Die niedrigen Prognosen für den Ausbau der Photovoltaik durch den britischen Netzbetreiber National Grid stoßen auf heftige Kritik der Branche. Diese warnt davor, dass die Potenziale der Photovoltaik nicht ausgeschöpft werden.
Der britische Netzbetreiber National Grid hat aktuelle Zahlen zur voraussichtlichen Installation von Anlagen zur Erzeugung regenerativen Stroms veröffentlicht. Dabei geht National Grid davon aus, dass im besten Fall bis 2020 7,5 bis 8,5 Gigawatt Solarstromleistung in Großbritannien am Netz sein werden. Der Netzbetreiber hat sich darauf eingestellt, dass die Photovoltaik auf den britischen Inseln langsamer entwickeln als geplant. So rechnet das Ministerium für Energie und Klimawandel in London mit zwölf Gigawatt installierter Solarstromleistung bis 2020. Der Minister selbst ist noch optimistischer. Er geht davon aus, dass bis dahin Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt am Netz sein werden.
Verband kritisiert konservative Ausbauprognose
Die konservative Rechnung des Netzbetreibers stößt auf heftige Kritik des britischen Branchenverbandes Solar Trade Association (STA). „Es ist frustrierend, dass Regierung und Netzbetreiber wichtige Entscheidungen auf Grundlage veralteter Daten treffen“, kritisiert Paul Bawell, Geschäftsführer der STA. „Das untergräbt, was die Solarindustrie bisher erreicht hat, und könnte verhindern, dass das Potenzial der Photovoltaik ausgeschöpft wird“, warnt er. „Die Zahl der tatsächlich installierten Solarstromanlagen ist höher als in offiziellen Statistiken.“ Tatsächlich waren zu Beginn dieses Jahres bereits Solarstromanlagen mit einer Gesamtleistung von gut 2,7 Gigawatt installiert. In den ersten Monaten dieses Jahres kamen noch einmal etwa 1,5 Gigawatt hinzu. Die Pipelines der Projektentwickler sind gut gefüllt. Die Marktanalysten von NPD Solarbuzz gehen davon aus, dass Großbritannien in diesem Jahr nach China, den USA und Japan der viertgrößte Photovoltaikmarkt wird, so am Ende des Jahres voraussichtlich über 5,5 Gigawatt Solarstromleistung aufgebaut sind. Die schlechten Prognosen des Netzbetreibers könnten außerdem dazu führen, dass er sich nicht auf die Integration höherer Solarstromleistung vorbereitet und damit die Probleme nicht gelöst werden, die mit der volatilen Erzeugung von Solarstrom verbunden sind. „Photovoltaikanlagen auf Süddächern und Fassaden allein könnten eines Tages ein Drittel des britischen Strombedarfs decken“, rechnet Barwell vor. „National Grid muss das enorme Potenzial dieser Technologie erkennen.“
Photovoltaik ist bald konkurrenzfähig
Es ist auch kaum zu erwarten, dass sich der Ausbau der Photovoltaik in Großbritannien so verlangsamen wird, dass die Prognosen von National Grid zutreffen. Selbst wenn die Förderung für die großen Freiflächenanlagen so drastisch gekürzt wird, wie von der Regierung in London geplant, wird der Ausbau weitergehen. Großbritannien wird den schnellen Übergang vom geförderten zum Eigenverbrauchsmarkt schaffen. „Schließlich sind die Kosten der Photovoltaik dramatisch gesunken“, betont Barwell. „Wir gehen davon aus, dass Photovoltaik auch ohne Förderung bis zum Ende dieses Jahrzehnts Netzparität erreicht, jedoch nur mit einem stabilen politischen Rahmen. Das geht aber nur, wenn die richtigen Daten zu Grunde gelegt werden.“ Untersuchungen der STA haben gezeigt, dass die Photovoltaik etwa 2017 oder 2018 mit der Windstromerzeugung an Land preislich mithalten kann. „Zusammen mit Speichern könne die Technologie sogar Atomkraftwerke preislich unterbieten, noch bevor die derzeit geplanten AKW in Betrieb gehen“, betont der Verband. (Sven Ullrich)