Aus technischer Sicht sind Brennstoffzellensysteme ideal, um solar versorgte Gebäude in den sonnenschwachen Monaten mit Strom und Wärme zu beliefern. Bisher gibt es am Markt eigentlich nur drei Systeme, die ausgereift und erhältlich sind: die Bluegen-Systeme von Solydera (Erdgas), das kompakte Wasserstoffsystem Picea von HPS aus Berlin (solarer Wasserstoff) und PT-2 von Viessmann (Erdgas).
Stromhunger im Winter steigt
Warum tut sich diese Technologie so schwer, die immer breiter klaffende Lücke in der Gebäudeversorgung mit massentauglichen Produkten zu schließen? Denn Wärmepumpen, elektrische Infrarotheizflächen und die E-Mobilität erhöhen den Stromhunger im Winter. Durch die Sektorenkopplung steigt der Druck – und die Chancen –, die Brennstoffzelle zum Massenprodukt zu machen.
Die Branche hat einen interessanten Report vorgelegt, der die Wertschöpfungskette der Brennstoffzellen analysiert und die Hemmnisse auf dem Weg zum massenhaften Einsatz benennt. Die Lektüre erinnert an ähnliche Studien zum Aufbruch der Solarindustrie in Deutschland vor 20 Jahren.
82.000 Systeme im Jahr 2020 verkauft
Fakt ist: Stationäre Brennstoffzellen werden in überschaubarer Zeit eine wesentliche Rolle bei der dezentralen Versorgung von Gebäuden spielen, vom privaten bis zum industriellen Anwender. Der Startschuss ist erfolgt: 2020 wurden weltweit 82.000 Brennstoffzellensysteme gefertigt. Davon entfielen rund 70 Prozent auf stationäre Anwendungen.
Im mobilen Sektor stehen zurzeit umweltfreundliche Antriebe für Lastkraftwagen und Schiffe im Mittelpunkt. Insgesamt leisten die verkauften Brennstoffzellen rund 1,3 Gigawatt, wobei der mobile Einsatz deutlich höhere Systemleistungen abfordert als stationäre Systeme. Rund drei Viertel aller Systeme wurden in Asien verkauft.
PEM-Brennstoffzellen wird bis 2030 ein Markt von rund 1,6 Millionen Fahrzeugen prophezeit. Im Segment der Brummis sind höhere Kosten akzeptiert, weil die Refinanzierung andere Wege geht als bei den Pkw.
Um für Pkw interessant zu sein, müssten die Brennstoffzellen bei Kosten zwischen neun und 15 Euro pro Kilowatt Bruttoantriebsleistung liegen. Dann sind Produktionen mit mehr als einer halben Million Stück im Jahr denkbar. Solche Kosten geraten zunehmend in Reichweite, wenn auch nicht gleich morgen.
Stacks sind der Knackpunkt
Denn es erscheint möglich, den Ausbau der Fertigung durch neue Verfahren zu beschleunigen. Ließe sich die Produktion der Stacks (Herzstück der Brennstoffzelle) auf 100.000 Stück pro Jahr hochbringen, sinken die Kosten um den Faktor 20. Hemmend wirken die hohen Materialkosten, die bei bestimmten Komponenten nicht ohne weiteres reduzierbar sind.
Der Report gibt einen profunden Überblick, welche Komponenten besonders kostenintensiv sind und welche Innovationen kurzfristige oder mittelfristige Einsparungen erlauben. Nach wie vor ist es vor allem das Platin als Katalysator, das die Kosten in die Höhe treibt. Bisher ist die Zahl der Zulieferer von Komponenten relativ überschaubar. Das bedeutet, das technologische Rennen hat noch nicht richtig Fahrt aufgenommen, die Innovationsschraube dreht sich zu langsam. Das ist für eine junge Industrie nicht ungewöhnlich, auch das kennen wir aus den frühen Jahren der Solarwirtschaft. Nun kommt es darauf an, den Hochlauf der Brennstoffzellen mit massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung zu unterstützen. Und durch gezielte Aufträge spezielle Segmente des Marktes zu beleben.
Der weitere Ausbau der Photovoltaik wird den Druck erhöhen, auch die stationären Brennstoffzellensysteme zum Massenmarkt auszubauen. Das klappt nur mit Wasserstoff, auch hier scheidet Erdgas als Speichermedium perspektivisch aus.
Vorausschauende Installateure sind gut beraten, die Entwicklung bei den Brennstoffzellen im Blick zu behalten. Wenn möglich, sollten sie erste Erfahrungen mit der Planung, Installation, Wartung und Einbindung der Brennstoffzellengeräte sammeln. Denn eins ist klar: Nach der Solarzelle und der Lithiumzelle ist die Brennstoffzelle die nächste Massentechnik, die an die Türe klopft – um die Energiewende im Gebäude zu beflügeln.
Kostenfreier Download der aktuellen Studie zur Wertschöpfungskette der Brennstoffzellen:
https://www.now-gmbh.de/wp-content/uploads/2022/08/NOW_Wertschoepfungsk…
Solidpower
Umbenennung zu Solydera
Die italienische Firma Solidpower heißt nunmehr Solydera. „Unser neuer Firmenname spiegelt wider, dass wir in eine neue Ära der Wasserstoffproduktion, insbesondere für die Energiespeicherung, eingetreten sind“, erklärt Martin Füllenbach, Vorstandsvorsitzender von Solydera.
