Knapp an der Pleite vorbeigeschrammt: Im vergangenen Sommer musste Calyxo in die Insolvenz. Das war bitter, denn das kleine Unternehmen aus Bitterfeld gehörte zu den Urgesteinen der Solarbranche. Schon 2005 ging Calyxo an den Start, damals als Tochtergesellschaft von Q-Cells. Calyxo baute Solarmodule mit dem Halbleiter Cadmiumtellurid.
Die Wolken sind verflogen
Ein Jahr später sind die Wolken verflogen. Calyxo TS Solar hat neue Investoren gefunden. Und kurz nach dem Neustart im Januar 2019 kam der technologische Durchbruch: Statt bisher 90 Watt leisten die Module nunmehr 110 Watt, stieg der Wirkungsgrad um rund 20 Prozent, von 13 auf 15,4 Prozent. „Noch in diesem Jahr wollen wir 18 Prozent schaffen“, stellte CTO Michael Bauer in Aussicht. „Derzeit produzieren wir noch für 50 Cent je Watt, wollen bis Jahresende aber 20 Cent Fertigungskosten erreichen.“
Damit schließt Calyxo die Lücke zu den Wirkungsgraden der kristallinen Solarmodule. Die Module gehen als Glas-Glas-Module von den Bändern. Die Fabrik im früheren Solar Valley liefert im Jahr 60 Megawatt, rund 70 Leute sind dort in Lohn und Brot. „Unsere Dünnschichtmodule werden faktisch in einem automatisierten Werk produziert“, erläutert Michael Bauer. „Die Personalkosten liegen nur bei zwei bis fünf Prozent.“
Nur halbe Personalkosten
Zum Vergleich: Die Personalkosten bei den Modulen aus kristallinen Siliziumwafern belaufen sich auf etwa ein Zehntel der gesamten Fertigungskosten. Dass Calyxo schon bis Jahresende für 20 Cent je Watt produzieren will, scheint vor diesem Hintergrund nicht überambitioniert.
Freilich: Bei Cadmiumtellurid winken viele alte Hasen der Solarbranche ab. First Solar, 2006 mit diesem Halbleiter gestartet, hat viel Lehrgeld zahlen müssen. Denn die Erträge der Module schwanden, weil sich die Halbleiterschicht nicht als stabil erwies. Calyxo zielt mit seinen Solarmodulen auf dachintegrierte und Fassadensysteme, wo die Dünnschicht den Architekten größere Freiheit bei der Gestaltung und dem Gebäudeentwurf verspricht. First Solar hingegen beschränkt sich ausschließlich auf große Solarparks. Das Werk in Frankfurt (Oder) wurde im Zuge der Solarkrise 2014 geschlossen. „Die Hammermühle für das Recycling läuft aber noch immer“, erläutert Andreas Wade von First Solar. „Derzeit bauen wir dort ein Logistikzentrum für Solarmodule auf. Auch erledigen wir Reklamationen von Frankfurt aus.“
First Solar bleibt an der Spitze
Ungeachtet der technischen Probleme und der Rückrufaktionen früherer Modulgenerationen gehört First Solar im weltweiten Vergleich noch immer zu den größten Modulherstellern. In den USA ist der Hersteller nach wie vorn ganz vorn im Wettbewerb um die kostengünstigsten Solarkraftwerke.
Im vergangenen Jahr hatten die Amerikaner ihr neues Solarmodul FS-6 auf der Intersolar vorgestellt. Im Herbst wurde eine Testinstallation in der Nähe von Rüsselsheim aufgebaut, um die neuen Module im Dauerlauf zu prüfen.
Dort sind drei Standardpaneele auf einem Montagerack kombiniert, dadurch sinken die Arbeitskosten bei der Installation des Solarparks gewaltig. Allen Unkenrufen aus der Siliziumecke zum Trotz bleibt First Solar unangefochten der Kostenführer in der Photovoltaik: Niemand baut große Solarkraftwerke günstiger als die Amerikaner.
Große Solarparks mit PPA
Wann First Solar nach Europa zurückkehrt, bleibt jedoch offen. Denn erst zaghaft findet das Geschäftsmodell der großen Solarparks nach Deutschland, nach Europa überhaupt zurück. Doch die Aussichten sind günstig, dass wirklich große Solarparks künftig nicht mehr über Ausschreibungen, sondern über Stromlieferverträge (PPA: Power Purchase Agreement) wie in den USA gebaut werden. Kommt dieses Geschäft in Gang – und es wird spätestens 2020 in Gang kommen, den entsprechenden Planungsvorlauf inbegriffen –, wird auch First Solar seine Präsenz im europäischen Markt ausbauen. Zudem waren die Amerikaner beim Wirkungsgrad nicht untätig, sodass die Module mit der kristallinen Konkurrenz gleichgezogen haben.
Robust gegen Verschattung und Hitze
Dünnschichtmodule brauchen nur sehr dünne, wenige Mikrometer dicke Halbleiterschichten. Die Beschichtung der Gläser kommt ohne hohe Temperaturen und Drücke aus, die Halbleiter werden aufs Glas gesputtert.
Bei den kristallinen Solarmodulen liegen rund 80 Prozent der Wertschöpfung in den Zellen. Sie werden bei mehr als 1.400 Grad Celsius aus einer Siliziumschmelze gewonnen, über Ingots, Sägen und einen aufwendigen nasschemischen Prozess.
Darüber hinaus sind die Dünnschichtmodule aufgrund der verwendeten Halbleiter und der geringen Schichtdicken sehr robust gegen diffuses Licht, Teilverschattung und hohe Temperaturen. Ihr Leistungsabfall je Kelvin Modultemperatur ist nur halb so hoch wie bei kristallinen Solarmodulen.
