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Kühner Kauf

Es war ein besonders grauer Tag. Schwere, dunkle Wolken verdeckten den Him- mel an jenem Morgen, als die Hanwha Group die Übernahme von Q-Cells abschloss und das neue Unternehmen Hanwha Q-Cells GmbH am Firmensitz im deutschen Thalheim an den Start ging. Auch die Stimmung war nüchtern. Mit der Übernahme des ehemaligen Solarschätzchens Q-Cells durch Hanwha bleibt das deutsche Unternehmen zwar im Geschäft. Die für 2013 und vielleicht auch 2014 erwarteten Verluste zeigen jedoch, dass es für Jubel noch zu früh ist.

Zweifellos setzt Hanwha auf die Photovoltaik. Das zeigt der große Raum, den die Photovoltaik in der öffentlichen Kommunikation der Gruppe einnimmt. Der breit aufgestellte Konzern leitete sein Einführungsvideo im Jahr 2012 mit einer Stellungnahme von Chris Eberspacher ein, dem CTO von Hanwha Solarone in Kalifornien: „Wissenschaftler haben lange nach der Zukunft der Menschheit in der Beziehung zwischen dem Menschen und dem Kosmos gesucht. Gefunden haben sie die Zukunft in der Sonne, der primären Energiequelle der Erde, und wollen so die Gesundheit unseres Planeten bewahren.“

Im Kern der Strategie

Das Photovoltaikengagement der Hanwha Group steht im Kern der Unternehmensstrategie, die der koreanische Konzern unter das Motto „qualitatives Wachstum“ gestellt hat. Die Hanwha Group selbst ist global aufgestellt und verzeichnete 2011 einen Umsatz von mehr als 31 Milliarden und Vermögenswerte von knapp 88 Milliarden US-Dollar. Gegründet wurde die Hanwha Corporation 1952. Sie ist in verschiedenen Wirtschaftsbereichen tätig und wird in Korea gemeinhin als Jaebeol bezeichnet. Zu den Geschäftsbereichen gehören Geräteherstellung, Herstellung von Chemikalien und Materialien, Finanzierung, Versicherungen und ECP, was sich die gesamte Lieferkette entlang gut mit Photovoltaik verbinden lässt.

„Hanwha ist in sehr vielen verschiedenen Wirtschaftsbereichen tätig“, bestätigt Goetz Fischbeck, Gründer und CEO von Smart Solar Consulting. Aufgrund der Tätigkeit im Chemiebereich mit Hanwha L&C ist Hanwha gut für die Produktion von eigenen EVA-Produkten und Rückseitenfolien positioniert. Hanwha Tech M kann die Ausrüstung liefern und bautgegenwärtig Siliziumkapazitäten auf, die bis 2014 den Betrieb aufnehmen sollen. „Wo auch immer man Kosten und Margen in der Wertschöpfungskette reduzieren kann, bringt es Vorteile“, sagt Matt Feinstein, Analyst bei Lux Research. „Das ist jetzt sinnvoll und wird auch langfristig sinnvoll sein.“ Offensichtlich hat sich Hanwha der Photovoltaikbranche mit Blick auf die langfristigen Aussichten zugewandt. 2010 begann die Hanwha Group ihre Aktivitäten im Solargeschäft mit der Übernahme des chinesischen Unternehmens Solarfun für 370 Millionen US-Dollar. Erklärtes Ziel von Hanwha ist, das vertikal integrierte Geschäft in China auf eine Modulproduktion von vier Gigawatt auszubauen. Im April 2012 hat Hanwha Solarone im Silicon Valley Abteilungen für Forschung und Entwicklung (F&E) eingerichtet, die unter der Leitung von Chris Eberspacher stehen. Unter anderem hat Hanwha außerdem – ähnlich wie ein Risikokapitalgeber – die Unternehmen Crystal Solar, 1366 Technologies, Ten K solar, Silent Power und Oneroof Energy übernommen und deckt somit eine ganze Bandbreite von Photovoltaikprozessen ab.

Im nachgelagerten Bereich hat das Unternehmen ebenfalls investiert. Dazu gehören die Übernahmen von Solar Monkey und Oneroof, die beide verschiedene Ansätze bei der Installation auf dem US-Markt verfolgen. Im Jahr 2011 startete Hanwha Solarenergy, um Projektentwicklung und Finanzierung zusammenzubringen. Hier kann die ehemalige Firma Q-Cells zur nachgelagerten Kapazität beitragen. „Das ist meiner Meinung nach ein enormes finanzielles Engagement“, meint Analyst Feinstein. „Mit der Übernahme von Solarfun und den Risikoinvestitionen hat man viel Geld aufgebracht, um in kurzer Zeit sehr groß und sehr wettbewerbsfähig zu werden.“

Ganzheitlicher Ansatz

Hanwhas Vorgehen im Photovoltaikbereich ist also ziemlich kühn und folgt einem ganzheitlichen Ansatz. Das Timing ist sicherlich nicht schlecht: Für das zahlungsunfähige Unternehmen Q-Cells musste Hanwha lediglich 40 Millionen Euro für das Geschäft in Thalheim auf den Tisch legen und 850 Millionen Ringgitt (rund 215 Millionen Euro) Schulden von Q-Cells Malaysia übernehmen. Es ist jedoch noch unklar, wie schnell Hanwha mit diesen neuen Aktivitäten in die Gewinnzone kommen wird: Die für Q-Cells gezahlte Übernahmesumme ist nicht der eigentliche Kaufpreis, da Hanwha weiteren Zahlungsverpflichtungen für Verluste in den kommenden Monaten oder vielleicht Jahren nachkommen muss.

