Schrill schallt ein Klingeln durch den Raum. Es klingt wie eine Registrierkasse. Der Raum ist aber weder ein Tante-Emma-Laden noch ein Supermarkt, sondern vielmehr die neue Leitwarte für die Steuerung von Solarparks bei Skytron Energy in Berlin-Adlershof. Es zeigt an, dass eine neue Fehlermeldung eingegangen ist. Sofort wandern die Blicke der Mitarbeiter zur Wand vor ihnen.
Dort hängen zwölf Monitore, die die unterschiedlichen Daten aus den von der Leitwarte überwachten Anlagen anzeigen – unter anderem die Fehlermeldungen aus den Solarparks. Mindestens drei Betriebsführer in der Berliner Leitwarte kontrollieren von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang inzwischen schon gut 200 Megawatt Solarparkleistung in ganz Europa. In Spitzenzeiten sind sogar sechs Mitarbeiter in der Leitwarte damit beschäftigt, für den optimalen Betrieb der Solarparks zu sorgen. „Das Überwachungszentrum arbeitet mit der allerneuesten Technik und kann potenzielle Probleme erkennen und minimieren, bevor sie überhaupt auftreten“, beschreibt Jörgen Klammer, Geschäftsführer von Skytron Energy, das Ziel. „Es kann die Anlagenleistung in Echtzeit überwachen und je nach Bedarf zielgenaue Unterstützung aus der Ferne liefern. In einem zunehmend umkämpften Energiemarkt ist die Leitwarte ein wichtiges Kriterium für Anlagenbesitzer und Anlagenbetreiber, die die Verfügbarkeit, Sicherheit und Rentabilität ihrer Photovoltaikanlagen optimieren wollen.“
Der größte Teil der Anlagen, deren Daten in Berlin-Adlershof zusammenlaufen, steht in Deutschland und Frankreich. Mit der Leitwarte ist Skytron Energy allerdings in der Lage, die Überwachung von Solarparks in ganz Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika zu übernehmen, ohne dass ständig ein Mitarbeiter vor Ort sein muss. Von Portugal bis nach Pakistan, vom Nordkap bis tief in die Sahara reicht das Auge der Mitarbeiter in der Berliner Leitwarte.
Immer aktuelle Daten vorhanden
Die Idee, wie das funktioniert, erscheint relativ einfach, die Umsetzung basiert jedoch auf einem ausgeklügelten System und langjähriger Entwicklungsarbeit. In den von den Berlinern kontrollierten Anlagen ist eine sogenannte Leitwartenplattform installiert. Das ist eine Software, die permanent alle Daten aufzeichnet, die von den Wechselrichtern, den Einspeisezählern und den Sensoren in den Solarparks kommen.
Die Daten werden dabei mit einer Auflösung von 100 Millisekunden aufgezeichnet. Die Software sammelt die Daten und errechnet daraus einen Mittelwert. Diesen schickt sie über eine gesicherte Datenleitung an die Leitwarte in Berlin. So haben die Mitarbeiter dort immer aktuelle und qualifizierte Werte, um auf ein eventuell auftretendes Problem in der Anlage reagieren zu können. Liefert zum Beispiel ein String zu wenig Leistung an den Wechselrichter, meldet dieser einen Fehler an die Software. Diese Fehlermeldung leuchtet spätestens nach 20 Sekunden auf der Monitorwand in Berlin-Adlershof auf und in der Leitwarte ertönt das Klingeln. Jetzt wissen die Mitarbeiter dort, dass eine neue Meldung eingegangen ist.
Zeitpunkt der Reparatur abwägen
Einer der Betriebsführer in Berlin übernimmt dann die Analyse, wo der Fehler steckt. Er schaut sich zunächst einmal grob an, ob der Fehler auf äußere Einflüsse zurückzuführen ist. Dazu kann er sich an der Monitorwand oder auf dem Bildschirm am Arbeitsplatz aktuelle Bilder des betreffenden Solarparks anzeigen lassen – so denn Kameras installiert sind. „Hat er ein Bild, kann er sehen, ob vielleicht Schnee auf einem Teil der Module liegt und der Wechselrichter deshalb nicht genügend Strom ins Netz einspeist“, erklärt Hendrik Hoffmann, Direktor für Software, Service sowie Betrieb und Wartung bei Skytron Energy. Die Diskrepanz zwischen aktuellen Einstrahlungsdaten und Daten der Netzeinspeisung am Wechselrichter ist die Grundlage für die Fehlererkennung.
Zeigen die Kamerabilder, dass nicht das Wetter an der zu geringen Einspeisung schuld ist, steigt er in die Tiefen der gesamten Anlage hinab. „In den meisten von uns in Europa überwachten Anlagen ist ein Stringmonitoring installiert“, sagt Hendrik Hoffmann. „So kann der Betriebsführer bis in den einzelnen String der Anlagen hineinschauen und analysieren, wo der Fehler liegt.“ Dazu vergleicht er unter anderem die Einspeiseleistung der einzelnen Wechselrichter der Anlage miteinander.
