Zum Jahresende 2011 knirscht es gewaltig bei First Solar. Erst muss Vorstandschef Robert Gillette seinen Hut nehmen. Bei einigen Großprojekten in den USA kommt es zu Verzögerungen. Kurze Zeit später kündigt der Hersteller von Dünnschichtmodulen aus den USA an, seine Kapazitäten auf rund 80 Prozent drosseln zu wollen, um den veränderten Rahmenbedingungen auf den Weltmärkten gerecht zu werden. In seinem deutschen Werk in Frankfurt (Oder) erwägt First Solar deshalb, ab März Kurzarbeit einzuführen. Dabei hätte First Solar bis zum Jahresende 2011 gerne ein Problem vom Tisch gehabt. Alle sogenannten Low-Power-Module (LPM) mit einer hohen Anfangsdegradation sollten bis dahin getauscht sein. Der Zeitplan stellte sich letztlich als zu ambitioniert heraus.
Im Produktionszeitraum zwischen Juni 2008 und Juni 2009 stellte First Solartausende Module her, die kurz nach ihrer Installation bereits signifikant Effizienz einbüßten, die über die Leistungsgarantie hinausging. Nach früheren Angaben des Herstellers handelte es sich um ein Volumen von etwa 30 Megawatt fehlerhafter Module. Nach den ersten Kundenreklamationen im Jahr 2009 beschloss der Hersteller, über seine bestehenden Garantiebestimmungen hinaus auch für die Kosten des Austauschs der schadhaften Module aufzukommen und eine Kompensationszahlung für die entgangene Vergütung zu leisten. Photovoltaikanlagen mit weniger als 50 Kilowatt Leistung sollten komplett erneuert, bei den anderen Systemen nur die fehlerhaften Module getauscht werden (photovoltaik 04/2011, S. 36).
Welch riesiges Unterfangen dies darstellte, zeigte sich bereits Anfang vergangenen Jahres. Nach einigen Fristverlängerungen meldeten Installateure tausende Anlagen, die mit Low-Power-Modulen aus dem betroffenen Produktionszeitraum bestückt waren, bei First Solar vorsorglich zur Prüfung an. „Bei rund 1.100 gemeldeten Anlagen haben wir Abweichungen festgestellt, die mit dem LPM-Phänomen verbunden sind“, sagt Klaus-Peter Fuss, Leiter der weltweiten Serviceabteilung bei First Solar. Bei mehr als 70 Prozent dieser Anlagen sei die Bearbeitung bereits abgeschlossen oder derzeit im Gange. Die Jahresendrallye habe letztlich verhindert, dass die ursprünglich anvisierte Frist bis Jahresende eingehalten werden konnte, sagt Fuss weiter.
Der Serviceleiter von First Solar sieht einen Grund für die langen Wartezeiten auch in dem komplexen Bearbeitungsprozess der Gewährleistungsfälle durch die fehlenden Informationen. Ineinigen Fällen seien die notwendigen Unterlagen für die Prüfung nur schwierig zu beschaffen gewesen, sagt Klaus-Peter Fuss. Der Kontakt zu den Installateuren und Anlagenbetreibern lief eigentlich über die Partner von First Solar. Teilweise habe sich der Hersteller im Laufe des Prozesses aber auch direkt mit Betroffenen kurzgeschlossen, um die Bearbeitung zu beschleunigen und die Kunden zu entlasten, sagt Fuss.
Der Hersteller erhielt denn auch wiederholt Rückmeldungen von zufriedenen Kunden, die sich für die reibungslose Bearbeitung und das kulante Entgegenkommen bei First Solar bedankten. Auch die Firma Adler Solar, die als beauftragter Servicedienstleister eine Vielzahl der betroffenen Module und Anlagen tauschte, dürfte sich über eine gute Auftragslage gefreut haben. Aber es gibt durchaus auch kritische Stimmen.
