Die Uhr tickt, die Zeit vergeht, wieder ein Jahr um, und schon wieder rückt die Messe in München näher: die Intersolar. So hieß sie zumindest früher, bevor weitere Teilmessen aus dem Boden der Messehallen im Münchener Osten wuchsen. Bis heute ergeht der Küchenruf: Intersolar! Denn „The smarter E Europe“ – wie die Messe mittlerweile heißt – taugt zur Fanfare nicht.
Eigenverbrauch als neues Geschäftsmodell
The smarter E Europe ist viel mehr als die frühere Intersolar, auf der sich alles um Solarzellen, Solarmodule, um Montagesysteme und Wechselrichter drehte. Das war Photovoltaik 1.0, netzeinspeisende Systeme mit Vergütung durch das EEG. Bis 2011 und 2012 wuchs der Markt, wuchs die Messe.
Dann kappte FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler die Einspeisevergütung, um die Energiewende abzuwürgen. Der harte Einschnitt baute Druck auf, nach Alternativen zu suchen. 2014 wurde im reformierten EEG erstmals der Eigenverbrauch von Solarstrom mit einem Bonus unterstützt.
Halbe Halle mit hemdsärmligen Leuten
2014 war auch das Jahr, in dem erstmals Stromspeicher auf die Messe nach München kamen. Als eigenes Thema, mit eigenem Ausstellungsbereich. Eine halbe Halle füllten die Anbieter, die ein bisschen hemdsärmelig daherkamen. Junge Leute, die über Batterien redeten. Wohlgemerkt, meistens über Bleibatterien. Denn Lithiumakkus hatten gerade erste Hürden in der Entwicklung genommen – für Laptops und Handys.
Dass man sich in der Speicherhalle befand, erkannte der Besucher damals an der Farbe des Teppichs: Grüner Teppich zeichnete die Speicherstände aus, roter war der Intersolar vorbehalten – der Solartechnik, die innerhalb von drei Jahrzehnten eine mächtige Industrie aufgebaut hatte.
Die Idee zündete sofort
Die Electrical Energy Storage (EES) Europe begann klein, unscheinbar, aber zündete sofort. Schon im Folgejahr hatte sich der Ausstellungsbereich deutlich vergrößert, die Zahl der Aussteller wuchs. Bis 2018 gewann die neue Fachmesse an Bedeutung, ließ den Eigenverbrauch nicht mehr von der Tagesordnung der Agenda.
Bis 2018 wurde die EES Europe eine stabile, stetig wachsende Messe neben der Intersolar. Zwei Trends, die sich gegenseitig befeuerten, wuchsen zusammen: Solarstrom und Speichertechnik. Seit 2015 war keine Rede mehr von Blei, jetzt kamen die Lithiumzellen auch für stationäre Speichersysteme.
EES und Intersolar firmieren seit 2018 unter dem Dach von The smarter E Europe, ergänzt durch die Power2Drive, die Fachmesse für E-Mobilität und Ladetechnik. Neu geschaffen wurde damals auch die EM-Power Europe für Energiemanagement und vernetzte Energielösungen.
Erst Corona, dann die Ukraine
2020 folgte erneut ein harter Einschnitt, dieses Mal nicht wegen der FDP. Corona machte Messen unmöglich, auch The smarter E Europe musste ausfallen. Aber: Ausgerechnet die Coronapandemie brachte in vielen Ländern neuen Rückenwind aus der Politik, um in nachhaltige Energieversorgung zu investieren. Die russische Aggression in der Ukraine zwei Jahre später brachte den endgültigen Umschwung. Jetzt hoben die Märkte für erneuerbare Energietechnik weltweit ab.
Nun waren Photovoltaikbranche und Speicherbranche bereits entwickelt, hatten Schlagkraft aufgebaut. Das zeigte sich auch bei den Messen in München seit dem Restart im Herbst 2021.
Neue Rekorde 2023
Im vergangenen Jahr 2023 kamen 106.000 Besucher zur Leitmesse der Energiewende, die Hallen waren ausgebucht. Mehr als 950 von insgesamt 2.469 Ausstellern präsentierten ihre Ideen und Lösungen für innovative Batterietechnik und Energiespeicher.
Die Ausstellungsfläche der EES Europe hatte sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Rund die Hälfte der mehr als 100.000 Besucher war speziell an Speichertechnik interessiert.
Nun liegt The smarter E Europe 2024 vor uns, und auch dieses Mal werden Stromspeicher im Mittelpunkt stehen. Nur ein Jahrzehnt hat es gedauert, diese Branche zu entfalten und zum Treiber der Energiewende überall auf dem Globus zu machen.
Mehr als ein Anhängsel der Photovoltaik
Zurück zu 2014: „Mit der Gründung der EES und dem eigenständigen Fokus auf Speicher wurde der Grundstein gelegt, dass man Speicher nicht nur als Anhängsel von Photovoltaikanlagen sieht, sondern deren multifunktionalen Wert erkennt.“ Diese Einschätzung stammt von Franz-Josef Feilmeier, Gründer und Chef von Fenecon aus Deggendorf.
Das Unternehmen bietet gewerbliche Speichersysteme an, hat unlängst eine neue Fabrik eröffnet. Fenecon gehörte vor zehn Jahren zu den Pionieren der Branche, wie Tesvolt aus Wittenberg. Auch Tesvolt hat mittlerweile eine moderne Fabrik errichtet, plant schon die nächste Gigafactory.
Zahl der Anbieter wuchs stetig
Sonnenbatterie und Senec waren die ersten Player bei Heimspeichern, auch IBC Solar und Solarwatt brachten pfiffige Systeme für die Installateure auf den Markt. Die wichtigsten Anbieter von Wechselrichtern wie SMA, Fronius, Kaco oder Kostal stellten sich schnell auf die neuen Anforderungen ein und brachten Geräte, um Batterien einzubinden und anzusteuern.
Anders als in der Photovoltaik waren die Asiaten im Geschäft mit Lithiumakkus von Beginn an führend. BYD baute 2014 die erste Rolle-zu-Rolle-Fabrik für Lithiumzellen auf, in Shenzhen nördlich von Hongkong. Im Jahrestakt folgten weitere Linien. LG Chem aus Südkorea entwickelte die JH-Zelle, die später den EES Award gewann.
Speichermarkt wächst exponentiell
So kam die Speicherbranche in Fahrt, kam aus den Kinderschuhen heraus und spielt nun eine zentrale Rolle beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Zehn Jahre zurück, zehn Jahre nach vorn: Man muss kein Prophet sein, um der EES Europe eine sonnige Zukunft zu prophezeien.
Der Speichermarkt wird durch erneuerbare Energien und Elektromobilität gleichermaßen getrieben und wächst exponentiell. 2023 überstieg der globale Absatz von Lithium-Ionen-Batterien erstmals die Marke von einer Terawattstunde. Bis 2030 dürfte sich die Nachfrage mehr als verdreifachen.
Wichtigster Treffpunkt der Speicherbranche
Dazu kommen neue Technologien wie Flow-Batterien, Natrium-Ionen-Batterien oder grüner Wasserstoff. Das Wettrennen der Technologien, Systemintegratoren und Produktionskapazitäten geht weiter, schwungvoller denn je.
Freilich, eine solche Messe ist kein Selbstläufer, sondern muss jedes Jahr neu organisiert und aktualisiert werden. Aber die Branche entwickelt sich prächtig und hat beste Aussichten – nicht zuletzt durch ihren wichtigsten Treffpunkt in München.