Sieht er dabei erhebliche Diskrepanzen, kann er schon einmal den Fehler bis auf den Wechselrichter eingrenzen. Der Mitarbeiter kann außerdem unter anderem die Einspeisewerte der einzelnen Wechselrichter und die Werte für die durchschnittliche Modultemperatur mit den Einstrahlungswerten und den aktuellen Wetterdaten vergleichen. Über solche Daten und die Werte aus dem Stringmonitoring kann er immer tiefer in die Anlage eintauchen und den eigentlichen Defekt finden.
Dann muss der Betriebsführer in Berlin noch entscheiden, ob er einen externen Dienstleister zum Solarpark schickt, der den Fehler behebt, oder ob der Service warten kann, bis der Techniker ohnehin das nächste Mal zum Park fährt. So kann ein verschmutztes Modul ebenso eine Fehlermeldung auslösen wie ein defekter Wechselrichter. Während die Reinigung eines Moduls auf den nächsten turnusmäßigen Wartungstermin verschoben werden kann, muss ein kaputter Wechselrichter oder ein defekter Mittelspannungstransformator sofort repariert werden.
Für diese Abwägung braucht der Mitarbeiter in der Leitzentrale viel Erfahrung. Denn entscheidet er falsch, kann das den Anlagenbetreiber viel Geld kosten und der Sinn der Leitwarte wäre dahin. Die Kostenersparnis bei gleichzeitiger Optimierung des Anlagenbetriebs ist schließlich die Motivation des Besitzers eines Solarparks, die Betriebsführung an Skytron Energy abzugeben.
Betriebsführung wird wichtiger
Die qualitativen Daten aus den Kraftwerken und geübtes Personal in der Leitwarte helfen so, die Kosten für den Solarstrom zu senken und die Rendite für den Anlagenbetreiber zu erhöhen. „Gerade in Zeiten, in denen die Betriebsführung und die Wartung von Solaranlagen mehr ins Gewicht fallen, wird dies immer wichtiger“, betont Stefan Degener. Er ist bei First Solar verantwortlich für die Betriebsführung der Solarkraftwerke der Amerikaner in Europa und im Nahen Osten. First Solar ist wiederum seit einigen Monaten die Muttergesellschaft von Skytron Energy. Die Amerikaner haben den Berlinern die Betriebsführung aller ihrer Kraftwerke in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten übertragen.
Digitale Daten für Netzbetreiber
Angesichts der sinkenden Anlagenpreise und Förderungen stieg in den vergangenen Jahren der Anteil der Betriebsführung am Gesamtpreis des Stroms aus Solarparks in Schlüsselmärkten von einst acht auf inzwischen 15 Prozent, rechnet Degener vor. „Um die Anlagen weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können, darf dieser Anteil nicht weiter steigen“, betont er.
Über die Betriebsführung muss abgesichert sein, dass Teile der Anlage nicht über einen längeren Zeitraum fehlerhaft laufen. Das mindert die Erträge aus dem Solarpark und damit auch die Rendite des Anlagenbetreibers.
Auf der anderen Seite muss der Betriebsführer in der Leitwarte auch sicherstellen können, dass nicht wegen jedem kleinen Fehler ein Monteur zum Solarpark fahren muss. Das kostet schließlich viel Geld. Für den Betriebsführer in der Berliner Leitwarte bedeutet das jedes Mal eine Gratwanderung, die er aufgrund seiner Erfahrung bewältigen muss.
Die Leitwarte ist zwar aktuell vor allem für die Betreiber der Solarparks ein Mittel, den maximalen Ertrag aus den Anlagen zu holen. Doch sie wird in Zukunft immer wichtiger für das gesamte Stromnetz. „Die Leitwarte ist eine Schnittstelle zwischen Anlagen- und Netzbetreiber“, erklärt Jörgen Klammer. „Denn hier laufen die Daten aus beiden Richtungen zusammen.“ Zum einen bekommt der Betriebsführer qualifizierte Daten aus den Anlagen. Zum anderen liefert der Netzbetreiber konkrete Anforderungen, wie die Anlagen am Netz zu steuern sind. In der Leitwarte werden die Signale der Netzbetreiber entgegengenommen und an die Parksteuerung weitergeleitet.
Noch haben es die Netzbetreiber einfach. Doch in absehbarer Zeit wird der Anteil der volatilen Stromerzeugung so hoch sein, dass sie darauf angewiesen sind, die Solar- und Windkraftwerke in ihre Regelung mit einzubeziehen. Dann brauchen sie sichere Daten aus den Kraftwerken, die die Leitwarte in Berlin liefert.