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Viel Lärm um nichts

In der Woche, nachdem alle Schlachten geschlagen sind und sich das politische Berlin in seine Sommerpause verabschiedet hat, sitzt Georg Nüßlein noch immer in seinem Abgeordnetenbüro. Eine Woche zuvor hatten Bundestag und Bundesrat nach neunmonatiger Debatte den Weg für die Solarkürzungen freigemacht. Fragt man Nüßlein, wie zufrieden er mit dem verabschiedeten Kompromiss ist, muss er zunächst einmal überlegen. Eine heikle Frage, gewiss: Der 41-jährige Schwabe ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, zugleich im Beirat des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, und hatte sich intern für einen Kompromiss bei der Förderung von Photovol taikanlagen auf Freiflächen ausgesprochen. Der blieb nun aus, stattdessen ist, allerdings nur geringfügig, an den Fristen bei der Senkung der Solarstromvergütung gedreht worden: „Es musste halt jetzt was rauskommen an der Stelle, weil sich die Bundesländer da ins Zeug gelegt haben“, sagt Nüßlein lakonisch.

Die von der Bundesregierung geplante Kürzung der Einspeisetarife für Solarstrom um 16 Prozent wird wie geplant kommen. Einzige Änderung: Die volle Absenkung erfolgt erst zum 1. Oktober, zum ursprünglich dafür anvisierten Stichtag 1. Juli wird zunächst um 13 Prozent gekürzt. Drei Prozent Kürzung weniger für drei Monate – das ist alles, was vom Aufstand des Bundesrates im März übrig geblieben ist. Eine Änderung bei dem Förderstopp für Photovoltaikanlagen auf Ackerflächen war im Vermittlungsausschuss kein Thema mehr. Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im März noch angekündigt, „alle Hebel“ gegen die Kürzungen in Bewegung zu setzen. Auch andere unionsregierte Länder wie Baden-Württemberg und Hamburg votierten damals im Bundesrat gegen die Regierungspläne und forderten die Begrenzung der Absenkung auf zehn Prozent.

Nun erfolgte die Abstimmung wieder entlang der Parteigrenzen. Auch ein Kompromissvorschlag des SPD-regierten Bundeslandes Rheinland-Pfalz, innovative Produkte wie integrierte Dach- und Fassadenanlagen besserzustellen, wurde von den unionsgeführten Länder abgelehnt. Der jetzige Beschluss mutet wie ein typischer parteipolitischer Kompromiss an, der die parteiinternen Kritiker der Solarkürzungen in CDU/CSU und FDP das Gesicht wahren lässt, bei den Solarbefürwortern selbst aber skeptisch gesehen wird. „Zunächst einmal werden sehr viele Investitionen auf den Oktober zulaufen, um dann noch anzuschließen. Und zusätzlich sehen wir natürlich: Eigentlich hatte sich die Branche auf die 16 Prozent bereits eingestellt. Jetzt werden in diesem Zwischenzeitraum doch noch einmal höhere Renditen gemacht, und die erhöhen das Umlagevolumen des EEG“, so der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell. „Umso stärker wird diese Frage dann in den kommenden Monaten diskutiert werden. Ich befürchte, dass auf uns eine Generaldebatte über das Umlagevolumen zukommt.“ Auch Milan Nitzschke, Leiter der Kommunikation beim Bonner Hersteller Solarworld, kritisiert den Beschluss: „Der Kompromiss bringt nicht viel außer noch mehr Verwirrung.“

