„Ich sehe rot“, sagt Dirk Morbitzer, „nur rot.“ So etwas hat der Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Renew-able Analytics in San Francisco schon lange nicht mehr erlebt. Die Solaraktien stürzen immer weiter ab. Die von Trina Solar beispielsweise standen am 13. Januar dieses Jahres noch bei 29,50 Dollar. Am 22. Januar waren sie gerade noch 20,93 Dollar wert. Ab 14. Januar kursierten Gerüchte, Bundesumweltminister Norbert Röttgen wolle die Solarstromförderung zusätzlich um 16 bis 17 Prozent absenken. Dann kam der 20. Januar. Es war der Tag, an dem Röttgen das Ende der „Überförderung“ beim Solarstrom ankündigte. Ab 1. April soll es für Dachanlagen zusätzlich 15 Prozent weniger geben, für Freianlagen auf Ackerland ab 1. Juli sogar 25 Prozent weniger.
Dabei gehört der chinesische Hersteller Trina Solar nicht zu denen, die es am härtesten treffen wird. Installateure und Händler wollen künftig zunehmend auf asiatische Produzenten setzen. Über billigere Ware hoffen sie, einen großen Teil der Fördersenkungen in Deutschland wieder aufzufangen. „Der eine oder andere asiatische Anbieter hat schon zugesagt, einen bestimmten Anteil der zu erwartenden Preissenkungen mitzutragen“, hat Morbitzer erfahren.
Deutsche Firmen haben es schwerer. Vor allem die Kleinen, die keine Fertigungsstätten in Niedriglohnländern haben. Q-Cells beispielsweise habe Glück gehabt, dass das Unternehmen jetzt schon ein Werk in Malaysia besitze, urteilt Morbitzer. „Welche Auswirkungen das auf den Standort Thalheim haben wird, wage ich heute noch gar nicht einzuschätzen. Ich vermute nichts Gutes.“ Und das gilt nicht nur für Thalheim, sondern generell für den Standort Deutschland. Der Analyst Wolfgang Seeliger von der Landesbank Baden-Württemberg ist Co-Autor der aktuellen LBBW-Sektorstudie zur Solarindustrie. Er warnt davor, bei der Photovoltaik die gleichen Fehler zu machen wie bei der Unterhaltungselektronik in der Vergangenheit: „Dann werden wir in einigen Jahren wie bei den MP3-Playern wieder jammern, dass Deutschland die Technologie entwickelt hat, die Industrie aber woanders sitzt.“
Das Handwerk kann nicht ins Ausland ausweichen. Bis Ende März sind die Auftragsbücher der Installateure zwar voll, mangels qualifiziertem Personal (siehe Seite 82 ff.) und wegen Lieferengpässen bei den Modulen (siehe Seite 34 ff.) müssen sie potenzielle Kunden momentan sogar vertrösten. Ab April jedoch wird die Hängepartie beginnen, sollten die Vorschläge aus dem Umweltministerium Realität werden.
Ungläubig fragen sich viele in der Branche, wie es so weit kommen konnte und warum der Widerstand in der Solarbranche bisher so schwach war. Der Hauptgrund: Die Akteure wurden von den Ankündigungen aus dem Umweltministerium regelrecht überrumpelt. „Das Ministerium hat die Vertreter der Photovoltaikbranche zu sogenannten Anhörungen eingeladen,“ erzählt Karl-Heinz Remmers, Vorstandsvorsitzender der Solarpraxis in Berlin. „Normalerweise beginnt danach ein Prozess der Meinungsbildung. Es folgen neue Anhörungen. Das Ganze zieht sich über Monate der Abstimmung und Kompromissfindung hin, bis dann ein Ergebnis präsentiert wird. In diesem Fall wurden die Betroffenen jedoch erst am 13. Januar befragt.“ Sieben Tage später präsentierte Röttgen seine Vorschläge. „Es war eine regelrechte Überrumplungsaktion, urteilt Remmers.
