanlagen. Seit 2010 hätten Endkunden und Handwerkspartner verstärkt danach gefragt. Allerdings sei das neue Segment nur einer von mehreren Bausteinen für die zukünftige Energieversorgung von Gebäuden, die Eon derzeit entwickelt oder bereits anbietet. Das Eon-Sortiment besteht momentan aus poly- und monokristallinen Modulen von Trina Solar, Wechselrichtern von SMA Solar Technology, Power-One und Diehl Ako sowie Montagesystemen von Schletter. Die Anlagen vertreibt Eon an Elektriker, Dachdecker, Heizungsinstallateure und andere Handwerker in seinen sechs Vertriebsgebieten. „Im Prinzip kann jeder Marktpartner werden“, sagt Gola, räumt dann aber doch ein, dass es ein paar Voraussetzungen gebe. Die wichtigste ist, dass der Installateur bei seinemNetzbetreiber für die Inbetriebnahme von Photovoltaikanlagen registriert ist. „Außerdem muss er mit Photovoltaik schon einmal etwas zu tun gehabt haben.“ Trotzdem gibt es auch Schulungen. Die technische Schulung rund um die Montage von Modulen und Gestellen dauert einen Tag. Eine weitere Schulung zur Planung dauert ebenfalls einen Tag. „Damit sind unsere Marktpartner bestens vorbereitet, denn das sind alles Profis“, sagt Gola.
Millionen Kundenkontakte
Darüber hinaus können die Handwerker ein Kalkulationsprogramm nutzen, sie erhalten Verkaufsunterlagen für den Vertrieb und können bei Fragen Berater bei Eon anrufen, berichtet er weiter. Diese Leistungen klingen nach denen von anderen Solargroßhändlern. Doch was Eons Angebot wahrscheinlich am meisten von diesen unterscheidet, ist das Interesse, dass der Energieversorger bei seinen Millionen von Kunden generieren kann. In der Anfangszeit wurden Anzeigen geschaltet. Eon informiert in Kundenzeitschriften darüber, nun steht laut Gola die Information über das Internet im Mittelpunkt. Interessenten wenden sich über die Eon-Website an das Unternehmen. Die Anfragen werden dann direkt an regionale Handwerksbetriebe weitergeleitet. „Um beim Kunden auch erfolgreich zu sein, sollen diese möglichst innerhalb von zwei Tagen darauf reagieren“, sagt Gola.
Für die „Marktpartner“, wie Eon seine Handwerkspartner nennt, sei das alles kostenfrei. Mit den Handwerkern schließt der Energieversorger Verträge ab. In ihrer Preisgestaltung seien sie frei, so der Vertriebsleiter. Da Eon Climate and Renewables die Module bei dem gleichen Hersteller beziehe, könne das Unternehmen gute Konditionen bieten.
Mit der bisherigen Resonanz von Handwerkern sei er „sehr zufrieden“, zieht Franco Gola eine Zwischenbilanz. Ebenso mit „über 100.000 Zugriffen“ auf die Website und mehreren tausend Angebotsanfragen. Auch an den Ausbau des Angebots denkt er bereits. „Wir führen Gespräche mit einem deutschen Modulhersteller. Und wir wollen das Angebot auf gewerbliche und industrielle Dächer ausweiten.“ Auf die Anmerkung, dass es in der Branche durchaus auch Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Angebots gebe, reagiert er, wie zu erwarten,überrascht. „Uns zeichnet gerade die Vielseitigkeit aus, nur geht das in der aktuellen Diskussion oft unter“, sagt Franco Gola.
Auch um ein Gespräch mit einem Handwerkspartner will er sich nun persönlich kümmern. Am nächsten Tag – zweieinhalb Wochen nach der ersten Anfrage – ist es dann so weit. Ein selbständiger Elektromeister stellt zwar gerade mit Eon Mitte zusammen auf der Herbstmesse in Kassel aus, nimmt sich aber trotzdem Zeit für ein Telefonat. In leuchtenden Farben schildert er die Unterstützung der Handwerker durch den Energiekonzern und geht dabei auf exakt die Punkte ein, die im Interview am Vortag schon ausführlich erläutert wurden. Es macht fast den Anschein, als sei er persönlich dabei gewesen. Auch ein Bild von einer Referenzanlage kommt nun noch. Es ist ein Foto, das Eon in seiner Werbung verwendet.
Test der Akzeptanz
„Wir gehen davon aus, dass Eon in diesem und im kommenden Jahr lediglich die Marktakzeptanz seiner neuen Marke Eon Solar testet“, so schätzt Götz Fischbeck, Analyst bei der BHF-Bank in Frankfurt, das neue Engagement des Energiekonzerns ein. „Vielleicht hat Eon gesehen, dass etablierte Energieversorger in anderen Ländern Solaranlagen gegenüber aufgeschlossener sind“, sagt er und nennt als Beispiele EDF in Frankreich und Enel in Italien. Darüber hinaus verfüge Eon über eine Kundendatenbank, aus der sich leicht die Daten für potenzielle Anlagenbetreiber herausfiltern ließen, die wiederum für Handwerker interessant seien. Zudem gebe es sicher noch viele Hausbesitzer, die bisher noch kein Vertrauen zu den Anbietern auf dem Markt hätten, die sich aber von einem Energieunternehmen wie Eon dazu bewegen lassen könnten, eine Anlage zu bauen, meint Fischbeck weiter. „Der Versuch ist nicht per se zum Scheitern verurteilt“, lautet sein Fazit. „Um Erfolg zu haben, muss aber eine ernsthafte Strategie dahinterstehen.“ Stephan Ott, der Hausbesitzer in der Anzeigenkampagne, hatte mit seiner Strategie jedenfalls Erfolg. Auf dem nur minimal abgeänderten Anzeigenmotiv von Eon, das im August in der Fränkischen Zeitung erschien, hat sein Ziegeldach nun eine Photovoltaikanlage – mit immerhin sechs Modulen.