Es blieb nur eine kurze Atempause. Nach den heftigen Diskussionen über die Solarförderung im ersten Halbjahr bläst die Politik nun erneut zum Angriff auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Bereits deutlich vor der Verkündung der neuen Umlage für 2013 Mitte Oktober positionierte sich etwa die FDP. Die Partei legte als Erste ihre Vorschläge für eine Reform des Gesetzes auf den Tisch. Dabei geht es den Liberalen weniger um weitere Modifizierungen des EEG als eher darum, zu einem Quotenmodell überzugehen und das bestehende System der Einspeisevergütungen mittelfristig abzuschaffen.
Auch Bundesumweltminister Peter Altmaier von der CDU wollte den 15. Oktober nicht abwarten. An diesem Tag verkündeten die Übertragungsnetzbetreiber, dass die EEG-Umlage im kommenden Jahr von derzeit 3,592 auf 5,277 Cent je Kilowattstunde steigen wird. Altmaier legte schon vorher seinen Verfahrensvorschlag zur Neuregelung des EEG vor. Sein Ansatz ist dabei, einen möglichst breiten Konsens zu finden. Die Abgeordneten des Bundestages, aus den Ländern sowie die Akteure und die Öffentlichkeit will Altmaier für eine EEG-Reform gewinnen.
Wie schwierig dies werden dürfte, zeigt sich schon an den politischen Debatten kurz nach der Verkündung der EEG-Umlage. Dabei schieben sich Vertreter der Parteien den Schwarzen Peter gegenseitig zu. Sie zeigen sich uneins in der Frage, wer für die politische Entwicklung verantwortlich ist. Die Frontlinien verlaufen dabei naturgemäß zwischen den schwarz-gelben Regierungsparteien und der rot-grünen Opposition, die währendihrer Regierungsverantwortung im Jahr 2000 das EEG einführte.
Allerdings gesteht der Umweltminister ein, dass die Politik die Anpassungen an dem Fördergesetz zu spät vorgenommen habe. „Wir haben zu lange gewartet, um Konzepte zu entwickeln, um solche Strompreisanstiege in den Griff zu bekommen. Denn es ist ja keineswegs so, dass fertige Konzepte in den Schubladen liegen. Und die derzeit eilfertig präsentierten Patentrezepte haben alle ihre Haken und Ösen“, sagt er (siehe Interview, Seite 19).
FDP treibt Umweltminister an
Die Liberalen, die in den letzten Wochen und Monaten immer mehr die Energiepreise als Wahlkampfthema entdeckt zu haben scheinen, fordern aber eine Reform des EEG noch in dieser Legislaturperiode. „Die stetige Mehrbelastung der Bürger und der Unternehmen durch die steigenden Energiepreise muss gestoppt werden. Hauptkostentreiber bei den Strompreisen ist das EEG“, argumentiert FDP-Generalsekretär Patrick Döring.
Die Opposition hingegen sieht den Anstieg der EEG-Umlage nicht im Zubau der Erneuerbaren begründet, sondern in einer verfehlten Energiepolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren. Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber etwa sagt zu den Hauptgründen des Anstiegs der EEG-Umlage: „In erster Linie gibt es wegen des von Schwarz-Gelb politisch entschiedenen Einfrierens der EEG-Vergütung 2012 jetzt einen massiven Nachholeffekt bei Ausgleich und Reserve auf dem EEG-Ausgleichskonto.“ Der Energieexperte der Grünen, Hans-Josef Fell, pflichtet ihm bei. Die Erhöhung der Umlage gehe vor allem auf Faktoren zurück, die nichts mit dem Zubau der erneuerbaren Energien zu tun hätten.
Dennoch steht mit der verkündeten Erhöhung mehr denn je die Forderung nach einer Reform des EEG im Raum. Während Bundesumweltminister Altmaier die Sache ruhig angehen will und zunächst einen sogenannten EEG-Dialog zu den wichtigsten Themenfeldern, darunter auch zur Photovoltaik, starten will, drängen die Liberalen zur Eile. Die FDP begrüßt seinen Verfahrensvorschlag, will allerdings in den kommenden Monaten bereits Ergebnisse sehen. „Wenn die aktuelle Entwicklung sich ungebremst fortsetzt, werden die Kosten aus dem Ruder laufen und die stabile
Stromversorgung gefährdet. Und dann gerät auch das Ziel der Energiewende in Gefahr. Es ist daher wichtig, dass noch in dieser Legislaturperiode, also bis zum Herbst 2013, etwas geschieht“, sagt Döring. Altmaier hingegen will für ein solides Ergebnis eine gründliche Diskussion, an deren Ende ein mehrheitsfähiges neues Gesetz steht. „Es ist niemandem damit gedient, mit hohem Tempo vor die Wand zu fahren“, sagt der Umweltminister. Er hat zuletzt immer wieder seine Zuständigkeit für das EEG betont, auch um Bundeswirtschaftsminister und FDP-Parteichef Philipp Rösler in die Schranken zu weisen.
