Wenn es um ästhetische Integration der Photovoltaik in die Fassade geht, waren bisher vor allem zwei Anwendungen im Blick: die Solarmodule anstelle von herkömmlichen Elementen in vorgehängte, hinterlüftete Kaltfassaden zu integrieren oder sie – vor allem in der Pfosten-Riegel-Bauweise – als integralen Bestandteil der Warmfassade zu nutzen. Doch noch immer geht es in der Immobilien- und Bauwirtschaft in erster Linie um Kostenmodelle. Deshalb werden viele Gebäude vor allem mit billigen Putzfassaden gebaut.
Nahezu unmöglich schien bisher, dort Solarmodule in ästhetischer Art und Weise zu integrieren – selbst wenn das preislich eine Option gewesen wäre. Das verschloss der Photovoltaik auch den Weg in die Fassade bei der Sanierung vieler älterer Gebäude mit ihren Putzfassaden.
In der Putzebene verlegt
Diese Sanierung ist wiederum dringend notwendig, um den CO2-Fußabdruck des gesamten Gebäudebereichs zu minimieren. Schließlich muss der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes einbezogen werden – von der Herstellung der Baumaterialien bis hin zur Entsorgung.
Dass die Photovoltaik in der Putzfassade doch funktioniert und sogar einen ästhetischen Mehrwert bietet, zeigt eine Installation in Frankfurt/Main. Denn dort hat der Beschichtungsmittel- und Fassadenhersteller DAW zusammen mit Opvius Solarmodule direkt in die Putzfassade eines Bestandsgebäudes integriert.
Die mit organischer Photovoltaik (OPV) energetisch aktivierten Putzfliesen, die Opvius im fränkischen Kitzingen produziert hat, schließen plan mit der Putzoberfläche ab. Sie werden so zu einer aktiven Komponente im sonst passiven Wärmeverbundsystem. Auf diese Art entsteht ein multifunktionales Fassadensystem, das neben der Dämmung und dem Wetterschutz auch gleich die Stromproduktion mit übernimmt.
Eine solche Installation erfordert natürlich ein sehr dünnes Solarmodul, das zudem lange Strom produziert. Dafür eignen sich die gedruckten organischen Solarelemente perfekt, wie sie Opvius herstellt. Die Installation ist eines der Ergebnisse einer Zusammenarbeit der beiden Unternehmen, die inzwischen schon seit 2015 andauert.
Alles selbst entwickelt
An dem aktiven Wärmedämmverbundsystem entwickeln die beiden Unternehmen schon seit zwei Jahren, wie Hermann Issa berichtet. Er ist bei Opvius für den Vertrieb und die Entwicklung von Geschäftsmodellen verantwortlich. „Wir haben daran länger gearbeitet als ursprünglich eingeplant war“, sagt er. „Die Herausforderung war, die Frage zu beantworten, wie wir die OPV-Fliese in die Putzebene bringen. Wir haben auf dem Weg dahin sehr viel gelernt. Wir haben gelernt, wie die Arbeitsabläufe aussehen, wie wir das System an die Fassade bringen und wie man die Systemtechnik dahinter aufbauen muss.“
Denn so einfach, wie es aussieht, ist es dann doch nicht. Opvius musste zusammen mit DAW alles selbst entwickeln, weil Komponenten für solche Anwendungen bisher nicht existierten.
Solarfliesen sind elastisch
Das Einzige von der Stange ist der Wechselrichter. Der ist über ein Kabel mit der Solaranlage an der Fassade verbunden. Diese Kabel laufen unter Putz und werden in Höhe des Daches ins Gebäude und dort auf den Wechselrichter geführt.
