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Auslaufmodell: Telekom schaltet die Münzfernsprecher ab

Die Telekom macht vor, wie Auslaufmodelle zu behandeln sind: stilllegen, demontieren, verschrotten. Die gute alte Telefonzelle wird beerdigt, ohne großes Tamtam. Und ohne milliardenschwere Subventionen durch den Steuerzahler. Na bitte, geht doch!

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Steine sammeln, Steine zerstreun

Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreun. Steht in der Bibel, ein zwar etwas angestaubtes, dennoch zeitloses Werk voll Altersweisheit. Ab Ende November wird die Telekom an den bundesweit rund 12.000 verbliebenen Fernsprechern die Zahlfunktion für Bargeld sperren.

Ab Ende Januar werden auch Telefonkarten nicht mehr akzeptiert. Die Telefonzelle wird uns verlassen, macht Platz für neue Ideen. Logisch, im Zeitalter von Handys und Mobilfunk.

So alt wie das Kraftwerk

Mehr als 140 Jahr hat die Telefonzelle gute Dienste geleistet, war nützlich und kaum verzichtbar. Die ersten Häuschen mit Fernsprecher wurden 1881 in Berlin eingerichtet, seinerzeit als Fernsprechkioske. Damit ist die öffentliche Telefonzelle ungefähr so alt wie das erste Kraftwerk zur öffentlichen Stromversorgung. Damals befeuert mit Kohle, das nur am Rande.

Die gelben Zellen der Bundespost, die es von 1947 bis 1994 gab, wurden im Westen Deutschlands zur Legende. Auch im Osten gab es solche Zellen – allerdings besser überwacht. Mitte der 1990er Jahre betrieb die Telekom (als Nachfolgerin der Bundespost) mehr als 160.000 solcher Telefone, nicht nur in Einkaufsmeilen oder an Bahnhöfen, auch in Wohngebieten oder am Waldrand.

Neue Aufgabe als Small Cells

Technisch gesehen, war es ein außerordentlich komplexes Netz über viele Tausend Kilometer Kupferkabel, mit zahllosen Knoten und Endstellen. Das wir nun in den verdienten Ruhestand verabschieden.

Die letzten Telefon-Stelen werden bis 2025 abgebaut, ließ die Telekom verlauten. In einigen Gemeinden werden rund 3.000 Zellen eine neue Aufgabe bekommen, als Small Cells mit kleinen Antennen, um die Mobilfunksignale örtlich zu verstärken.

Kaum genutzt, hoher Energieverbrauch

Fragen wir uns: Warum müssen die vertrauten Telefonzellen sterben? Weil sie kaum noch benutzt werden und jede Menge Energie fressen, zwischen 500 und 1.250 Kilowattstunden im Jahr. Selbst für Notrufe sind sie irrelevant, das geht per Handy schneller. Hier bietet sich das Gleichnis zu den fossil-nuklearen Großkraftwerken an, gleichfalls Auslaufmodelle, aus der Zeit gefallen. Auch sie steuern immer weniger zur Versorgung bei, fressen viel Energie für den eigenen Bedarf, verdrecken obendrein Umwelt und Menschen und werden bald nicht einmal mehr für Spitzenlasten benötigt.

Kultureller Vergleich von zwei Technologien

Wir fragen natürlich auch: Was unterscheidet Telefonzellen von Großkraftwerken? Da wären vor allem kulturelle Aspekte zu nennen. Telefonzellen sind aus etlichen Filmen und dem Fernsehen kaum wegzudenken, vor allem aus Produktionen vor 2010 nicht. Höhepunkt war zweifellos die Verfilmung von „Harry Potter und der Orden des Phönix“ im Jahr 2007, als ein rotes Telefonhäuschen in London den Zugang zum geheimen Ministerium für Zauberei markierte. Heute würde Harry in sein Handy springen, in eine Magic App.

Ansturm von Hitchcocks Vögeln

Wer denkt nicht immer wieder gern an den Aufreger der frühen 1960er, an Alfred Hitchcocks „Die Vögel“? In diesem Streifen wird die Darstellerin im Sturm mordlustiger Krähen in einer Telefonzelle gefangen. Nur knapp kann sie sich retten, bevor die Scheiben unter dem Ansturm der geflügelten Bestien bersten.

Im nächsten Jahr wird dieser Klassiker des Filmgrusels übrigens 60 Jahre alt. Was uns nachdenklich stimmt: Ohne Telefonzelle, nur mit Handy, wäre die Frau erledigt gewesen. Na ja, alles hat zwei Seiten.

Der Jumbojet im Atomreaktor

Die gute alte Kabine: Sie stand für Sicherheit vor Starkregen, für netten Plausch mit Sippe, Freunden und Behörden, für Privatsphäre (in der DDR nur mit Einschränkungen). Für Filme war sie deshalb ideal, weil ihr etwas klaustrophobisches anhaftete, zugleich Schutz versprechend. Eine Telefon-Larve sozusagen.

Mit Atomkraftwerken kann man so etwas nicht drehen. Krähen auf der Reaktorkuppel, gähn! Freilich, moderne Gruselschocker hätten eine besonders martialische Kulisse: beim Kamikaze eines Jumbojets.

Andererseits: Dieser irritierende Streifen läuft mittlerweile regelmäßig in der Tagesschau, als Bericht aus Saporischschja. Gänsehaut garantiert, ganz real, mitten in Europa. Wie viele Gründe und Gleichnisse brauchen wir eigentlich noch, um die nuklearen Todeszellen endlich aus der Welt zu schaffen?

Autarke Gesprächszelle mit Solarmodulen

Mit der Telefonzelle wird es laufen wie mit Schallplatten aus Vinyl. Eine Zeitlang wird man sie vergessen, wird man sie irgendwo als rostige Blechkisten stapeln. Bis sie als nostalgisches Sammlerstück wiederkehren, vom Schrottplatz auferstehen.

Dann wird die Telekom beginnen, die gelben und Magenta-Dinger für Schweinepreise zu verhökern, an Kunden aus der Vintage-Szene. Oder sie nagelt oben und an den Seiten Solarzellen dran und vermietet sie als autarke Tiny Houses, als Tiny Cells, im Marketingsprech. Dort kann jeder sein Handy anstöpseln und aufladen, im Vorbeigehen. Oder drin wohnen, zum Beispiel.

Viel Platz für kreative Ideen

So etwas wünsche ich mir an jedem Atomkraftwerk, an jedem Heizkraftwerk, an jeder Turbinenhalle: Endlose Solardächer und Solarfassaden, um neue, kreative Ideen mit sauberem Strom zu versorgen. Den Schrott von knapp 150 Jahren räumen wir raus, schaffen viel Platz für Start-ups und Erfinderinnen.

Für die Energiewende, für die CO2-Wende, für eine saubere, menschliche Welt. So viel immerhin konnten wir von der Telekom lernen:

Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreun.

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Die Geschichte der öffentlichen Fernsprecher reicht mehr als 140 Jahre zurück.

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