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Architektur

Das DC-Vollstrom-Haus

Der Eigenverbrauch von Sonnenstrom verändert nicht nur die Geschäfte der Energieversorger. Dass solare Dächer und Solarfassaden künftig sauberen Strom im Überfluss erzeugen, wird auch die Architektur und die Baubranche verändern.

Die derzeit hohen Preise für Grundstücke, Sanierungen und Neubauten werden den Trend zur Eigenversorgung der Gebäude beschleunigen. Denn die höheren Investitionen lassen sich nur rechtfertigen, wenn die Kosten für die Energieversorgung und den Gebäudebetrieb auf der anderen Seite sinken.

Wichtig ist, die vorhandenen Flächen der Gebäudehülle möglichst umfassend für Solargeneratoren zu nutzen. Auch Nebengebäude wie Carports, Überdachungen der Veranda, Wintergärten und die Brüstungen von Balkonen lassen sich mit Solarmodulen belegen.

Technisch ist das heute kein Hexenwerk mehr. Die Architekten haben volle Gestaltungsfreiheit, sowohl in der Linienführung an der Fassade als auch bei den Farben, Oberflächen und der Transparenz. Mit Solarsystemen zur Indachmontage taugt nicht einmal mehr der Denkmalschutz als Ausrede. Wer modern und kostenbewusst baut, baut mit der Sonne.

Alle Flächen nutzen

Ein weiteres Zugpferd dieser Entwicklung ist die E-Mobilität. Durch elektrische Ladepunkte am Gebäude gehen die Betriebskosten der E-Autos – die die Fahrer von Verbrennerfahrzeugen bislang an der Tankstelle abgeliefert haben – in die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes und seiner Nutzung ein. Zudem werden die Parkflächen aufgewertet. Sie erhalten solare Überdachungen, die sauberen Sonnenstrom erzeugen – für den Verbrauch vor Ort. Über kurz oder lang wird es einfacher sein, den am Gebäude erzeugten Solarstrom beispielsweise mit Nachbarn oder Gästen zu teilen oder Solaranlagen im Quartier gemeinsam zu betreiben.

In Österreich ist das schon möglich, in Deutschland legen sich die Bürokraten im Bundeswirtschaftsministerium bislang quer. Aber es wird kommen, die EU hat die entsprechenden Weichen gestellt.

Strom als einzige Energieform

Wenn sauberer und selbst erzeugter Sonnenstrom kostengünstig und im Überfluss vorhanden ist, liegt es nahe, die komplette Energieversorgung auf solarelektrische Systeme umzustellen. Dann fungiert das Stromnetz als Superbatterie, für die sonnenschwachen Tage im Herbst und im Winter. Über kurz oder lang wird solarer Wasserstoff als Winterspeicher an Bedeutung gewinnen, der in der lichtarmen Jahreszeit mittels Brennstoffzellen rückverstromt wird.

Zahlreiche Beispiele von Gebäuden mit solarelektrischer Vollversorgung beweisen schon heute, dass Sonnenstrom (plus Windstrom im Winter aus dem Netz) den gesamten Bedarf im Gebäude abdeckt: elektrische Verbraucher, elektrische Heizwärme (Infrarotsysteme), Warmwasser, Kühlung und Lüftung, Versorgung mit Kälte sowie die E-Mobilität. Über Elektrolyseure wird Wasserstoff neue Chancen auch in der Gebäudetechnik eröffnen.

Das bedeutet den Abschied von der wassergeführten Heizung mit ihren teuren Kupferrohren, mit den vielen Ventilen, Fühlern und Pumpen. Es bedeutet, dass die Energieverluste deutlich sinken, weil sich Strom viel einfacher und verlustärmer im Gebäude verteilen lässt. Man kann die Nutztemperaturen viel genauer einstellen und muss die Wärmeverluste an hydraulischen Wärmeverteilern nicht mehr in Kauf nehmen.

Elektrische Systeme sind schneller und genauer regelbar. Und es steht den Nutzern der Gebäude frei, wie sie die Heizflächen in den Räumen verteilen. Was früher ein Kinderzimmer war, ist viel schneller in ein neues Schlafzimmer umgebaut als mit störenden Rohrleitungen und Radiatoren unterm Fenster.

Ein Wintertarif vom Stadtwerk

Die Vollversorgung mit sauberem Ökostrom auch im Winter ist heute kein Problem mehr. Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass solarelektrische Systeme sogar den hydraulischen Wärmeversorgungen mit Wärmepumpen überlegen sind – was Regelgüte und Kosten betrifft. Wir werden es bald erleben, dass clevere Stadtwerke ihren Kunden einen preiswerten Wintertarif anbieten, um damit ihre Gebäude zu heizen.

Dieser Tarif wird gemeinsam mit der Solartechnik angeboten, die das Stadtwerk beim Kunden installiert und betreibt, inklusive Stromspeicher und E-Ladepunkt. Der Winterstrom wird als Reststrom geliefert, weil das Gros der Energie aus der Gebäudehülle kommt.

Flatrate für saubere Energie

Ein entscheidender Vorteil für die solarelektrische Vollversorgung ist die Win-win-Situation für die Eigentümer und die Mieter der Gebäude: Die elektrische Energie lässt sich sehr gut kalkulieren, sie wird über eine Flatrate und einen einzigen Zähler abgerechnet. Die sogenannte zweite Miete sinkt, im Gegenzug kann der Vermieter eine höhere Kaltmiete berechnen.

