Mit 21 Gigawatt installierter Leistung sind Photovoltaikanlagen inzwischen eine Herausforderung für die Netze. Daher ist die Netzintegration der Anlagen ein Schwerpunkt der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Flankierend hat sich die bereits am 5.
Juli 2011 in Kraft getretene Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) der erneuerbaren Energien, speziell der Solarenergie, angenommen. Während sich das EEG mit den technischen Voraussetzungen des Einspeisemanagements befasst, widmet sich das EnWG den technischen Anforderungen, die an Anlagen zur Erzeugung von Strom auserneuerbaren Energien für die Frequenzhaltung im Netz gestellt werden.
Hintergrund für die Aufnahme dieser nah beieinanderliegenden Regelungsgegenstände in zwei verschiedene Gesetze dürfte das Bestreben sein, die technischen Anforderungen für Energieerzeugungsanlagen künftig wieder ausschließlich im EnWG zu bündeln.
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Hinzu kommt die neue Niederspannungsrichtlinie, nach der Wechselrichter mit zur Netzregelung beitragen müssen. Anders als Gesetze, die vom Parlament beschlossen sind, dürfen technische Richtlinien nur Anordnungen für dieZukunft treffen, nicht aber Regelungen für die Vergangenheit, wie insbesondere Nachrüstungspflichten für Bestandsanlagen. Herumgesprochen hat sich inzwischen, dass nach dem ab dem 1. Januar 2012 geltenden EEG zunächst alle Neuanlagen technische Voraussetzungen für die Teilnahme am Einspeisemanagement vorhalten müssen. Anlagen mit einer installierten Leistung von über 100 Kilowatt müssen mit einer technischen Einrichtung zur Reduzierung der Einspeiseleistung ausgestattet sein, in der Regel einem Funkrundsteuerempfänger sowie einer technischen Einrichtung zur Abrufung der Ist-Einspeisung. Anlagen zwischen 30 und 100 Kilowatt unterliegen demsogenannten „vereinfachten Einspeisemanagement“: Die Bereitstellung einer Einrichtung zur Reduzierung der Einspeiseleistung reicht aus. Betreiber von Kleinanlagen bis 30 Kilowatt haben die Wahl, am vereinfachten Einspeisemanagement teilzunehmen oder die Einspeisung am Netzanschlusspunkt auf 70 Prozent der maximalen Modulleistung zu begrenzen. Leistungsspitzen werden damit pauschal gekappt. Nach der Gesetzesbegründung soll dies jährlich mit einem Verlust von rund zwei Prozent des erzeugten Stroms verbunden sein. Einer Studie des auf erneuerbare Energien spezialisierten Beratungsunternehmens Ecofys zufolge ist aber auch ein Verlust von acht Prozent des erzeugten Stroms realistisch. In jedem Fall werden die wirtschaftlichen Folgen dieser technischen Anforderungen vom Gesetzgeber als „zumutbar“ angesehen.
Bestandsanlagen auch betroffen
Zur Pflicht, Neuanlagen auszurüsten, gesellt sich nach dem neuen EEG die Pflicht, Bestandsanlagen den Neuanlagen entsprechend nachzurüsten. Auch dies ist inzwischen branchenbekannt. Für Anlagen mit einer installierten Leistung ab 100 Kilowatt gilt dies ab dem 1. Juli 2012. Für Anlagen mit einer installierten Leistung zwischen 30 und 100 Kilowatt gilt das ab dem 1. Januar 2014, sofern sie nach dem 31. Dezember 2008 in Betrieb genommen worden sind. Nur die Kleinanlagen bleiben von der Nachrüstungspflicht verschont. Die Kosten der Nachrüstung trägt nach der Gesetzeskonzeption der Anlagenbetreiber. Die rückwirkende Anordnung dieser Investition hält der Gesetzgeber wiederum fürrechtlich und wirtschaftlich zulässig. Um die Pflicht, Solarstromanlagen mit technischen Einrichtungen auszustatten, wasserdicht zu gestalten, musste der Gesetzgeber einen speziellen Anlagenbegriff für Solarstromanlagen kreieren. In ihrem Hinweis 2009/14 hatte die Clearingstelle EEG die Rechtsauffassung vertreten, die bereits nach dem alten EEG bestehende Pflicht, Anlagen mit einer installierten Leistung ab 100 Kilowatt mit technischen Einrichtungen zur Reduzierung der Einspeiseleistung auszustatten, gelte nicht für Photovoltaikanlagen: Hier sei das Modul die