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“Ästhetik spielt eine große Rolle“

Warum haben Sie vor 35 Jahren mit der Solarenergie angefangen?

Rolf Disch: Die Idee, regenerative Energien zu nutzen, ist aus dem Widerstand gegen das geplante Kernkraftwerk Wyhl entstanden, das von der Bevölkerung verhindert wurde. Unseren Aktivisten genügte es nicht, nur zu sagen, wogegen wir sind, sondern wir wollten auch eine Alternative anbieten. Deshalb gab es viele Überlegungen, neue Energien zu gewinnen. Wir fingen damals mit Solarthermie an. Sehr schnell kam dann die Photovoltaik dazu.

Wann war das?

Das erste Mal bin ich beim Bau von Solarmobilen mit der Photovoltaik in Berührung gekommen. Wir haben an einer Ausschreibung für das erste Solarmobilrennen vom Bodensee zum Genfer See teilgenommen. Das war 1984. Gleichzeitig haben wir einen Pavillon für die Landesgartenschau in Freiburg vorbereitet.

War das der Einstieg in die bauwerkintegrierte Photovoltaik?

Hier wollten wir vor allem Zukunftstechnologien vorstellen. Wir haben drei Pavillons gebaut. Die Photovoltaikanlagen waren gleichzeitig die Dachfläche der Ausstellungspavillons, wo wir auch Elektrofahrzeuge vorgestellt haben.

War die Integration der Solarmodule in die Dächer der Pavillons ein Ansatz für Sie als Architekt, die Photovoltaik ästhetisch umzusetzen?

Ja. Ich ärgere mich immer, wenn die Anlage einfach irgendwie auf das Dach geschraubt wird und es verunstaltet. Ein Gebäude muss ästhetische Anforderungen erfüllen. Deshalb muss sich die Photovoltaik in die Gebäudehülle integrieren. Das gilt sowohl für Fassaden als auch für das Dach. Hier gibt es für Architekten neue Aufgaben und gestalterische Möglichkeiten.

Welches Gebäude haben Sie als Erstes solar gebaut?

Die erste große dachintegrierte Anlage haben wir bei Hansgrohe in Offenburg errichtet. Das Unternehmen hat eine neue Produktionshalle gebaut. Mein Vorschlag ging dahin, aus dem geplanten Flach- ein Sheddach zu machen. Auf diese Weise kommt Licht von Norden in die Produktionshalle. Auf der Südseite der Sheds haben wir die Solarmodule integriert.

War das mit der Solarsiedlung in Freiburg anders?

Ja. In der Solarsiedlung wurde im Mai 2000 die erste Hauszeile bezugsfertig. Das sind alles Plusenergie-Holzhäuser mit einer hochwärmegedämmten Gebäudehülle und einer solaren Dachhaut. Wir haben vorher schon viele Gebäude errichtet, bei denen wir die Dachflächen für die Photovoltaik vorbereitet haben. Die sollte gebaut werden, wenn die Technologie günstiger geworden ist. Ich war mit diesem Ansatz aber nicht ganz zufrieden. Deshalb habe ich mich entschieden, die Solaranlagen gleich ins Dach zu integrieren. Das war natürlich eine wirtschaftliche Belastung für das Projekt, da die Anlagen noch sehr teuer waren.

War das mit Inkrafttreten des EEG einfacher?

Durch das Inkrafttreten des EEG konnten wir alle Häuser, die danach gebaut wurden, mit den Solardächern ausrüsten. Denn ab jetzt waren die Photovoltaikanlagen erstmals wirtschaftlich. Wir haben gegenüber der ursprünglichen Planung die Dächer sogar vergrößert und Dachüberstände gebaut, die gleichzeitig als Vordach fungieren. Wir haben dafür semitransparente Module genommen. Dadurch fällt ein Teil des Sonnenlichts auf die darunter liegenden Balkone. Das Licht-Schatten-Spiel, das durch das Modul erzeugt wird, sorgt für eine einzigartige Lichtstimmung.

Was erwarten Sie als Architekt von den Photovoltaikanbietern?