„Worten müssen Taten folgen“, hatte Stephan Dautel, Geschäftsführer von Futurasol, im Frühjahr 2011 gesagt. Kurz zuvor veranstaltete First Solar einige Informationstage für Installateure, beidenen sie über die geplante Tauschaktion unterrichtet wurden. „Nach den Ankündigungen im Februar lief die Abwicklung seitens First Solar sehr schleppend, Termine wurden oft nicht eingehalten“, sagt Dautel. Am Ende des Jahres zeigt er sich eher ernüchtert. Mittlerweile seien bis auf zwei die LPM-Fälle seiner Kunden abgearbeitet. Bei beiden Anlagenbetreibern sei das Thema trotz Insistierens von Futurasol recht stiefmütterlich behandelt worden. Die Kunden seien den Informationsanforderungen von First Solar allerdings nicht nachgekommen, berichtet Dautel.
Austausch auf eigene Kosten
Dennoch lagen die Verzögerungen nicht nur aufseiten der Anlagenbetreiber. Davon kann Martin Walz von der Firma Elektrowalz ein Lied singen. Er zeigt sich massiv unzufrieden über die Fortschritte beim Tausch der degradierten Module. Walz hat zehn Photovoltaikanlagen vorsorglich gemeldet, die mit Modulen aus dem betroffenen Produktionszeitraum bestückt waren. Als Installateur ist er für die Anlagenbetreiber erster Ansprechpartner in solchen Fällen. Bis Anfang dieses Jahres sei erst eine Anlage getauscht worden, allerdings die Rechnung noch nicht gezahlt. Bei zwei weiteren Anlagen sei die Lieferung von Ersatzmodulen sowie der Tausch angekündigt, vier weitere Systeme seien noch immer in der Untersuchung, darunter auch große Dachanlagen. Drei der gemeldeten Anlagen habe First Solar mittlerweile als „nicht betroffen“ eingestuft, sagt Walz. Allerdings bringt ihn die schleppende Bearbeitung selbst in Bedrängnis bei seinen Kunden.Mit vier Anlagenbesitzern habe er nun vereinbart, dass sie einen kostenlosen Tausch der Module im ersten Quartal 2012 erhalten. Walz werde zunächst die Kosten selbst übernehmen. Dieser Schritt sei notwendig geworden, um einen Rechtsstreit und weitere Unannehmlichkeiten zu verhindern. Für Martin Walz sei es eine Abwägung gewesen, ob er den guten Ruf seiner Firma aufs Spiel setzen oder das finanzielle Risiko tragen wolle. Auch Stefan Kutscher, Inhaber der SK Solar, hat das LPM-Problem auf eigene Faust aus der Welt geschafft. Er tauschte Anlagen teilweise, ohne die offizielle Bestätigung von First Solar abzuwarten. Er wollte im Frühjahr 2011 das Thema LPM möglichst schnell zu den Akten legen können. Allerdings musste er einige Monate auf die Begleichung seiner Rechnungen warten.
Viele Faktoren für Verzögerungen
Klaus-Peter Fuss berichtet, dass es auch viele externe Faktoren gegeben habe, die den Austausch der Low-Power-Module erschwerten und nicht von First Solar zu beeinflussen gewesen seien. So sei in einigen Fällen ein Tausch der Anlage nicht immer zu jeder Zeit möglich gewesen. Hinzu komme, dass auch bei einigen Installateuren die Auftragsbücher gerade zum Jahresende gut gefüllt gewesen seien und sie daher die schadhaften Module erst im ersten Quartal 2012 tauschen wollten. Fuss berichtet von Rückmeldungen, wonach die Betreiber mit einem späteren Austausch der Module einverstanden gewesen seien, da der Vergütungsausfall für die Zeit von First Solar kompensiert werde.
Eben diese Kompensationszahlungen kamen bei manchem Anlagenbetreiber aber nicht gut an. Ein Besitzer einer 30-Kilowatt-Dachanlage aus Norddeutschland sagt, dass der von First Solar zugeschickte Vorschlag für die Kompensation nur bei etwa zwei Drittel der von ihm tatsächlich erwarteten Summe liege. Klaus-Peter Fuss von First Solar glaubt hingegen, dass es durchaus sein könne, dass bei manchen Betreibern falsche Erwartungen hinsichtlich der Erträge geweckt worden seien, als sie die Anlagen installierten. Die realen Bedingungen würden nicht immer die optimalen Erträge ermöglichen, sagt Fuss.