Anlage; Anlagen mit einer Leistung von 100 Kilowatt gebe es daher nicht. Als Reaktion auf diesen Hinweis ist nun die aus dem Vergütungsrecht bekannte „Anlagenzusammenfassung“ (Paragraf 19 EEG) für den Aspekt der technischen Anforderungen importiert und angepasst worden. Für die Ermittlung der installierten Leistung von Solarstromanlagen gilt (Paragraf 6 Absatz 3 EEG): „Mehrere Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie gelten unabhängig von den Eigentumsverhältnissen und ausschließlich zum Zweck der Ermittlung der installierten Leistung als eine Anlage, wenn sie sich auf demselben Grundstück oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden und innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in Betrieb genommen worden sind.“ Wer sich schon einmal mit der Frage der Anlagenzusammenfassung beschäftigen musste, weiß, dass mit dieser „Klarstellung“ noch lange nicht alle Probleme gelöst sind. Die Formulierung „in unmittelbarer räumlicher Nähe“ lässt Raum für Interpretation, der auch bei detaillierterBefassung mit den Umständen des Einzelfalles nicht immer befriedigend gefüllt werden kann. Eine gewisse Interpretationshilfe gibt die Empfehlung der Clearingstelle EEG zur Anlagenzusammenfassung nach Paragraf 19 Absatz 1 Nr. 1 EEG 2009 (Empfehlung 2008/49). Allerdings kann auch sie nicht verhindern, dass Anlagenbetreiber und Netzbetreiber je nach Interessenlage für ein und denselben Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.
Zu den wichtigen Aussagen dieser Empfehlung gehört zum Beispiel, dass bei Anbringung von Photovoltaikanlagen auf Einzelhäusern auf aneinander angrenzenden, aber getrennt gebuchten Grundstücken der Eindruck des ersten Anscheins für das Vorliegen separater Anlagen spricht (Seite 66 der Empfehlung). Viele Netzbetreiber finden aber Argumente, warum es auf diesen Eindruck des ersten Anscheins gerade nicht ankommt. Mit dem Begriff der Anlagenzusammenfassung hängt auch die Frage zusammen, wie zu verfahren ist, wenn sich wegen eines Zubaus von Modulen die technischen Anforderungen an die Anlage ändern, zum Beispiel beieinem Zubau von 50 auf 150 Kilowatt. Hier gewährt das Gesetz dem bisherigen Anlagenbetreiber einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den zubauenden, neuen Anlagenbetreiber.
Sanktionen drohen
Kommen Anlagenbetreiber den technischen Anforderungen für das Einspeisemanagement nicht nach, wird dies – wie schon bisher – vergütungsrechtlich sanktioniert (Paragraf 17 EEG): Für die Dauer des Verstoßes gegen die technischen Anforderungen hat der Anlagenbetreiber keinen Vergütungsanspruch. Besonders kritisch ist deswegen die Frage, was geschieht, wenn der Anlagenbetreiber die technischen Einrichtungen mangels Verfügbarkeit der Komponenten am Markt nicht installieren kann. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Anspruch auf Vergütung dann ausgeschlossen, der Anlagenbetreiber hat sozusagen Pech gehabt. Das Gesetz interessiert auch nicht, ob die in Betracht kommenden technischen Einrichtungen veraltet sind oder die Investition sonst sinnvoll ist.
Das Bundesumweltministerium ringt derzeit in Abstimmung mit der Branchenach Lösungen für das Einspeisemanagement. Eine rechtlich saubere Lösung wird allerdings schwer zu finden sein. Zahlt ein Netzbetreiber dem Anlagenbetreiber, der mehr oder weniger willentlich gegen die technischen Anforderungen verstößt, die Vergütung „kulanzweise“, etwa aufgrund einer vorgelegten Bestellung des Anlagenbetreibers, tut er dies auf eigenes Risiko. Dieses Risiko besteht nämlich darin, dass der Netzbetreiber nicht sicher sein kann, die gezahlte Einspeisevergütung vom Übertragungsnetzbetreiber zurückzuerhalten. Denn der Übertragungsnetzbetreiber darf dem Netzbetreiber seinerseits nur diejenigen Vergütungszahlungen ersetzen, die in Übereinstimmung mit dem EEG geleistet worden sind. Denn nur rechtskonform gezahlte Vergütungszahlungen sollen in die EEG-Umlage einfließen.