Aber auch die Installation der halb flexiblen Solarfliesen war nicht ganz einfach. Zunächst haben die Handwerker wie bei einem normalen Wärmedämmverbundsystem eine Dämmschicht auf der Kaltfassade aufgebracht. Dann haben sie ein Armierungsgewebe aufgespachtelt, damit die starre Putzschicht auf der darunterliegenden elastischen Dämmung keine Risse bekommt. „Danach haben wir in das Putzbett in einem Nasssystem die Module eingeklebt und dann die Wand verputzt“, sagt Hermann Issa. „Dafür haben wir einen mineralischen Kleber genutzt, mit dem man normalerweise auch das Armierungsgewebe anbringt. Da die Solarfliesen halb flexibel sind, konnten wir sie einfach in das weiche Bett des Klebers legen.“
In dieser Klebebene mit einer Dicke von etwa fünf Millimetern liegen auch die Kabel, die die Solarfliesen untereinander und danach gemeinsam mit dem Wechselrichter verbinden. „Das System ist so aufgebaut, dass man eine Fliese nach der anderen einklebt und sie zwischendurch miteinander verkabelt“, erklärt Hermann Issa. „Das kann ein qualifizierter Handwerker problemlos machen.“
Lösung für den Bestand
Auf diese Weise halten die Module problemlos in der Fassade. Damit sie beim Verputzen der Wand keinen Schaden nehmen und nicht verschmutzen, waren sie vorher mit einer Schutzfolie beklebt. Diese wurde einfach abgezogen, nachdem die Arbeiten beendet waren.
Das Konzept dahinter ist, dass es in Zukunft auch bei der Sanierung von allgemein üblichen Putzfassaden möglich sein wird, eine Kombination aus Wärmedämmung und Photovoltaik beim Energiestandard eines Gebäudes zu berücksichtigen. Die Fassade bekommt mit den Solarfliesen aber nicht nur eine energetisch wertvolle Komponente, sondern wird auch ästhetisch aufgewertet.
Denn immer wieder wird vor allem in Wohnvierteln mit einer ziemlich einheitlichen Gebäudestruktur versucht, mit unterschiedlichen Farbrastern an den Fassaden nach der Sanierung etwas Leben in die sonstige Monotonie zu bringen. Das geht mit der Lösung, die DAW und Opvius gemeinsam entwickelt haben, auch aktiv.
Mit ihr geht Opvius einen Weg, der bisher noch nicht so ins Blickfeld der Öffentlichkeit gelangt ist. „Die Gestaltungsfreiheit von OPV in Kombination mit einem günstigen, konventionellen Bauprodukt eröffnet völlig neue Märkte“, erklärt Hermann Issa. „Im Hinblick auf die Energiewende und die anstehende energetische Sanierung einer Vielzahl von Bestandsgebäuden ist dies eine neue und einfache Lösung für die Zukunft.“
Serienfertigung startet
Den Markt der Gebäudesanierung hat Heliatek im Blick. „Das ist ein schnellerer Weg, mit unseren Folien in die Gebäudehülle zu kommen und diese dann in Strom produzierende Häuser zu verwandeln, als im Neubau“, sagt Guido van Tartwijk, Geschäftsführer von Heliatek. „Denn in diesem Markt haben wir nicht nur Bauherren und Architekten als Kunden, sondern auch Energiedienstleister, die ihren Kunden helfen wollen, schneller auf grüne Energie umzusteigen.“
Heliatek entwickelt die organischen Solarelemente schon seit mehreren Jahren. Seit 2011 läuft eine Pilotlinie, von der die Solarfolien kommen, die das Unternehmen in seinen bisherigen Pilotprojekten verbaut hat.
Die Auftragsbücher füllen sich
Inzwischen sind die organischen Solarfolien bereit für den Markteintritt. Heliatek hat Ende August die Produktionsanlagen für die Serienfertigung eingeweiht und befindet sich in der Anlaufphase der Serienfertigung.
Diese sind in der Lage, über eine Million Quadratmeter Solarfolie pro Jahr zu produzieren. Ab Mitte 2020 werden die ersten Folien verfügbar sein. „Viele unserer bisherigen Kunden zeigen ein großes Interesse und haben schon Bestellungen für 2020, 2021 und 2022 angekündigt“, erklärt der Heliatek-Chef. „Das Interesse an unseren Produkten ist groß und viele Kunden warten schon lange darauf, endlich unsere Solarfolien einsetzen zu können. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Nachfrage sogar größer sein wird als das, was wir produzieren können.“
Diese Nachfrage hängt natürlich davon ab, wie viele Projekte die bisherigen Kunden auch realisieren. Pilotprojekte wurden bis jetzt mit verschiedenen Partnern auf der ganzen Welt durchgeführt. Unter anderem mit Unternehmen aus der Baustoffindustrie, die großes Interesse haben, ihre Produkte mit einer zusätzlichen Solarfunktion zu versehen, um sich so im Markt vom Wettbewerber zu differenzieren.
