Die Kosten für die Stromversorgung in Deutschland bleiben nur stabil, wenn die Ökostromanlagen konsequent ausgebaut werden. Bei einem Beibehalten des derzeitigen Erzeugungsmixes müssen sich die Bundesbürger auf Unsicherheiten bei den Kosten einstellen. Es wird aber wahrscheinlich sehr viel teurer.
Die Kosten für das gesamte Stromsystem werden nur mit einer konsequenten Wende hin zur dezentralen Versorgung mit erneuerbaren Energien stabil bleiben. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Ökosinstitut im Auftrag von Agora Energiewende erstellt hat. Demnach wird im Jahr 2050 das gesamte Stromsystem – inklusive aller Anlagen 63 Milliarden Euro kosten. Das ist in etwa so viel, wie die Deutschen auch derzeit für ihr Stromsystem bezahlen.
Dazu muss aber der Ausbau von Ökostromanlagen konsequent weitergehen und die fossilen Erzeugungsanlagen sukzessive abgeschaltet werden. Denn die Kosten bleiben nur stabil, wenn im Jahr 2050 mindestens 95 Prozent des Stroms mit der Kraft der Sonne, des Windes, des Wassers oder mit Bioenergieträger produziert wird.
Zwölf verschiedene Szenarien untersucht
Bleibt hingegen der Ausbau der Ökostromversorgung aus, kann es teuer werden. Die Experten vom Ökoinstitut haben zwölf verschiedene Szenarien entwickelt und die jeweiligen Kosten mit denen für ein Stromsystem auf Basis erneuerbarer Energien verglichen. Die Variationen gehen zum einen von niedrigen oder hohen Brennstoffkosten sowie von niedrigen, mittleren und hohen Preisen für CO2-Zertifikate aus. „Wir wissen nicht, wie sich die Preise für Kohle, Gas und CO2-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden. Wir wissen aber, dass ein fossiles Stromsystem in den Szenarien, die mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit eintreten, teurer ist als ein Erneuerbaren-Energien-Stromsystem“, fasst Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, die Ergebnisse zusammen. „Die Energiewende ist insofern zum einen notwendig für den Klimaschutz und wirkt zum anderen gleichzeitig wie eine Versicherung gegen das Risiko hoher Brennstoff- oder CO2-Preise.“
Brennstoff- und Zertifikatkosten entscheiden
Denn die Szenarien, die wahrscheinlich eintreten werden, basieren auf steigenden Brennstoffkosten und hohen Preisen für Zertifikate zum Ausstoß von Treibhausgasen. 75 bis 88 Milliarden Euro pro Jahr müssen die Bundesbürger für ihr Stromsystem bezahlen, wenn die Kosten für Kohle und Gas als Brennstoffe steigen und die Preise für CO2-Zertifikate auf 103 Euro in die Höhe schnellen. Allerdings könnte es auch billiger werden. Ein kohlebasiertes Energiesystem kostet 48 Milliarden Euro, wenn die Brennstoffpreise stabil bleiben und die Preise für CO2-Zertifikate bei niedrigen 20 Euro pro Tonne liegen. Schon bei einem Preis für das CO2-Zertifikat von 50 Euro pro Tonne steigen die Kosten für das Gesamtsystem auf 59 Milliarden Euro.
Bei einem erdgasbasierten Energiesystem hat der CO2-Preis einen geringeren Einfluss auf die Gesamtkosten. Denn die Erdgaskraftwerke stoßen weniger Treibhausgase aus als die Kohlemeiler. Deshalb kann ein solches System vor allem billiger werden, wenn die Gaspreise weiter sinken und die Kosten für den Ausstoß von Treibhausgasen nicht zu stark ansteigen. Die Voraussetzungen für preiswertere fossile Stromsysteme sind allerdings so hoch angesetzt, dass diese kaum eintreten werden.
Ökostrom mit geringen variablen Kosten
Damit wird klar: Ohne Energiewende werden die Bundesbürger in Zukunft erheblich höhere Stromkosten schultern müssen. Selbst die Integration von notwendigen Speichersystemen jeglicher Art – vom elektrochemischen Stromspeicher über den Wärmespeicher, der mit überschüssigem Ökostrom gefüllt wird, bis hin zur Speicherung in Form von Wasserstoff – wird im Verbund mit dem Ausbau der Ökostromanlagen preiswerter als die Fortführung des jetzigen Stromsystems. Die Kosten für die zusätzliche Installation von Speicherkapazitäten sind in die Rechnung schon mit eingeflossen. Zudem sind nur mit der Umstellung des Systems auf erneuerbare Energien die Klimaschutzziele zu erreichen. Ein dritter Vorteil: Die Kosten für die Versorgung mit Ökostrom sind berechenbar. Denn der variable Kostenanteil liegt mit fünf Prozent extrem niedrig. Das ist bei fossilen Kraftwerken ganz anders. Je nach Erzeugungstechnologie fließen variable Kostenanteile zwischen 30 und 67 Prozent. Das macht die Prognose, was ein fossiles Stromsystem im Jahr 2050 kostet, sehr unsicher. Es kann sein, dass es billiger ist. Aber wahrscheinlich wird es sehr viel teurer. (Sven Ullrich)