Eine gute Sache ist immer die bauaufsichtliche Zulassung der Komponenten. Dann geht die Planung, Errichtung und Abnahme schneller und einfacher. Auch die Preissenkungen und die Leistungssteigerungen der letzten Jahre sind sehr gut und helfen der BIPV weiter. Ein Vorteil für die BIPV ist auch das Angebot an kundenspezifisch angefertigten Modulen. Schließlich spielt die Ästhetik eine sehr große Rolle.

Welche Chancen für die Photovoltaik und die BIPV sehen Sie in Zukunft?

Wir müssen eine Energieversorgung nach dem Ausstieg aus der Kernkraft 2022 und aus der Braunkohle spätestens 2038 sicherstellen. Dabei muss die Photovoltaik die führende Rolle übernehmen. Das kann die Windkraft nicht, weil sie flächenmäßig begrenzt ist. Im Solarbereich haben wir unendlich viele Flächen, auch schon verbrauchte Flächen wie Dächer oder Fassaden. Auf jedes geeignete Dach gehört eine Photovoltaikanlage, und zwar möglichst groß und möglichst gut eingebunden. Denn wir brauchen aufgrund der Sektorkopplung in Zukunft noch mehr Strom als bisher. Wir brauchen aber gleichzeitig Überkapazitäten, weil die Sonne nicht immer scheint. Das wiederum bedeutet, dass parallel zum Ausbau der Photovoltaik auch die Speicher mit installiert werden müssen.

Wie können die vorhandenen Flächen besser genutzt werden?

Man könnte die Dächer etwas beruhigen, indem beispielsweise bei gleichzeitigem Wohnflächengewinn durch Aufstockungen die Gauben wegfallen können. Schornsteine braucht man in Zukunft ohnehin nicht mehr, weil die gesamte Wärmeversorgung mit Solarstrom und Wärmepumpen abgedeckt wird. Der Vorteil der Photovoltaik ist auch, dass der Ausbau schrittweise erfolgen kann. Es sind nicht gleich große Systeme notwendig. Aber wir müssen viel größer denken und viel schneller vorankommen! Für eine sichere Energieversorgung benötigen wir mindestens den fünffachen Zubau.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

www.rolfdisch.de

Willi Krauss/Krauss-Energie

„Das Passivhaus ist nicht das Maß aller Dinge“

Ich bin seit 36 Jahren beim BUND engagiert und kam über den Protest in Wackersdorf gegen die WAA zum Thema Energie. Es reichte mir nie, „nur“ gegen etwas zu sein. Ich wollte immer aktiv handeln und die machbaren Alternativen praktisch vorleben! Meine Vision ist eine von den Bürgern gelebte Energie- und Mobilitätswende und praktizierter Klimaschutz von unten!

Deshalb bin ich 1986 selbst in die Photovoltaik eingestiegen. Seinerzeit habe ich das erste ökologische Lehmhaus mit Photovoltaik, Solarthermie und Windkraft gebaut. Die Leistung der netzunabhängigen Photovoltaikanlage betrug ein Kilowatt. Ab 1989 wurde damit sogar ein erstes E-Mobil mitversorgt. Die Inselanlage war eine der ersten Anlagen, die Anfang der 1990er auf Netzeinspeisung umgestellt wurde.

In der Garage des Lehmhauses wurde 1987 die Firma Solar-Krauss gegründet. 1997 wurde die Krauss Handel- und Dienstleistungen eingetragen. 2007 startete die Krauss AG mit dem Einzug in ein Sonnenhaus-Vertriebszentrum. Im Sommer 2019 sind wir in unser Aktiv-Haus mit Holz und Lehm eingezogen.

Die Firma Krauss ist als Pionier der Energietechnik in Nischenmärkten bekannt. Wir behalten uns jedoch vor, nicht jeden „Blödsinn“ zu verkaufen. In der ersten Boomzeit der Photovoltaik hatten wir zwölf Mitarbeiter, momentan sind es vier. Aktuell steigt die Nachfrage wieder an.

Derzeit bin ich vor allem in der Planung und dem Anlagenvertrieb für Ein- und Zweifamilienhäuser tätig. Die Installation erfolgt durch Handwerkspartner. Das waren in den mehr als drei Jahrzehnten schon Hunderte Anlagen. Von der Inselanlage im Schrebergarten bis zum 19-Familien- Sonnenhaus im Nahwärmeverbund.

