Die ersten Hochrechnungen über die Stromproduktion in diesem Jahr sind da. Nach vorläufigen Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Strommix einen neuen Rekordwert erreicht – trotz der gelegentlichen schwächeren Produktion an einigen Tagen im Dezember dieses Jahres. Insgesamt deckten die Ökostromanlagen in der Bundesrepublik gut 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Das sind zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Photovoltaik mit neuen Rekordwerten
Die Analysten von ZSW und BDEW führen dies vor allem auf die positive Entwicklung der Stromerzeugung aus Photovoltaik und Offshore-Windkraft zurück. Dies liegt nicht zuletzt am gestiegenen Zubau. Denn trotz eines eher unterdurchschnittlichen Sonnenjahres erzielte die Photovoltaik 2024 neue Spitzenwerte. Das war nur dank eines Rekordzubaus von rund 17 Gigawatt in diesem Jahr möglich, nachdem im Vorjahr schon 15,3 Gigawatt Solarstromleistung neu hinzukam.
Fast 15 Prozent Sonnenstrom im Netz
Die Photovoltaik hat in diesem Jahr aber noch einen weiteren Rekord hingelegt. Denn in den Monaten Juni, Juli und August wurde erstmals durchgängig mehr als zehn Milliarden Kilowattstunden Sonnenstrom erzeugt. Insgesamt lieferten die installierten Photovoltaikanlagen 72 Milliarden Kilowattstunden Strom. Das sind immerhin 14,7 Prozent der in diesem Jahr voraussichtlich insgesamt produzierten Strommenge von 489 Milliarden Kilowattstunden. Im vergangenen Jahr lag der Anteil noch bei 11,9 Prozent.
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Zubau zeigt Wirkung
Damit zeige der Zubau nachhaltig Wirkung für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, betonen die Analysten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr flossen noch 59,8 Milliarden Kilowattstunden Sonnenstrom durchs deutsche Netz. Dies waren damals 11,9 Prozent des insgesamt erzeugten Strom, wobei in diesem Jahr die gesamte Stromproduktion um 2,4 Prozent gesunken ist.
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Onshore-Windkraft bleibt vorn
Damit ist die Photovoltaik weiterhin die zweitstärkste Technologie in Deutschland. Nur die Onshore-Windkraft produzierte mit 115 Milliarden Kilowattstunden den größten Teil des Ökostroms. Die Produktion ist aber um knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Dies liegt laut Analysten vor allem am geringen Winddargebot im viertel Quartal. Der Herbst war nicht so windig wie in den vergangenen Jahren.
Windkraft auf See weniger abgeregelt
Im Gegensatz dazu konnte die Windkraft auf See um über elf Prozent zulegen. Die Offshore-Windkraftanlagen produzierten fast 27 Milliarden Kilowattstunden Strom in diesem Jahr. Im letzten Jahr waren es noch 24 Milliarden Kilowattstunden. Dies liegt nach Angabe der Analysten einerseits am Zubau, andererseits aber auch daran, dass diese Anlagen 2024 im Vergleich zu 2023 weniger abgeregelt wurden.
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Biomasse und Wasserkraft mit leichten Steigerungen
Zwischen Photovoltaik und Offshore-Windkraft liegt noch die Biomasse. Inklusive Stromerzeugung aus biogenen Siedlungsabfällen lieferten diese Anlagen gut 49 Milliarden Kilowattstunden Strom. Die Wasserkraft trug aufgrund überdurchschnittlicher Niederschläge mit einem deutlichen Anstieg von zehn Prozent ebenfalls zur positiven Entwicklung bei. Diese Anlagen produzierten knapp 21 Milliarden Kilowattstunden Strom. Im vergangenen Jahr waren es noch 18,8 Milliarden Kilowattstunden. „Dass wir mit einem erneuten Rekordwert eine derart hohe Quote erreichen konnten, zeigt, wie erfolgreich der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland verläuft“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Erfreulich ist, dass die Erneuerbaren mittlerweile fast durchgängig mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs decken.“
Speicher schneller aufbauen
Sie sieht aber auch dringenden Handlungsbedarf beim Thema Photovoltaik. „Um zu vermeiden, dass an Tagen mit geringerem Strombedarf die Menge an ungesteuerter Stromeinspeisung den Verbrauch überschreitet und in einem solchen Fall ganze Netzstränge zeitweise vom Netz genommen werden müssen, braucht es Maßnahmen und Regelungen, die die Netze in Phasen mit sogenannten Einspeisespitzen entlasten, ohne den Erneuerbaren-Ausbau zu bremsen“, beschreibt Kerstin Andreae die Herausforderung etwa zum schnelleren Aufbau von Speicherkapazitäten. „Diese Regelungen sollten mit einer Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes so schnell wie möglich beschlossen werden.“
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Heimische Wertschöpfung stärken
Auch für Frithjof Staiß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des ZSW zeigen die Zahlen, dass es in die richtige Richtung geht. „Doch gerade angesichts der hohen Zubauzahlen bei der Photovoltaik ist auch darauf hinzuweisen, dass es bisher nicht gelungen ist, die hohen Lieferabhängigkeiten vom Ausland zu reduzieren“, sagt er mit Blick auf die fehlenden Produktionskapazitäten von Komponenten. „Hier bietet der jüngst im Rahmen des Innovationsfonds von der neuen EU-Kommission veröffentlichte 3,4 Milliarden Euro umfassende Förderaufruf für Projekte in den vom Net Zero Industry Act adressierten Themenschwerpunkten unmittelbar die Chance, mit dem Aufbau von Produktionskapazitäten für die Photovoltaik ebenso wie für Windenergie-Anlagenkomponenten höhere Wertschöpfungsanteile zu generieren und den Industriestandort Deutschland zu stärken. Diese Chance sollte nicht vertan werden“, fordert Frithjof Staiß. (su)