Ob für die Solarbranche mehr drin gewesen wäre? Sicher ist jedenfalls, dass die Branche noch ein wenig mit dem Rollenwechsel fremdelt, den sie gerade durchleidet. War sie jahrelang in der Öffentlichkeit der Sympathieträger unter den erneuerbaren Energien, etwa auch im Gegensatz zur Windbranche, die früh Konflikte um Landschaftsschutz contra Energiegewinnung durchstehen musste, geriet sie diesmal insbesondere in den Medien massiv unter Beschuss. Noch am Wochenende, nachdem Bundestag und Bundesrat die Kürzungen verabschiedet hatten, war in der FAZ von der „Subventionsgier der Solarlobby“ die Rede, in der Süddeutschen Zeitung kommentierte Michael Bauchmüller: „Durch den Aufwuchs erneuerbarer Energien ist nicht nur ein Milliardenmarkt entstanden – sondern auch eine machtvolle Lobby, die den Markt zu bewahren sucht. Es ist mittlerweile eine Art selbsttragender Aufschwung: Der Einfluss sichert politische Unterstützung, das wiederum sichert Einfluss. Letztlich mag das helfen, die deutsche Stromversorgung rascher auf Öko-Energien umzubauen. Es birgt aber auch Gefahren. Wie jede Lobby zielt diese vor allem auf Eigennutz, weniger auf Gemeinwohl.“

Frank Asbeck in der Kritik

Dabei ist man in der Branche nicht unbedingt glücklich mit dem eigenen Auftritt im aktuellen Konflikt. Intern steht vor allem das Vorgehen von Frank Asbeck in der Kritik: Der Vorstandsvorsitzende von Solarworld war bereits im Herbst vergangenen Jahres mit der Forderung vorgeprescht, die Förderhöhe um zehn Prozent zu reduzieren. Im Berliner „Tagesspiegel“ äußerte er im Januar dieses Jahres vorsichtige Zustimmung, die Vergütung von Anlagen auf Ackerflächen zu streichen: „Deutschland ist nicht so riesig, dass wir jedes schöne Feld zubauen müssen. Ich fände es besser, wenn unsere Anlagen auf dem Dach stehen oder selbst als Hausdach dienen.“

Asbeck ist zugleich Vorstandsmitglied im Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), der zunächst eine Kürzung des Einspeisetarifs um lediglich fünf Prozent vertrat und Kürzungen bei Ackerflächen weitgehend ablehnte.

Hans-Josef Fell etwa zeigt sich über Asbeck deutlich verärgert: „Statt klare Positionen erst mal intern richtig abzustimmen, geht man mit einseitigen Meinungen nach vorne. Ich kann nicht verstehen, wenn man sich bei dem Kampf alte Energiewirtschaft gegen erneuerbare Energien, der jetzt stattfindet, untereinander das Leben schwermacht.“ Auch Andreas Hänel, Vorstandsvorsitzender beim Projektierer Phoenix Solar, der zahlreiche Freiflächenanlagen errichtet hat, kritisiert das Vorgehen: „Natürlich gibt es einige in der Branche, die nur zu ihrem eigenen Vorteil sprechen und Dinge, die sie selbst nicht betreffen, gerne opfern. Das ist kurzsichtig, weil der Schuss auch mal nach hinten losgehen und dazu führen kann, dass andere Unternehmen ähnlich agieren. Die deutsche Solarindustrie mit Produzenten und Systemintegratoren ist nicht der homogene Block, als den ihn manche gerne sehen.“ Dennoch glaubt Hänel, die Lobby habe diesmal besser agiert als in der vorherigen Kürzungsrunde. „Bei der vorletzten Novellierung gab es zahlreiche Querschüsse und kaum Abstimmungen. Diesmal hat sich die Branche abgestimmt und die gemeinsam erarbeiteten Positionen auch weitgehend durchgehalten.“

Solarworld verteidigt das eigene Vorgehen: Man habe mit „verteilten Rollen“ gearbeitet, sagt Milan Nitzschke. „Es ging darum, deutlich zu machen, dass wir uns der Verantwortung bewusst sind, dass die Verbraucher für sauberen Strom zahlen. Es war nötig, frühzeitig ein solches Signal zu setzen – wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre das Ergebnis noch verheerender ausgefallen.“

