Eine Bevölkerungsmehrheit von 55 Prozent ist der Ansicht, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise beschleunigt werden sollte. Schließlich werde eine sichere und klimafreundliche Energieversorgung in Deutschland künftig noch wichtiger. Mit 31 Prozent sind weniger als ein Drittel der Bundesbürger der Ansicht, dass die Energiewende in Deutschland an Bedeutung verloren habe und das Land auch längerfristig wieder stärker auf Kohle und Atomkraft setzen solle. Dies ist das Ergebnis einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung, die das Meinungsforschungsinstitut Yougov im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar) Ende November 2022 durchgeführt hat.
Markteingriffe unverhältnismäßig
Einen Tag vor der finalen Behandlung der Strompreisbremse ist das ein deutliches Zeichen an den Bundestag, dass die Verhandlungsergebnisse der Ampelregierung zur Finanzierung der Schuldenbremse an den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung vorbeigehen. Denn damit drohen Markteingriffe ausgerechnet bei den Erneuerbaren, während Kohle- und Gasverstromung sowie Atomkraft verlängert werden. Vor allem die Markteingriffe in den Betrieb von Ökostromanlagen seien unverhältnismäßig, warnen die Branchenvertreter. Sie würden dem weiteren marktgetriebenen Ausbau erneuerbarer Energien zum Teil Investitionssicherheit und Liquidität entziehen.
PPA-Anlagen droht das Aus
Der BSW Solar befürchtet, dass sich die vom Deutschen Bundestag nunmehr auf den Weg gebrachte Erlösabschöpfung unter anderem bremsend auf die Investitionsbereitschaft von Solarparkprojektierern auswirken könnte. Diese müssten künftig mit noch spitzerem Bleistift kalkulieren, wenn sie ihren Solarstrom förderfrei etwa mittels Power-Purchase-Agreements (PPA) vermarkten wollen. Dies könnte den Ausbau von etwa zehn Gigawatt Solarleistung verhindern. Denn nach Angaben des BSW Solar befinden sich so viele PPA-Anlagen derzeit in Planung.
EU-Spielräume nicht genutzt
Dabei ginge es anders, wenn die Bundesregierung die bestehenden Spielräume, die die EU in ihrer Notfallverordnung einräumt, ausgeschöpft hätte. „Erhebliche Kostensteigerungen bei der Finanzierung und Errichtung neuer Solarkraftwerke haben in den Verhandlungen leider nur unzureichend Niederschlag gefunden“, kritisiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar. Nur ein Teil der Expertenempfehlungen seien im Verlauf der politischen Verhandlungen aufgegriffen worden. So will die Bundesregierung immerhin auf eine Rückwirkung der Erlösabschöpfung weitestgehend verzichten. Auch die Schonung von Solaranlagen unterhalb einer Leistung von einem Megawatt stößt auf die Zustimmung der Branche. Dennoch sind viele Solarkraftwerke in ihrer Wirtschaftlichkeit bedroht, wenn fiktive erlöse abgeschöpft werden sollen, statt dies auf die Basis tatsächlicher Erlöse zu stellen. Auch eine Möglichkeit der Reinvestition fehlt. Diese könnte die Energiewende sogar beschleunigen, statt sie mit einer strikten Abschöpfung der Erlöse auszubremsen.
Entscheidungsspielräume nutzen
Doch immerhin kann die Bundesnetzagentur die Höchstwerte bei den Auktionen dann selbständig anheben. Dies wurde von der Behörde angesichts der abermals unterzeichneten Solarausschreibung selbst als Idee vorgebracht. „Wir appellieren an die Bundesnetzagentur, diesen größeren Ermächtigungsspielraum vor der nächsten Solarparkausschreibung vollständig zu nutzen“, sagt Körnig. Schließlich sind für die in diesem Jahr insgesamt von der Bundesregierung vorgesehenen Ausschreibungsvolumen von 3,6 Gigawatt an neuer Solarparkleistung nur Gebote mit einem Gesamtumfang von 2,4 Gigawatt eingegangen. Ein Drittel des Auktionsvolumens bliebt liegen.
Höchstwerte anheben
Das war ein Scheitern mit Ansage. Denn der BSW Solar hatte schon vorher vor einer Unterzeichnung gewarnt. Vor dem Hintergrund von Kostensteigerungen und einer zu starken Deckelung der zulässigen Gebotshöchstwerte war das auch nicht anders zu erwarten. Um gegenzusteuern, schlägt der BSW Solar vor, den Höchstwert der Gebote von derzeit 5,9 Cent pro Kilowattstunde auf 7,375 Cent pro Kilowattstunde anzuheben. Nur so kann das Ausschreibungsvolumen von 5,85 Gigawatt, das im nächsten Jahr geplant ist, auch voll genutzt werden. (su)