Drohende Entlassungen
Möglich war diese Nacht- und Nebelaktion jedoch auch, weil in der Solarbranche schon im Vorfeld Kakophonie vorherrschte. Während die einen vor außerplanmäßigen Absenkungen warnten, schnellten andere wie der Solarworld-Chef Frank Asbeck mit eigenen Vorschlägen zur Förderungskürzung nach vorn. Auch der BSW-Solar verhielt sich defensiv und präsentierte nicht den geschlossenen Willen der Branche. Selbst nach dem 20. Januar, dem Verkündungstag durch Röttgen, blieb der große Protest aus. Zumindest unter den aktiennotierten Unternehmen.
„Da wird immer wieder verklausuliert gesagt, wir sind ja nicht betroffen“, sagt Remmers. „Wegen der Börsenkurse. Man kann sich ja bei einem Unternehmen im TecDAX nicht hinstellen und sagen, mir geht es nicht gut, ich habe Panik. Je öffentlicher die Firmen, desto weniger kritisch äußern sie sich. Und die Politik denkt natürlich: Das klappt schon irgendwie. Aber in Wirklichkeit ist es anders.“
Der Mittelstand sagt inzwischen deutlicher, was er denkt. Eine Nachbesserung fordert beispielsweise Michael Preißel, Geschäftsführer von MP-TEC im brandenburgischen Eberswalde. „Die Pläne von Bundesminister Röttgen berücksichtigen nicht die Lage der Solarwirtschaft, die den Dialog zur Politik gesucht hat.“ MP-TEC hat nach dem Bekanntwerden der Pläne bundesweit 3.000 Handwerkspartner befragt. Das Gros der Betriebe bemängelt vor allem die Kurzfristigkeit der bevorstehenden Absenkung. „Wir werden 90 Prozent der Arbeitskräfte abbauen, weil wir uns auf Photovoltaik ausgerichtet haben,“ kündigt etwa Gotthard Kluge an, Inhaber von EKK Elektro-Kluge in Königshain, einem kleinen Ort in der strukturschwachen Gegend um Görlitz, nahe der polnischen Grenze.
Die ostdeutschen Länder sind besonders betroffen, hier verläuft die Widerstandslinie inzwischen selbst über die Parteigrenzen hinweg. „Die Solarbranche ist noch nicht so weit, um diese deutlichen Einschnitte in der Förderung verkraften zu können“, sagt Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Die Linke). „Diese junge Branche braucht die Unterstützung, um sich weiter dynamisch entwickeln zu können“, so Christoffers.„Und sie braucht Planungssicherheit. Ein schnelles Absenken der Förderung gefährdet die Branche und bringt Arbeitsplätze in Gefahr.“ Zusammen mit den Wirtschaftsministern Sven Morlok (FDP) aus Sachsen, Reiner Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt und Matthias Machnig (SPD) aus Thüringen plant er jetzt den Widerstand. Kritik an den Vorschlägen aus dem Bundesumweltministerium kommt aber auch von der Bundesebene. „Das Umweltministerium hat seine Vorschläge nicht in der Bundesregierung abgesprochen“, sagt der umweltpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kauch. „Und auch nicht mit den Koalitionsfraktionen.
Mehr Investorenschutz
Die FDP hat sich noch nicht endgültig positioniert. Am 25. Januar hörte sie zunächst selbst Experten an, um sich eine eigene Meinung zu bilden (siehe www.photovoltaik.eu). Die Kritik richtet sich unter anderem gegen den kurzen Zeitraum bis zur Förderabsenkung. So existiere keine Planungssicherheit, der Vertrauensschutz der Investoren werde nicht genügend gewahrt. Das Bundesumweltministerium hat den Überraschungseffekt aber bewusst einkalkuliert, Vorzieheffekte bis in den Frühsommer sind so kaum noch möglich. Durch die schnelle Absenkung für Dachanlagen zum 1.April habe der Markt danach wieder genügend Zeit, die Preise zu senken, heißt es aus dem Ministerium.
Bleibt zu hoffen, dass das wirklich allen Marktteilnehmern gelingen wird, wenn der Förderabbau wirklich so schnell greift. Dazu müsste Röttgens Vorschlag aber sehr bald zur Gesetzesvorlage werden, um noch vor dem 1. April Bundestag und Bundesrat passieren zu können. Die Zeit ist knapp.