Hätte die Branche auch in der Freiflächenfrage einige Konflikte vermeiden können, wenn sie früher reagiert hätte und stärker auf die Regierungsseite eingegangen wäre? Die jetzige völlige Streichung der Förderung für Ackerflächen-Anlagen ist vor allem auf das Betreiben des Deutschen Bauernverbands zurückzuführen, der das Aufkaufen von Äckern oder deren Pacht zu hohen Preisen und damit Probleme für die eigene Klientel fürchtete. CSU-MdB Nüßlein glaubt, dass die Branche früher einen Mechanismus hätte finden müssen, zu große Anlagen zu verhindern: „Was bei uns in der CSU eine Rolle spielte, waren die Niederbayern, die geneigt waren, alles zu tun, um die Megaanlage von Thurn und Taxis bei Straubing zu verhindern. Nicht zu Unrecht. Ich habe allen gesagt: Wenn ihr anfangt, zwei Quadratkilometer große Solaranlagen aufzustellen, dann bekommen wir eine Diskussion, die nicht mehr beherrschbar ist. Das spaltet die Gemüter so, dass ich der Branche nur raten kann, solche Dinge in Zukunft wohlüberlegt und wohldosiert zu machen.“

Sein Kompromissvorschlag, große Solaranlagen zukünftig noch in Wasserschutzgebieten zu erlauben, habe angesichts der aufgeheizten Stimmung keine Chance mehr gehabt. Auch Solarworld setzte sich für einen Kompromiss ein: „Die einzige Möglichkeit war anzubieten, die Anlagen, die die Politik wirklich stören, wegzulassen und dafür Landwirte auf ihren Flächen ihre Projekte realisieren zu lassen“, so Nitzschke. Der Vorschlag habe branchenintern aber keine Chance gehabt. „Ich glaube, dass heute einige bedauern, dass sie den nicht mitgetragen haben.“ Der BSW-Solar hatte lediglich eine Staffelung des Einspeisetarifs für Freiflächenanlagen nach deren Größe vorgeschlagen.

Horrortermin für die Branche

Als vielleicht größtes Problem könnte sich die Dauer der Diskussionen um Kürzungen erweisen. Debatten um die Stromversorgung stehen in Deutschland seit den 70er Jahren im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit, Kürzungen bei der Photovoltaik finden daher – anders als solche bei der Solarthermie – stets breite Beachtung. Eine bisher positiv wahrgenommene Branche lässt sich damit schon über eine Debatte schädigen, in der über Monate hinweg die Argumente der Gegner öffentlich Gehör finden. Die Branche steht damit vor der schwierigen Frage, ob beziehungsweise wie lange es lohnt, eine Auseinandersetzung auszutragen. Eine Bewährungsprobe steht schon im Oktober an, wenn die Netzbetreiber aufgrund des Zubaus festlegen, wie viel die Verbraucher 2011 für die Ökostromförderung werden zahlen müssen. Dies sei „ein Horrortermin“ für die Ökostrombranche, schrieb die „Berliner Zeitung“ Anfang Juli und zitierte genüsslich den Bundesverband Erneuerbare Energien: „Bei der Photovoltaik wird es zu weiteren Absenkungen der Vergütung kommen müssen, damit die Kosten im Rahmen bleiben.“ Die nächste Runde ist eröffnet.Georg Nüßlein (CSU): „Musste was rauskommen.“

Die Kürzung der Einspeisevergütung für Photovoltaikanlagen für 2010

ab 01.07.2010
ab 01.10.2010 

Gebäude-/Dachanlagen:

13 %3 %
Konversionsflächen8 %3 %
Sonstige Freiflächen,z. B. Gewerbegebiete12 %3 %

Datum der Inbetriebnahme

Anlage auf/an Gebäuden oder LärmschutzwändenFreiflächenanlagen

bis 30 kW
30 – 100 kW100 – 1000 kWab 1000 kWKonversions- flächenAckerflächensonstige Flächen

30.06.2010

39,1437,2335,2329,3728,4328,4328,43
01.07.201034,0532,3930,6525,5526,15entfällt25,02
01.10.201033,0331,4229,7324,7925,37entfällt24,26
Quelle: Antaris Solar GmbH & Co KG

Martin Reeh