Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb des VDE hat eine Studie zum Verhalten dezentraler Erzeugungseinheiten bei Fehlern im Netz veröffentlicht. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass sich künftig neu zu errichtende Photovoltaik- und Windkraftanlagen zumindest eingeschränkt netzstützend verhalten sollten. Das heißt, sie sollen sich bei kurzzeitigen Netzfehlern nicht automatisch trennen.
Um zukünftig auch bei kurzzeitigen Fehlern im Stromnetz dessen Stabilität gewährleisten zu können, sollten sich die dezentralen Erzeugungsanlagen nicht automatisch vom Netz trennen. Schließlich würde bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien die Einspeiseleistung abrupt zusammenbrechen, was die Stabilität des Stromnetzes bei einem kurzzeitigen Spannungsabfall gefährden würde. Die ist das Ergebnis einer Untersuchung von Forschern der Technischen Universität im niederländischen Delft im Auftrag des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) hat schon lange Bedenken, dass die derzeitigen Regelungen in Zukunft nicht mehr praktikabel sind. Diese legen fest, dass sich die dezentralen Erzeugungsanlagen, also Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie Blockheizkraftwerke, bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen von bis zu 150 Millisekunden vom Netz trennen. „In Anbetracht der hohen Anzahl von Anlagen könnte dieses Verhalten schon heute in ungünstigen Konstellationen die Systemstabilität gefährden“, betonen die Fachleute vom FNN.
Anlagen sollen das Netz stützen
Die Delfter Wissenschaftler schlagen vor, dass sich die künftigen Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz eingeschränkt dynamisch netzstützend verhalten. Konkret bedeutet das, dass neue Photovoltaik- und Kleinwindkraftanlagen bei sehr kurzen Spannungseinbrüchen, typischerweise für die Dauer von etwa 100 Millisekunden, am Netz bleiben. Somit wird verhindert, dass die Einspeiseleistung in solchen Fällen schlagartig um 30 bis 50 Prozent zurückgeht. Dieses Problem wird bei einem weiteren Ausbau der regenerativen Erzeugungsleistung immer immanenter. Mit Blick auf die Systemsicherheit muss deshalb die Abschaltleistung von Erzeugungseinheiten bei Spannungseinbrüchen so gering wie möglich gehalten werden, vor allem wenn witterungsbedingt kurzzeitig mehrere Netzfehler aufeinander folgen. „Um einem solchen Szenario vorzubeugen, sind bereits heute Anforderungen an künftige Anlagen in der Niederspannung zu definieren“, betonen die Netztechniker vom VDE.
Anwendungsregeln weiterentwickeln
Deshalb wollen sie auch die VDE-Anwendungsregeln zu den Anforderungen an Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz entsprechend auf der Basis mehrerer Studien weiterentwickeln. Die Untersuchung der Delfter Wissenschaftler ist die erste von fünf relevanten Studien, die das FNN in Auftrag gegeben hat. Die Ergebnisse der restlichen vier Studien werden noch in diesem Jahr erwartet. „Bisher fehlten systematische und praxisnahe Untersuchungen zum Verhalten solcher Anlagen im Fehlerfall“, betonen die Netztechniker vom VDE die Relevanz dieser Studien.
Auswirkungen von Netzfehlern simuliert
Die niederländischen Wissenschaftler haben erstmals umfassend untersucht, welche Auswirkungen ein solcher Fehler im Übertragungsnetz im Jahr 2022 auf dezentrale Erzeugungsanlagen in der Niederspannung hätte. Dazu haben auf der Basis eines Simulationsmodells mit 12.500 modellierten Niederspannungsnetzen und rund 950 Modellen von Erzeugungsanlagen die Auswirkungen von Fehlern untersucht. „Konkret zeigen die Berechnungen, dass sich beispielsweise ein simulierter Wegfall von rund 1.400 Megawatt Leistung um 50 Prozent reduzieren lässt, wenn Erzeugungsanlagen sich eingeschränkt dynamisch netzstützend verhalten“, fasst das FNN die Ergebnisse zusammen. Noch nicht untersucht sind die Auswirkungen, wenn sich die dezentralen Erzeugungsanlagen in Zukunft sogar vollständig netzstützend verhalten würden. Dazu müssten sie bei Netzfehlern zusätzlich aktiv Blindleistung und Wirkstrom einspeisen. Doch dann würden sich neue Herausforderungen bei Netzschutzkonzepten ergeben. Diese Fälle wollen die Netzspezialisten des FNN aber ebenfalls noch untersuchen. (su)