Das ist in Mietwohngebäuden ebenso möglich wie in Siedlungen oder bei Firmengebäuden. Auf diese Weise werden die höheren Baukosten schneller eingespielt.

Weniger Gewerke am Bau

Wenn die gesamte Energieversorgung eines Gebäudes mit elektrischem Strom erfolgt, sinken die Baukosten. Denn die Zahl der beteiligten Gewerke reduziert sich, ebenso wie der Aufwand für Material und Installation. Die aufwendige Kupferverrohrung entfällt, die Wärme wird über die elektrische Installation verteilt, die ohnehin geplant wird. Die Einsparung des klassischen Heizungsbaus wird zudem steigenden Baukosten entgegenwirken. Die Gebäudeplanung wird vereinfacht, die Gestaltungsfreiheit für die Architekten steigt.

Auch die Kosten für die Wartung sinken deutlich. Wassergeführte Heizungssysteme erfordern nun einmal einen höheren Aufwand zur Durchsicht und Reparatur als elektrische Systeme.

Ein entscheidender Vorteil liegt darin, dass sich solarelektrisch versorgte Gebäude später einfacher auf neue Nutzungskonzepte umrüsten lassen. Während seiner Nutzungsdauer verändern sich die Nutzer des Gebäudes, verändern sich die Anforderungen an die Räume, an ihren Zuschnitt und die Temperierung. Elektrische Systeme umzuplanen oder die Infrarotheizflächen anders anzuordnen ist kein Problem. Das Gebäude lebt und verändert sich mit seinen Nutzern.

DC-Technik im Gebäude

Noch Zukunftsvision, aber bereits in Sicht: Mit der Photovoltaik, mit Stromspeichern, Brennstoffzellen und der E-Mobilität erscheint die Umstellung der Gebäudeversorgung auf DC-Systeme mit 48 Volt oder 60 Volt sinnvoll.

Viele elektrische Verbraucher wie Laptops, Handys, Computer, Bildschirme sind bereits DC-Systeme. Sie benötigen AC/DC-Netzteile, um Netzstrom nutzen zu können. Wird das Gebäude auf Gleichstrom umgestellt, sinkt der Aufwand für die elektrische Planung, für die Verkabelung und die elektrische Absicherung – weil die Spannungen sinken.

DC-Systeme sind, was Energieverluste und elektromagnetische Verträglichkeit betrifft, viel effizienter und gesünder als die AC-Versorgung mit 220/400 Volt und 50 Hertz. Das erfordert ein rigoroses Umdenken: Der Solarwechselrichter wandert direkt an den Hausanschluss, wird zum Gebäudeumrichter. Er setzt künftig den Netzstrom in Gleichstrom um, faktisch für Reststrom aus dem Netz.

Solargeneratoren, Brennstoffzellen und bidirektional einspeisende E-Autos werden über DC/DC-Regler an den Stromspeicher angeschlossen, der das Gebäude versorgt. AC-Systeme sind dann nur noch dem Transport von elektrischem Strom vorbehalten, wenn es um größere Distanzen geht.

Die hier vorgestellten Thesen wurden in einem Vortrag zum Restart der EM-Power am 8. Oktober 2021 in München präsentiert. Gern senden wir Ihnen die Folien zu:

VDE Verlag

Jetzt erschienen: Handbuch zur solaren Architektur

Sonnenstrom aus der Gebäudehülle: Der VDE Verlag hat ein neues Standardwerk zur bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPV) herausgegeben. Es ist auch als E-Book erschienen. Das Buch ist online und im Buchhandel ab sofort lieferbar.

Das neue Fachbuch wurde von Sven Ullrich und Heiko Schwarzburger verfasst, die gemeinsam das Webportal Solar Age speziell für Architektinnen und Architekten betreiben und zum Redaktionsteam der photovoltaik ­gehören.

Das sind die Themen: Grundlagen der Solartechnik, Wirtschaftlichkeit von solarer Architektur, Freiheit in der Gestaltung, Technik der Montage, Planung und Auslegung von Solarfassaden, Eigenstrom im Gebäude mit Stromspeicherung, Reduktion der Gewerke und Energiekosten durch solarelektrische Gebäude, Betrieb und Wartung, Brandschutz, BIPV-relevante Normen und Vorschriften.

Das Fachbuch/E-Book richtet sich an diese Zielgruppen: Architektinnen, Architekten, Bauplanerinnen, Bauplaner, TGA-Planerinnen, TGA-Planer, Elektro-Fachinstallateure, Solarteure, Facility-Managerinnen und Facility-Manager.

Ergänzt wird das Werk durch einen Überblick über Anbieter und Produkte für die BIPV. Das Firmenverzeichnis hilft Architektinnen und Architekten bei Ausschreibungen und erleichtert die Suche nach hochwertigen Produkten der BIPV.

Das neue Fachbuch und das E-Book (220 Seiten, 230 x 270 mm, Hardcover, zahlreiche Abbildungen und Referenzbeispiele) kosten einzeln jeweils 56 Euro, die Kombination von Buch und E-Book kostet 78,40 Euro. ISBN für die Bestellung im Buchhandel:

Buch: ISBN 978-3-8007-5309-3

E-Book: ISBN 978-3-8007-5310-9

Bestellungen beim VDE Verlag:

Foto: VDE Verlag

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