Volkswagen will umschwenken: Nach dem Skandal mit frisierten Abgassystemen für Dieselmotoren und nicht enden wollenden Debatten um den Spritverbrauch der Fahrzeuge will der weltgrößte Autobauer nun 2,5 Milliarden Euro in die Elektromobilität pumpen. Das gaben die Bosse aus Wolfsburg gestern bekannt.
Der Aktienmarkt reagierte verhalten: Die Werte von Tesla knickte kurzzeitig ein, erholten sich aber schnell. Bei VW blieben die Händler vorsichtig, eher skeptisch. Die Aktie tendierte seitwärts und landete bei rund 120 Euro. Für Euphorie ist es wohl etwas zu früh, zu schwer lastet der Abgasskandal auf Volkswagen. Aber auch Tesla kämpft mit der Marktdynamik. Der neue Autopilot des amerikanischen Pioniers der Elektromobilität ist bei den Experten durchgefallen.
Übernahme von Solarcity zeigt Teslas Schwächen
Und die Übernahme von Solarcity in den USA zeigt, mit welchen Problemen sich Elon Musk herumschlagen muss. Denn ausgerechnet solare Dachziegel mussten herhalten, um den Aktionären von Solarcity und der Finanzwelt den Deal schmackhaft zu machen. Solare Dachziegel werden in den Vereinigten Staaten ein Nischenprodukt bleiben, wie sie es seit Jahren in Europa sind. Der Grund: Solche Solargeneratoren sind viel zu kleinteilig in der Kontaktierung und viel zu anfällig für Ermüdung oder Korrosion, obendrein ist der Montageaufwand erheblich. In the long run, Mister Musk, werden wir andere Dächer bauen, ohne Ziegel: aus standardisierten Solarpaneelen.
Freilich stimmten in der vergangenen Woche 85 Prozent der Aktionäre von Solarcity für die Übernahme. Sonst wäre die Firma möglicherweise in schwieriges Fahrwasser geraten. Tesla respektive Elon Musk hat dafür 2,6 Milliarden Euro hingeblättert. Denn er will den wichtigsten Installationsbetrieb in den Staaten nutzen, um seine Heimspeicher der Marke Powerwall unter die Leute zu bringen. Wenn Solarcity den exklusiven Vertrieb der Powerwall in den USA übernimmt, werden sich Tausende Solarteure anderen Anbietern zuwenden. Sonnen beispielsweise profitiert bereits davon.
Gigantischer Rummel blieb ohne Vertriebserfolg
Aus eigener Kraft hat der Vertrieb der Powerwall offenbar nicht einmal in den USA funktioniert, im Heimatmarkt von Tesla. Auch in Europa ist die Powerwall bislang ein Ladenhüter. Dieser Heimspeicher ist – elektrisch gesehen – nicht schlecht, aber er ist unhandlich, schwer und benötigt die Leistungselektronik eines zweiten Anbieters, etwa von Solaredge. Musk hat einen gigantischen Marketingrummel gemacht, um in Deutschland vielleicht 300 oder 400 Systeme zu verkaufen. Konkurrierende Anbieter liefern im Monat bereits tausend Systeme aus.
Das muss doch Gründe haben. Sicher einer davon: Bei den stationären Speichern geht der Trend eindeutig zu vollintegrierten Systemen, bei denen Batterie, Wechselrichter und Systemsteuerung in einem Gerät enthalten sind. Bald wird es auch den Solargenerator einfach obendrauf geben. Kurz: Bei den stationären Speichersystemen ist Tesla alles andere als ein Pionier. Und preiswert ist der Speicher auch nicht wirklich.
Welcome to the real business
Und nun kommt Volkswagen, greift Tesla im Kernsegment an, bei den Elektroautos. Teure, mit Hightech ausgestattete Superschlitten mit Elektromotor auf die Straße zu bringen, war eine echte Pioniertat. Das hat Tesla gezeigt, Kompliment. Doch nun geht es um die Fertigung von Millionen Autos, zum erschwinglichen Preis. Welcome to the real business.
Volkswagen bleibt nichts Anderes übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten. Es ist dasselbe Phänomen wie bei Eon, EnBW oder RWE. Doch anders als die Energiekonzerne kennen die Wolfsburger ihre Kunden, kennen die Finessen des Vertriebsgeschäfts in einem Markt, der jeher von erbarmungsloser Konkurrenz geprägt war. Und zwar global: Der Vertrieb ist schon da, das Unternehmen braucht einfach neue Autos.
Die Zeit der Pioniere läuft ab - auch in der Elektromobilität
Für den Einstieg in die Elektromobilität hat VW einen markanten Partner an der Seite, den man nicht unterschätzen darf: Varta hat seine Entwicklungskapazitäten mit dem Autobauer gebündelt, um gleichfalls in die Elektromobilität vorzudringen. Varta ist die globale Batteriemarke schlechthin. Noch in diesem Jahr ist ein Börsengang im Frankfurter Prime Standard geplant, der 200 Millionen Euro einspielen soll.
Noch ist Varta im Heimspeichermarkt zurückhaltend, doch dieses Segment wird ohnehin nur ein Nebenkriegsschauplatz sein. Denn das wirklich große Rad dreht die Automobilindustrie, solche Konzerne wie Volkswagen, oder wie Daimler aus Stuttgart oder BYD aus China. Man darf gespannt sein, wie sich die Sache weiterentwickelt. Eins ist klar: Die Zeit der Pioniere in der Photovoltaik ist vorbei. Bei den Heimspeichern läuft sie gerade ab. Und 2025 ist sie garantiert auch in der Elektromobilität vorüber.