Soll heißen: Je wärmer die Dünnschichtmodule werden, desto deutlicher macht sich der geringere Leistungsabfall bei den Solarerträgen bemerkbar. „Das spielt auf Dächern eine große Rolle, die im Sommer sehr heiß werden können“, meint Michael Bauer von Calyxo. „Außerdem bieten unsere Module eine komplett schwarze Optik. Für Fassaden haben wir ein eigenes Montagesystem entwickelt, damit die Architekten diese Vorteile voll ausschöpfen können.“
Avancis hat Skala entwickelt
Bei den II-IV-Halbleitern aus Kupfer, Indium und Selen hat sich gleichfalls einiges getan. Avancis aus Torgau ist nach mehreren Umwegen nun beim chinesischen Konzern CNBM gelandet, dem größten Hersteller von Baustoffen in China. Die CIGS-Module von Avancis wurden speziell für Solarfassaden weiterentwickelt.
Unter dem Markennamen Skala sind sie mittlerweile als farbige Module auf dem Markt. Der Farbeffekt entsteht nicht durch einen farblichen Überzug, sondern durch zusätzliche Schichten, die den Farbeffekt aufgrund der Sonneneinstrahlung herbeizaubern.
Avancis zielt auf den Fassadenmarkt, der noch ganz am Anfang steht. Doch die Aussichten sind mindestens so verlockend wie bei den Solardächern. Vor allem bei Gewerbebauten bietet sich Solartechnik an, die in Design und Verarbeitung dem Verbundsicherheitsglas (VSG) entspricht. Hier geht es nicht vordergründig darum, mit den Stromkosten zu konkurrieren. Der Maßstab sind vielmehr die Quadratmeterpreise der Fassadenelemente aus VSG oder Metall. Schon heute liegen sie mitunter deutlich über Solarelementen für solche Fassaden.
Perowskite spielen mit
Relativ neu sind die sogenannten Perowskite. Diese Halbleiter, in denen auch organische Materialien eine Rolle spielen, haben gleichfalls bei den Wirkungsgraden und den Kosten aufgeholt. So hat die britische Firma Oxford PV das frühere Dünnschichtwerk von Bosch CIS Solar in Brandenburg an der Havel übernommen. Dort werden nun Solarmodule mit Perowskite-Zellen entwickelt und zur Marktreife gebracht. „Das sind leistungsstarke Tandemzellen aus einer klassischen kristallinen Zelle, die wir mit den Perowskiten beschichten“, erklärt Chris Case, CTO bei Oxford PV. „Diese Schicht ist nur ein Mikron stark, aber sie erhöht den Wirkungsgrad der Zelle auf 21 Prozent.“ Das Material für die Fabrik wird von Merck geliefert.
Schon in der obersten Liga
Das entspricht bereits der obersten Liga, in der die besten monokristallinen Solarmodule spielen, allen voran die HIT-Module von Panasonic oder die bifazialen Module von LG Electronics. Auch Panasonic nutzt Tandemzellen aus kristallinem Silizium, die mit einer dünnen Schicht aus amorphem Silizium verspiegelt werden.
Als reine Dünnschichttechnik ist amorphes oder mikrokristallines Silizium zwar aus dem Rennen, seine Wirkungsgrade erwiesen sich als zu niedrig. Doch gepaart mit der monokristallinen Basiszelle treibt es die Effizienz bei der Umwandlung des Sonnenlichts deutlich nach oben, wie die Hetero-Junction-Technik von Panasonic beweist – um etwa ein Viertel gegenüber Standardmodulen aus kristallinen Siliziumzellen.
Trotz des globalen Wachstums der Photovoltaik auf mehr als 100 Gigawatt im vergangenen Jahr ist der Marktanteil der Dünnschicht mit rund zehn Prozent nahezu gleich geblieben. Das mag aus deutscher Sicht anders sein, doch diese Technik steht noch am Anfang ihrer Lernkurve.
Es bleibt spannend, wie sich die Module in den kommenden Jahren entwickeln. Auf alle Fälle trägt die Dünnschichttechnik bereits heute dazu bei, die Anwendungen der Photovoltaik zu verbreitern und neue Segmente zu erobern.
Marktanteil von zehn Prozent
Und sie hat in Deutschland einen starken Stand. Eine aktuelle Studie der Analysten von DIW Econ in Berlin belegt, dass diese Branche bei uns sehr gut aufgestellt ist. Rund 85 Firmen und Institute wurden identifiziert, die sich teilweise oder gänzlich mit Dünnschichttechnik befassen.
Oxford PV
31 Millionen Pfund für Perowskite-Zellen gesammelt
Im März hat Oxford PV eine Finanzierungsrunde über 31 Millionen Pfund Sterling (36,3 Millionen Euro) gestemmt. Frisches Kapital kam von Goldwind aus China, zudem schossen bisherige Investoren mehr Geld zu.
Nun will Oxford PV die Technik der Perowskite-Solarzellen zur Massenfertigung bringen. Dazu wurde eine Kooperation mit dem Fabrikausstatter Meyer Burger in der Schweiz geschlossen. Ziel ist es, die Fabrik in Brandenburg an der Havel für die Massenfertigung solcher Zellen und Module vorzubereiten. Oxford PV übernahm dort das frühere CIS-Tech-Werk von Bosch.
2018 erreichte das britische Unternehmen einen Wirkungsgrad von knapp 28 Prozent aus speziellen Tandemzellen. Möglich seien mehr als 30 Prozent.