Berater Fischbeck meint, dass einige der Faktoren, die die Profitabilität des Photovoltaikgeschäfts beeinflussen, nicht nur von Hanwhas Entscheidungen abhängen, sondern auch von der Marktentwicklung. Zieht sich die Branchenkonsolidierung in die Länge und bleiben nicht wettbewerbsfähige Hersteller auf dem Markt und verkaufen Produkte unter Preis, könnte Hanwha im Photovoltaiksegment und vor allem mit Q-Cells noch einige Zeit Verluste einfahren, so Fischbeck. „Ich hoffe, dass es für Hanwha keinen Schock bedeutet und man nicht die Investition in Q-Cells überdenkt, falls 2014 immer noch Verluste gemacht werden“, so Fischbeck.

Beim offiziellen Geschäftsbeginn von Hanwha Q-Cells im Oktober deutete der neue CEO Charles Kim an, dass das Unternehmen für das Jahr 2013 und spätestens für 2014 Gewinne anstrebt. Das könnte nach Fischbecks Ansicht jedoch zu ehrgeizig sein. „Ich würde von einer möglichen Verbesserung der Marktsituation und der Gewinnmargen erst für die zweite Hälfte 2014 ausgehen“, meint Fischbeck. „Man muss sich auf 18 bis 24 Monate unter äußerst schwierigen Geschäftsbedingungen gefasst machen.“

Der Wert von Q-Cells

Trotz der Herausforderungen ist Q-Cells für Hanwha aus vielerlei Hinsicht wertvoll. Q-Cells hat eine starke Marke und einen beachtlichen Ruf. Ein noch größerer Vorteil sind für die Koreaner aber wohl das F&E-Programm und die internationale Präsenz. Beide Faktoren hat das Management des Unternehmens bei der Übernahme unterstrichen. Hanwha zufolge sind die F&E-Kapazitäten von Q-Cells eine positive Ergänzung für das Unternehmen. Hanwha Q-Cells verfüge nun über vier Zentren für Forschung und Entwicklung weltweit.

Hinzu kommen die schon länger zurückliegenden geschäftlichen Verbindungen zwischen Q-Cells und dem Unternehmen Solarfun, das Hanwha bereits im Jahr 2010 übernahm. Wahrscheinlich haben sie mit den Ausschlag für die Akquisition gegeben. Das ist die Ansicht von Berater Fischbeck, der meint: „Die beiden Unternehmen verbindet eine intensive gemeinsame geschäftliche Vergangenheit.“

Gut für die Region

Vor dem Hintergrund der Instabilität, die ein Handelsstreit zwischen der EU und China mit sich bringen kann, hatte die Übernahme von Q-Cells wohl auch politische Gründe, so Feinstein von Lux Research. „Ich denke, dass der politische Einfluss, den sie damit gewinnen, von großer Bedeutung ist, sollte in Europa etwas geschehen.“ Über Hanwha Q-Cells und Hanwha Solarone ist Hanwha nun verantwortlich für die Produktion von 2,3 Gigawatt Zellen und Module in Deutschland, Malaysia und China. Dank der Übernahme des deutschen und malaysischen Geschäfts von Q-Cells kann Hanwha Zölle beziehungsweise Strafzahlungen als Folge des eskalierenden Handelsstreits zwischen China und den USA und eines aufkommenden Handelsstreits zwischen China und der EU umgehen.

Der Verbleib von Q-Cells in Thalheim war jedenfalls für die Kommunen und die Landesregierung eine Erleichterung. Früher war die Region Sachsen-Anhalt, in der Thalheim liegt, ein gemischtes Industriegebiet, dem nach der deutschen Wiedervereinigung allerdings auch ein gemischtes Schicksal zuteil wurde. Reiner Haseloff, der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, betont jedenfalls die Bedeutung der Photovoltaikfertigung für die Region.

