Neues Energierecht in der Schweiz: Ab sofort können sich Gewerbe und Wohngebäude gegenseitig versorgen. Wichtige Fragen sind aber noch offen, mahnt David Stickelberger, Chef von Swissolar.
Wie bewerten Sie die neue gesetzliche Definition der Eigenverbrauchsgemeinschaften?
Eigenverbrauchsgemeinschaften können sich nun über Parzellengrenzen hinweg und ohne Messeinrichtungen des Verteilnetzbetreibers zusammenschließen. Das sorgt für hohe Eigenverbrauchsquoten und macht diese Anlagen wirtschaftlich interessanter. Insgesamt ist das ein Fortschritt.
Warum?
Beispielsweise können Gewerbe- und Wohngebäude nun zusammen eine Gemeinschaft bilden, um den Verbrauch auszugleichten. Werktags braucht das Gewerbe Strom, und abends und am Wochenende sind die privaten Bewohner zu Hause. Angrenzend müssen die Grundstücke aber schon sein. Es darf keine öffentliche Straße dazwischenliegen und es müssen eigene Leitungen genutzt werden. Zudem darf nur in einen gemeinsamen Netzanschlusspunkt eingespeist werden.
Das klingt erst mal gut. Was sagen die Verteilnetzbetreiber dazu?
Für bereits gebaute Leitungen, die dann nicht mehr genutzt werden, weil sich ein Gewerbegebiet mit einer Privatleitung versorgt, können Netzbetreiber eine Entschädigung fordern. So steht es in der Verordnung. Das gehört zu den Unsicherheiten. Noch nicht restlos geklärt ist zudem, wie private Stromleitungen von einer Parzelle zur anderen bewilligt werden.
Ins Netz zurück eingespeister Solarstrom aus Eigenverbrauchsanlagen soll laut der neuen Verordnung höher vergütet werden. Wie verbessert das die Rendite der Solarstromanlage?
Auch bei hoher Eigenverbrauchsquote fließen 20 bis 40 Prozent des Stroms ins Netz. Mit vier Rappen pro Kilowattstunde, wie das im Versorgungsgebiet der Berner Kraftwerke, einem der größten Verteilnetzbetreiber, der Fall ist, ist ein wirtschaftlicher Betrieb nur schwer zu erreichen. Vor allem bei denen, die auf die KEV gehofft haben und nun nur noch die Einmalvergütung erhalten, wie zum Beispiel Landwirte mit wenig Eigenverbrauch. Laut der neuen Verordnung müssen sich die Elektrizitätswerke bei der Vergütung des rückgespeisten Solarstroms an den Kosten für ihren eigenen Strommix orientieren – und nicht am Börsenwert. Die Berner Kraftwerke müssten demnach acht bis neun Rappen bezahlen. Dieser Energieversorger hat jedoch bereits angekündigt, seine Rückspeisetarife trotz des neuen Gesetzes nicht erhöhen zu wollen.
Was würde dann passieren, wenn sich der Netzbetreiber einfach verweigert?
Das werden wir sehen. Wir sind bereit, in einen Dialog zu treten, um eine gütliche Lösung zu finden. Ein juristischer Streit liegt in niemandes Interesse.
In Deutschland treiben gerade Heimspeicher den Solarausbau voran. Wie ist das in der Schweiz?
Heimspeicher sind in der Schweiz noch ein relativ kleiner Markt, der aber stetig wächst. Unsere Verbandsschätzung geht davon aus, dass dieses Jahr rund 800 neue Speicher installiert wurden. Wirtschaftlich ist das noch nicht, auch weil Haushalte im Schnitt nur 20 Rappen pro Kilowattstunde zahlen müssen, einige sogar nur zwölf Rappen. Bei zu geringen Rückspeisetarifen werden sich einige Anlagenbesitzer einen Speicher kaufen. Aber eher aus emotionalen als aus wirtschaftlichen Gründen.
Es fehlt weiter ein konkretes Datum für den Atomausstieg. Was beutet das für die Energiewende?
Es nimmt den unmittelbaren Handlungsdruck von der Regierung, und zugleich steigt die Gefahr eines Unfalls, da die Atomreaktoren immer älter werden. Das Nuklearsicherheitsinspektorat hat nur begrenzt Möglichkeiten zum raschen Eingreifen. Das 1969 ins Netz gegangene Kernkraftwerk Beznau 1 ist weltweit das älteste, auch wenn es faktisch derzeit nicht mehr in Betrieb ist. Wahrscheinlich führt eher die fehlende Wirtschaftlichkeit zu einer raschen Stilllegung. Denn die Nachrüstung jedes in die Jahre gekommenen Atomkraftwerks kostet viele Millionen Franken.
Das Gespräch führte Niels Hendrik Petersen.
Zur Person: David Stickelberger ist seit 1998 Geschäftsleiter von Swissolar. Der schweizerische Dachverband der Solarbranche hat fast 700 Mitglieder. Stickelberger hat Geografie an der Universität in Zürich studiert, bevor er in der kommunalen Umweltberatung tätig wurde. Danach leitete er die Klima- und Energiekampagne von Greenpeace Schweiz.