Dieser Markt der Integration in andere Produkte der Baustoffindustrie ist riesig und übersteigt deutlich die Produktionskapazitäten von Heliatek. Allerdings ist die Entwicklung solch integrierter Produkte mit Partnern aufwendig und kann lange dauern.
Installateure schulen
Deshalb wird Heliatek ab Mitte 2020 zuerst Heliasol auf den Markt bringen. Das sind einsatzbereite Solarfolien in unterschiedlichen Abmaßen mit Rückseitenkleber, Anschlussdose und Kabeln. Der Standard liegt hier bei 43,6 Zentimetern Breite und zwei Metern Länge. Diese Folien können direkt auf eine Vielzahl von Untergründen und Flächen installiert werden, ohne Bohren, ohne Unterkonstruktion – einfach durch Aufkleben.
Für diese neue Art der Solarinstallation müssten allerdings noch die Handwerker geschult werden, was Heliatek übernimmt. „Wir hatten im April eine Installation in Südkorea. Dort haben wir die lokalen Installateure in weniger als einem halben Tag geschult, so einfach anzuwenden ist unsere Technologie“, beschreibt van Tartwijk den Schulungsaufwand.
Wie dann so etwas aussehen kann, hat Heliatek vor wenigen Monaten mit einer Anlage an der Fassade eines Getreidesilos in Donauwörth gezeigt. Insgesamt 120 Solarfolien der Dresdner produzieren jetzt in 20 Metern Höhe Strom an einer rauen Putzfassade. Da die Solarfolien erstmals auf rauem Beton aufgebracht werden sollten, musste zuerst die Gebäudehülle mit einer speziellen Grundierung versehen werden.
Danach konnten die Handwerker die Solarfolien installieren. Sie haben sechs Meter lange und 32 Zentimeter breite Heliasol-Filme wie beim Tapezieren von oben nach unten abgerollt und so auf die Fassade geklebt.
Stabile Leistung ohne Hinterlüftung
Zehn Kilowatt leistet die Anlage und produziert trotz des im Vergleich zu anderen Technologien geringen Wirkungsgrades der organischen Halbleiter jedes Jahr etwa 6.700 Kilowattstunden Strom. Denn die Solarfolien haben ein besseres Schwachlichtverhalten als die kristallinen Module. Außerdem sinkt die Leistung bei höher werdenden Temperaturen nicht, wie das in der anorganischen Photovoltaik üblich ist.
Dadurch erübrigt sichw die Hinterlüftung der Module, die so problemlos direkt auf die Außenhaut von Gebäuden aufgebracht oder in Bauteile integriert werden können. „Unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass Aufwand und Kosten für die energetische Aufwertung von Gebäuden geringer sind als bei herkömmlichen Photovoltaikmodulen“, erklärt Michael Meißner, Ingenieur Produktentwicklung bei Heliatek.
Effizienzsteigerung im Blick
Zudem arbeitet Heliatek daran, die Effizienz weiter zu erhöhen. „In der Massenfertigung, wie wir sie im nächsten Jahr beginnen, liegt die Effizienz bei 8,5 Prozent“, sagt van Tartwijk. „Wir haben eine klare Roadmap zur Effizienzsteigerung mit klaren Schritten, wie wir die Moduleffizienz erhöhen werden. Unsere Technologie hat noch viel Potenzial. Wie genau wir das erreichen, bleibt jedoch unser Geheimnis, weil wir viel Entwicklung und Sachkenntnis in unser Produkt stecken und noch viele Ideen haben, es besser zu machen“, erklärt van Tartwijk.