Problemfall Streumunition

Wie es bei politischen Angelegenheiten oft der Fall ist, hat die Anwesenheit von Hanwha in Deutschland über den Kauf von Q-Cells hinaus noch eine weitere Dimension. Der Hanwha-Konzern stellt auch Munition und Militärausrüstung her. Die Hanwha Corporation – die Muttergesellschaft der Hanwha Group und des für Munition zuständigen Geschäftszweigs – ist auf einer Sperrliste, die vor Investitionen in Unternehmen warnt, die Streumunition herstellen. Diese Sperrliste wurde von der schwedischen Beratungsgesellschaft Ethix für ethische Investitionen aufgestellt und wird von britischen Investmentfonds und -banken wie Aviva, RBS und Scottish Widows beachtet. Diese Firmen ziehen ihre Investitionen von Unternehmen auf der Sperrliste zurück oder haben dies bereits getan. Betroffen ist auch die Hanwha Corporation. Zukünftig werden den Unternehmen auf der Liste auch keine Kredite mehr zur Verfügung gestellt werden.

Natürlich ist Hanwha nicht das einzige Unternehmen auf der Sperrliste, sondern

findet sich unter einem Dutzend von Unternehmen aus den USA, Israel, Südkorea und Singapur. Hanwha wurde der Liste hinzugefügt, weil es Streumunition herstellt, deren Produktion nach der Streubombenkonvention der Vereinten Nationen nicht zulässig ist. 76 Staaten haben das Abkommen ratifiziert, das seit dem 1. August 2010 gültig ist. 35 Staaten haben das Abkommen nicht ratifiziert, darunter die USA und Südkorea. Deutschland hat es sowohl unterschrieben als auch ratifiziert. Einige Staaten wie Dänemark und die Schweiz haben Schritte eingeleitet, die es ihren Finanzinstitutionen untersagen, in Unternehmen zu investieren, die Streumunition herstellen. In einigen anderen EU-Ländern wäre die Übernahme von Q-Cells durch die Hanwha Group wohl gar nicht möglich gewesen.

Die Angelegenheit ist schwierig, und Zyniker könnten behaupten, dass das Photovoltaikgeschäft lediglich einen Versuch des Konzerns darstellt, sich „grünzuwaschen“. Jedoch sind Feinstein von Lux Research und Fischbeck von Smart Solar Consulting der Ansicht, dass dies nicht der Fall ist. Fischbeck wirft ein, dass die Waffenproduktion nur eine der vielfältigen Aktivitäten der Hanwha Group ist: „Ich glaube nicht, dass es fair ist, dieses Unternehmen als bloßes Waffenunternehmen zu bezeichnen“, so Fischbeck. „Wenn der Konzern allerdings Waffen herstellt, die von der UN geächtet werden, dann stellt sich natürlich die Frage, warum ein Hersteller in einer Demokratie weiterhin an der Produktion solcher Waffen festhält.“

Politische Verpflichtung

Hanwha verweist bei diesem Thema auf die besondere geopolitische Lage Südkoreas, dessen Hauptstadt sich nur Kilometer von der Grenze zum verfeindeten Nordkorea befindet. „Im Angesicht solch allgegenwärtiger Gefahr“, schreibt Hanwha, „hat sich die südkoreanische Regierung an mehrere inländische Unternehmen gewandt, um einen Beitrag zur Verteidigung des Landes zu leisten und verschiedene Verteidigungsmaßnahmen zu erarbeiten.“ Laut Hanwha wurden die deutsche Regierung sowie die Mitarbeiter von Hanwha Q-Cells darüber informiert und haben diese Verpflichtung des Unternehmens akzeptiert.

Fischbeck und Feinstein stimmen darin überein, dass Hanwhas Aktivitäten im Photovoltaikbereich auf ein langfristiges Engagement in der Branche hindeuten. Im Gegensatz zu Siemens, das gerade sein Engagement zurückfährt, scheint der koreanische Riese langfristige Absichten zu haben. Feinstein glaubt, dass Hanwha – in Anbetracht von Handelsstreitigkeiten und einer schwierigen finanziellen Situation, in der sich einige chinesische Unternehmen befinden – für den Wettbewerb gut aufgestellt ist, um von der Photovoltaik zu profitieren, wenn sich die Marktbedingungen verbessern.

Der Vorsitzende der Hanwha Group, Seung Youn Kim, zeigte sich in seinen Bemerkungen für das Jahr 2012 nicht als überschwänglicher Befürworter der erneuerbaren Energien, als er schrieb, dass das Unternehmen „die Möglichkeit in Betracht zieht, führend beim Anpacken von Umweltveränderungen zu sein“. Wenn jedoch das bloße Inbetrachtziehen bei Hanwha bereits zu solchen Investitionen auf dem Photovoltaiksektor führt, wie sie seit 2010 zu beobachten sind, dann wird ein volles Engagement bahnbrechend sein.

Von Q-Cells zur Hanwha Group

• Hauptsitz, Zentrum für Forschung und Entwicklung sowie Verwaltung in Deutschland
• Zellfertigungsanlagen (200 Megawatt) und Modulfertigungsanlagen (120 Megawatt) in Deutschland
• Zellfertigungsanlage (800 Megawatt) in Malaysia
• Verkaufsstätten in den USA, Australien und Japan
• 34 Patente
• 1.225 Mitarbeiter

Jonathan Gifford

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