Die Firma ist im deutschen und europäischen Markt mit dem Brennstoffzellengerät Bluegen bekannt und erfolgreich. Basis sind Brennstoffzellen auf der Basis von SOFC-Stacks (Solid Oxide Fuel Cell).
Bisher wurden rund 3.000 Bluegen-Generatoren (jeweils bis 1,5 Kilowatt Nennleistung) gefertigt und in insgesamt 17 Ländern zum Einsatz gebracht. Die Zahl ihrer Betriebsstunden summiert sich auf mehr als 60 Millionen.
Nun will Solydera zudem größere Systeme entwickeln, für kommerzielle und industrielle Anwender. Sie werden in Rechenzentren, großen Lagerhäusern oder Supermärkten nachgefragt. Dabei geht es um kundenspezifische, kaskadierte Lösungen bis 40 Kilowatt und Anlagen in vorkonfektionierten Containern mit mehr als 100 Kilowatt Nennleistung.
Für 2030 erwartet das Management von Solydera, dass die Nachfrage nach Wasserstoff mehr als doppelt so hoch sein wird wie die verfügbare Produktionskapazität. „Dieses Geschäft hat eine jährliche Wachstumsperspektive von 50 Prozent“, schätzt Martin Füllenbach ein.
Unlängst wurde im nordschwedischen Lulea ein Rechenzentrum mit modernen Brennstoffzellen der Baureihe Bluegen ausgestattet. Das Zentrum gehört zum Forschungsinstitut Rise. Der hohe Strmbedarf wird nicht durch das Stromnetz gedeckt, sondern durch die SOFC-Systeme, die im Container anschlussfertig angeliefert wurden. In Lulea wird ein Jahr lang getestet, ob sich die dezentrale Versorgung mit den Geräten bewährt.
Bei der deutschen Tochter Solydera GmbH in Heinsberg wurden in den vergangenen fünf Jahren rund 300 Millionen Euro in die Forschung und Entwicklung, die Markteinführung sowie in große Fertigungslinien für die Brennstoffzellenstacks investiert. Das Unternehmen beschäftigt 250 Mitarbeiter.
Neben der deutschen Gesellschaft verfügt es über Standorte in Italien, der Schweiz und Australien. Der Hauptsitz befindet sich in Pergine im italienischen Trentino. Ursprünglich entstand die Firma im Jahr 2006 als Ausgründung einer Schweizer Universität.
Bosch/Ceres Power
Zusammenarbeit bei SOFC-Brennstoffzellen vertieft
Die Firmen Bosch und Ceres Power vertiefen ihre Partnerschaft und bereiten derzeit die Serienfertigung vor. Bosch strebt mit SOFC-Systemen eine jährliche Fertigungskapazität von rund 200 Megawatt Leistung an. Bis 2024 will Bosch einen dreistelligen Millionenbetrag in die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) investieren. Mit einem Gesamtwirkungsgrad von mehr als 85 Prozent ist das System sehr effizient.
Die Produktion soll in Bamberg, Wernau und Homburg angesiedelt werden, die Entwicklung in Stuttgart-Feuerbach und Renningen. Bosch positioniert sich damit als Systemanbieter für stationäre Brennstoffzellen mit eigener Wertschöpfung im Bereich Zelle und Stack. Die SOFC-Technologie soll unter anderem in Form kleiner, dezentraler, vernetzbarer Kraftwerke in Städten, Fabriken, Gewerbe und Handel, Rechenzentren und im Bereich Elektroladeinfrastruktur zum Einsatz kommen.
Seit August 2018 kooperiert Bosch erfolgreich mit Ceres Power bei der Entwicklung von Brennstoffzellen und Stacks. Bereits im Herbst 2019 startete Bosch eine Musterbaufertigung in Deutschland und beteiligte sich im Januar 2020 mit rund 18 Prozent an dem britischen Unternehmen.
Nun wurde die Zusammenarbeit auf die Phasen bis zur Serienfertigung 2024 ausgebaut. Die Verträge legen die weitere Technologienutzung durch Bosch vom Kooperationspartner Ceres Power fest.
Home Power Solutions
Erstmals Multi-Picea in Mehrfamilienhaus installiert
Die HPS Home Power Solutions AG (HPS) hat im Herbst 2022 in Bad Kissingen das erste Multi-Picea-System für ein Mehrfamilienhaus geliefert. Neun kaskadierte Picea-Systeme versorgen ein insgesamt 2.800 Quadratmeter großes Gebäude mit sechs Wohneinheiten ganzjährig mit Solarstrom vom eigenen Dach. Eine Photovoltaikanlage mit 180 Kilowatt liefert den Solarstrom.
Überschüssiger Sonnenstrom wird in Wasserstoff umgesetzt, der im Winter als Speichergas dient und die integrierte Brennstoffzelle antreibt. Mithilfe des Steuertools Förster lassen sich mehrere Picea-Systeme verknüpfen, um höhere Leistung und höheren Bedarf abzudecken.
So kann das System in Bad Kissingen insgesamt 13.500 Kilowattstunden elektrische Energie in 45 Wasserstoffbündeln speichern und das Gebäude ganzjährig mit selbst produziertem Solarstrom versorgen. Angeschlossen sind fünf Wärmepumpen zur Bereitstellung der Wärme.