Der Anlagenbetreiber aus Norddeutschland vermutet jedoch, dass First Solar nur für 90 Prozent Leistung seinerModule, die das Unternehmen auch garantiere, die Berechnung der Kompensationszahlung vorgenommen habe. Klaus-Peter Fuss äußert sich explizit nicht dazu. Er sagt aber, dass verschiedene Faktoren in die Formel für die Berechnung einbezogen worden seien. Auch habe First Solar für die Berechnung die von den Energieversorgern erstellten Zählerstände verglichen und aktuelle Wetterdaten für die jeweils zu kompensierenden Monate gekauft.
Der Anlagenbetreiber aus Norddeutschland entschloss sich nach einigem Zögern, eine Neuberechnung bei First Solar einzufordern. Diese sei aber abgelehnt worden. Klaus-Peter Fuss ist indes sicher, dass es nur in Einzelfällen zu einer unter Umständen falschen Berechnung gekommen sei. Er bestätigt, dass eine erneute Berechnung von Kompensationszahlungen nicht mehr vorgenommen worden sei. Relativ einhellig ist die Meinung der Befragten, dass die Berechnung nur schwer nachzuvollziehen gewesen sei. Die meisten Anlagenbetreiber seien wohl einfach nur froh gewesen, überhaupt eine neue Anlage und die Kompensation erhalten zu haben. Daher hättenviele die Zahlung ohne Widerspruch hingenommen, vermutet auch der Anlagenbetreiber aus Norddeutschland.
Allein bis zum Ende des dritten Quartals 2011 hat First Solar insgesamt 77,8 Millionen US-Dollar für die Austauschaktion aufgewendet. Da zu diesem Zeitpunkt noch lang nicht alle LPM-Fälle abgearbeitet waren, wird es vermutlich noch weitere Millionen kosten. „Weitere Rückstellungen weisen wir gemäß unseren Veröffentlichungspflichten in unserem Jahresbericht aus, der voraussichtlich Mitte Februar erscheint“, sagt First-Solar-Sprecher Sebastian Fasbender. Angaben darüber, wie hoch die Summe der Kompensationszahlungen ist, wollte er nicht machen.
Licht am Ende des Tunnels
Wann nun das letzte Low-Power-Modul getauscht und die letzte Kompensationszahlung geleistet ist – dafür möchte First Solar kein genaues Datum mehr nennen. „Wir sehen jetzt aber eindeutig Licht am Ende des Tunnels“, sagt Serviceleiter Klaus-Peter Fuss. Bis Weihnachten seien noch weniger als ein Dutzend Anlagen bei First Solar gemeldet worden. Obwohldie nochmals bis September 2011 verlängerte Frist abgelaufen war, werde der Hersteller auch diese Fälle noch bearbeiten. „Ab diesem Jahr nehmen wir jedoch keine Meldungen mehr an“, sagt Fuss. Die normale Leistungsgarantie gelte aber weiterhin.
First Solar hat einiges aus den Schadensfällen gelernt und ist zuversichtlich, Reklamationen künftig schneller und einfacher bearbeiten zu können, wie Klaus-Peter Fuss sagt. Besonders wertvoll waren für ihn die Erfahrungen aus den Workshops mit den Installateuren: „Da haben wir den Puls der Leute gespürt, was sonst immer noch durch unsere Partner gefiltert wird. Vielleicht hätten wir solche Veranstaltungen früher starten sollen“, lautet sein Fazit.
Vielleicht lässt sich damit auch das Vertrauen des einen oder anderen Installateurs wieder zurückgewinnen. Denn Firmeninhaber Stephan Dautel, Martin Walz und Stefan Kutscher haben momentan den aktiven Vertrieb von First-Solar-Modulen ausgesetzt. „Ich biete die Module nur noch Kunden an, die wissen, worauf sie sich einlassen“, sagt etwa Stefan Kutscher.