Quotenmodell statt EEG
Altmaiers Vorschläge sind bislang aber so vage, dass sie bei den Regierungsfraktionen zumindest teilweise Anklang finden. Jede Seite versucht daraus abzuleiten, was in ihr Konzept passt. Bei der FDP ist es, dass der Umweltminister den von ihnen vorgeschlagenen Übergang vom EEG zum Quotenmodell zumindest prüfen will. Auch innerhalb der Union wird Altmaier die Interessen der verschiedenen Flügel unter einen Hut bringen müssen. So fordert der Wirtschaftsflügel mittelfristig einen Abschied vom EEG. Deren Sprecher Joachim Pfeiffer sagt: „Für eine Beibehaltung des Status quo gibt es kein vernünftiges Argument.“ Pfeiffer sieht sich mit dem Umweltminister auf einer Linie, wenn er eine grundlegende Reform des EEG fordert. Sie sollte zu einer Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien führen. Auch für die Erneuerbaren gelte, „auf eigenen Beinen zu stehen und sich endlich aus der 100-prozentigen und durch den Verbraucher finanzierten Subventionierung zu lösen“, sagt Pfeiffer.
Marktfähigkeit der Erneuerbaren
In der bayerischen Schwesterpartei CSU gibt es hingegen Zustimmung für die Pläne des Umweltministers, eine Reform erst nach der Bundestagswahl umzusetzen. Allerdings will deren energiepolitischer Sprecher Josef Göppel eine „Ausbaubremse“ für die Erneuerbaren nicht hinnehmen. „Administrativen Einschnürungen des Ausbaus werde ich mich widersetzen“, sagt er mit Blick auf Altmaiers Verfahrensvorschlag. Die Grenze werde durch die Vermarktungsfähigkeit des Stroms bestimmt und müsse nicht staatlich festgelegt werden.
„Das EEG muss den dezentralen Erzeugern helfen, ihre Strommengen zu zeitlichen Komplettangeboten zusammenzuführen und so marktfähig zu machen. Das bedeutet allerdings auch, dass nur noch der eine EEG-Vergütung erhält, der bereit ist, seine Anlage von einer zentralen Stelle ein- und ausschalten zu lassen. Der Eigenverbrauch bliebe davon unberührt. Er wird vor allem bei Solaranlagen eine größere Rolle spielen“, skizziert Göppel seine Reformvorstellungen zum EEG.
Kritik von der Opposition
Das Ausbremsen des Zubaus erneuerbarer Energien durch eine EEG-Reform treibt auch die Politiker von SPD und
Grünen auf die Barrikaden. „Da steckt zu wenig drin, um vorhandene Probleme zu lösen. Faktisch würde der Erneuerbare-Energien-Ausbau gedeckelt“, sagt SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber zu den Plänen des Umweltministers. „In Wirklichkeit will Peter Altmaier auch nur von dem dreijährigen Chaos in der Energiepolitik der Regierung ablenken, indem er den Schwarzen Peter den erneuerbaren Energien zuschiebt.“ Ähnlich lautet auch die Kritik der Grünen. „Die Vorschläge des Umweltministers gehen nicht auf die preistreibenden Sonderfaktoren im EEG ein und können daher auch nicht umlagesenkend wirken“, sagt deren energiepolitischer Sprecher Hans-Josef Fell.
Altmaier mache stattdessen fast nur Vorschläge für die Reduzierung des Ausbaus der Erneuerbaren, sagt der Grünen-Energieexperte. So sollen nach der Photovoltaik auch die Windenergie und Biomasse festgelegte Obergrenzen bei der Förderung erhalten. „Seine Vorschläge kommen damit bis 2020 einem Bestandsschutz von 60 Prozent für fossile Kraftwerke gleich. Er will dazu auch die untauglichen Quotenmodelle prüfen, die als planwirtschaftliches Modell den Wettbewerb vor allem für die neu entstandenen Betreibergemeinschaften und Genossenschaften einschränken würde“, sagt Fell weiter. Die Grünen lehnen auch aus diesem Grund Altmaiers Vorschläge rundweg ab.
SPD fordert konkrete Vorschläge
Die SPD fordert indes vom Umweltminister, seinen vagen Ankündigungen nun konkrete Vorschläge für eine Reform des Gesetzes folgen zu lassen. Rolf Hempelmann, der energiepolitische Sprecher der SPD, sieht dabei zwei Ziele, die mit einer Weiterentwicklung des EEG verfolgt werden müssten. „Zum einen müssen wir das Stromsystem aufnahmefähiger für volatilen Strom aus Wind und Sonne ausgestalten. Hierzu gehören der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze, die Entwicklung und Markteinführung von Speichern sowie eine Flexibilisierung der Nachfrageseite, zum Beispiel die Nutzung zu- und abschaltbarer industrieller Lasten. Darüber hinaus geht es um Instrumente, mit denen die Volatilität von Wind- und Solarenergie reduziert werden kann“, sagt Hempelmann.
Momentan ist der Schwarze Peter also eher CDU-Umweltminister Peter Altmaier. Er hat sich die Vorbereitung einer EEG-Reform für die kommenden Monate auf die Fahnen geschrieben. Wie er dabei einen breiten Konsens herstellen will, lässt sich angesichts der doch sehr weit auseinanderliegenden Positionen derzeit nur schwer vorstellen. Letztlich wäre es auch wünschenswert, dass Altmaier das Erneuerbare-Energien-Gesetz endlich in den Kontext einer verantwortlichen Energiepolitik stellt.