Energieeinsparung, Effizienz und erneuerbare Energie ermöglichen hohen Wohnkomfort zu bezahlbaren Kosten! Das Passivhaus für Besserverdiener ist nicht das Maß aller Dinge. Die Energiewende und wirksamer Klimaschutz gelingen nur dann, wenn auch weniger betuchte Bürger daran teilhaben und mitmachen können.

Bei aller Technik dürfen wir dabei die Menschen nicht vergessen. In den Gebäuden müssen wir hohe und bezahlbare Wohnqualität anstreben. Dabei muss die Technik im Hintergrund bleiben und den Bewohnern dienen. Gute Lösungen sind immer auch einfach, verständlich und beherrschbar. Zu viel und zu komplexe Technik degradiert den Bewohner zum Hausmeister und wird mit den Jahren vom Segen zum teuren Fluch.

Die Entwicklung in der Photovoltaik sehe ich ähnlich wie bei PCs oder Handys. Mein erstes Mobiltelefon hat damals 6.000 Deutsche Mark gekostet. Das war teurer als der Kaufpreis meines damaligen gebrauchten Opels.

Aktuell behindern der fehlende politische Fahrplan für die Energiewende und eine wuchernde Bürokratie den Klimaschutz. Juristen und Bürokraten haben die Solarbranche als lukratives Geschäftsfeld entdeckt. Mittlerweile gibt es mehr Rechts- und Gutachterseminare als technische Fachveranstaltungen.

Von der Politik erwarte ich mir für alle erneuerbaren Energieformen planbare Rahmenbedingungen, flankierend eine wirksame und sozial verträgliche Steuer auf Kohlendioxid. Wir brauchen beständige, nachvollziehbare Regelungen für den Klimaschutz, die Mobilitäts- und Energiewende. Nur so holen wir alle Menschen, gerade auch weniger wohlhabende Bürger, mit ins Boot.

Willi Krauss ist Gründer und Geschäftsführer der Firma Krauss-Energie GmbH und Krauss Handel & Dienstleistungen in Merkendorf in Franken.

www.krauss.online

Eva Belletti/Talesun Solar

„PPA ist der Schlüssel für erfolgreiche Geschäfte“

Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage bei Dachanlagen in den kommenden drei Jahren stark zunehmen wird – im privaten und besonders im gewerblichen und industriellen Bereich. Immer mehr Verbraucher wollen sich vom Netz lösen und setzen auf dezentrale Systeme. In Deutschland sind mittlerweile viele große Projekte in Planung, die ohne Fördertarife gebaut werden sollen. PPA ist künftig der zentrale Schlüssel für erfolgreiche Photovoltaikgeschäfte.

Die „Fridays for Future“-Bewegung erfährt weltweit und in Deutschland viel Zuspruch. Wir wären gut beraten, dieses politische Moment zu nutzen. So können wir die 100-prozentige Energiewende tatsächlich umsetzen. Das gelingt, wenn im Bund der Blick statt auf Parteibücher auf die Sache gerichtet wird. Selbstverpflichtung und Engagement der Politik sind entscheidend. Investoren benötigen langfristig Kontinuität und Stabilität – alles Weitere regeln Angebot und Nachfrage. Zudem sehe ich die Kommunen und Länder in der Pflicht, öffentliche Grundstücke oder Dächer zur Verfügung zu stellen.

Für mich ist es ein Privileg, Teil dieser Branche zu sein. Ich habe so die Möglichkeit erhalten, die saubere und sichere Stromgewinnung weltweit mit voranzutreiben. Damit darf ich ganz persönlich meinen Beitrag leisten, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das fühlt sich schon gut an und gibt auch Mut und Zuversicht.

Das Photovoltaikgeschäft ist zudem eine verhältnismäßig junge und recht internationale Branche mit vielen Entwicklungspotenzialen. Das motiviert mich bei meinen täglichen Aufgaben.