Wie sieht es nun neuerdings mit der Kehrseite der technischen Anforderungen, dem Einspeisemanagement, aus? Hier hat sich einiges geklärt. Dies betrifft zunächst die Rangfolge der Regelung: Solarstromanlagen bis 100 Kilowatt sind gegenüber anderen Anlagen nachrangig zu regeln (Paragraf 11 Absatz 1 EEG). Außerdem sind die Informationspflichten des Netzbetreibers verschärft worden: Betreiber von Anlagen über 100 Kilowatt müssen vorab – unverzüglich und spätestens am Vortag – informiert werden. Außerdem treffen den Netzbetreiber detaillierte nachträgliche Informationspflichten: Die Qualität der Information muss so gut sein, dass Dritte die Erforderlichkeit der Regelung nachvollziehen können. Bisher ist all dies für Photovoltaikanlagen weitgehend graue Theorie. Aktuell sind die meisten Netzbetreiber weder technisch noch organisatorisch zur Integration aller Solaranlagen in das Einspeisemanagement in der Lage.
Zusätzlich erwarten Anlagenbetreiber weitere Nachrüstungspflichten aufgrund des EnWG. Die EnWG-Novelle enthält eine Ermächtigungsgrundlage zugunsten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, durch Rechtsverordnung unter anderem technische Anforderungen an EEG-Anlagen vorzugeben. Die Rechtsverordnung soll Netz- und Anlagenbetreiber auch verpflichten dürfen, Anlagen, die vor dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen worden sind, entsprechend nachzurüsten und Regelungen zur Kostenübernahme zu treffen. Hinter dieser etwas schwammigen Verordnungsermächtigung stehen das 50,2-Hertz-Problem und die neue Niederspannungsrichtlinie. Zur Vorbereitung der erwarteten Norm hatte Ecofys im September 2011 eine Studie vorgestellt und vorgeschlagen, dass alle Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als zehn Kilowatt, die nach dem 1. September 2005 an das Netz gegangen sind, nachgerüstet werden sollen.
Kostenfrage umstritten
Substanziell weitergekommen sind die zuständigen Stellen seitdem nicht. Nach wie vor ist die Frage, wer in diesem Fall die Kosten der Nachrüstung trägt, höchst umstritten. Während die Solarwirtschaft in Übereinstimmung mit der Ecofys-Studie dafür eintritt, dass die Kosten von den Netzbetreibern zu tragen sind, setzen sich die Netzbetreiber für das genaue Gegenteil ein. Juristisch argumentieren die ersten damit, die nachträgliche Belastung der Anlagenbetreiber mit den Kosten der Nachrüstung sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unzumutbar. Dies gilt nach einem für den Solarenergie-Förderverein erstellten Rechtsgutachten von Felix Ekardt, Professor an der Universität Rostock, insbesondere für Kleinanlagen. Die Netzbetreiberseite wiederum hält die Nachrüstungspflicht auch aus rechtlicher Sicht für verhältnismäßig und zumutbar. Nach den jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum EEG könnten sie sich im Falle eines Rechtsstreits durchaus Hoffnungen machen: Das Gericht hat den Vertrauensschutz der Ökostromanlagenbetreiber bisher auf einem erschütternd niedrigen Niveau angesiedelt.
Wann das politische Machtwort gesprochen wird, ist derzeit noch offen. Zum 1. Januar 2012 wird die erwartete Verordnung jedenfalls nicht in Kraft treten. Vielleicht klappt es zum Ende des ersten Quartals. Auf eines werden sich Betreiber aber einstellen müssen: Die in rechtlicher Hinsicht bedenklich weite Ermächtigungsgrundlage von Paragraf 12 Absatz 3a EnWG wird es dem nicht besonders ökostromfreundlichen Bundeswirtschaftsministerium ermöglichen, auch in Zukunft rückwirkend neue Anforderungen an Erneuerbare-Energie-Anlagen zu stellen.
Margarete von Oppen ist Partnerin der Rechtsanwaltssozietät Geiser & von Oppen, www.gvo-anwaelte.de