Eva Belletti ist Geschäftsführerin der Talesun Solar GmbH in München.

www.talesun-eu.com

Johann Wimmer/Enwitec Electronic

„Wir brauchen einfache und klare Regelungen“

Wir brauchen jetzt die möglichst schnelle Umsetzung der Vorschläge aus dem Klimapaket. Sonst entsteht im Markt eine Lücke, weil sich Unwissen und Unsicherheit verbreiten. Bislang gibt es keine eindeutige und langfristige Planungssicherheit. Für die verschiedenen Anlagenleistungen ist die Netzanbindung sehr kompliziert, das müsste einfacher werden. Wir brauchen stabile Einspeisetarife, je einfacher und klarer, desto besser. Sonst entstehen im Markt ständige Wellenbewegungen.

Wir brauchen drei bis fünf Jahre Vorlauf, und zwar nicht nur mit Ankündigungen, sondern mit konkreten Taten. Ich kam schon 1980 in die Branche, zunächst über die Elektroinstallation. Damals haben wir die Module stückweise verkauft, da öffnete sich eine Nische. In Spitzenzeiten hatten wir 300 Mitarbeiter, heute sind es – immerhin noch – 45. Ich wünsche mir, dass die Politik die Hürden durch einfache Regelungen abbaut. Dann können die Menschen und die Unternehmen in unserem Land die Vorteile der Photovoltaik immer stärker nutzen.

Johann Wimmer ist Gründer und Geschäftsführer der Firma Enwitec Electronic in Wurmannsquick.

https://enwitec.eu

Franz Pöter/Solar Cluster Baden-Württemberg

„Geringer Zubaukorridor blockiert den raschen Ausbau“

Der Ausbau der Solarenergie weltweit ist eine großartige Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht fertig erzählt ist. In den Anfangsjahren müde als kleine Nische belächelt, mittlerweile mit die günstigste Energieerzeugung. Und dabei gibt es noch ein großes Potenzial, sowohl was die technologische Weiterentwicklung als auch die weitere Nutzung angeht.

Für mich steht damit fest: Der Erfolg der Energiewende in Deutschland hängt stark mit der weiteren Nutzung der Photovoltaik und der Solarenergie insgesamt zusammen. Wir benötigen günstigen Solarstrom für den direkten Verbrauch und zunehmend auch für elektrische Anwendungen im Wärme- und Mobilitätsbereich. Solarthermie wird im Zusammenspiel mit Wärmenetzen auch in Deutschland eine größere Rolle spielen. Solarenergie ist schon heute eine der tragenden Säulen der Energiewende, die zukünftig noch stärker werden wird.

Damit Deutschland auch weiterhin von der Photovoltaik profitieren wird, gilt es, die Weichen richtig zu stellen. Der im EEG festgelegte geringe Zubaukorridor blockiert den raschen Ausbau ebenso wie die geringen Kontingente in den Ausschreibungsverfahren. Es braucht wieder mehr Mut der politischen Entscheidungsträger, progressive Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch den in Paris 2015 vereinbarten Klimaschutzzielen gerecht werden.

Mindestens eine Vervierfachung der jährlichen Ausbaumenge muss festgelegt, die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch gestrichen und Regelungen wie zum Beispiel beim Mieterstrom müssen stark vereinfacht und entbürokratisiert werden. Große Wirkung für Baden-Württemberg könnte etwa die Ausweitung des Korridors entlang von Autobahnen und Schienenwegen auf 500 Meter entfalten und/oder die Zulassung von Anlagen unter 750 Kilowatt auch in der Flächenkulisse für Ausschreibungsanlagen.

Mich begeistern die vielfältigen Möglichkeiten der Solarenergie. Von Taschenrechner bis Weltraumstation wird die Technologie genutzt. Gebäudefassaden, E-Autos, Parkplätze, Radwege: Wir können viele Flächen schon heute – und zukünftig noch viel stärker – sinnvoll zur Energieerzeugung nutzen. Die Solarbranche hat ihre Innovationsstärke schon oft unter Beweis gestellt. Auch mit den führenden Forschungseinrichtungen ist Deutschland gut gerüstet, weiterhin ein Motor der Solarenergie zu sein.

Franz Pöter ist Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg.

https://solarcluster-bw.de/

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