Der Aufbau der Ladeinfrastruktur gilt als Schlüssel zur Elektromobilität. Aber eine moderne Ladeinfrastruktur zu errichten ist aufwendig und teuer. Das gilt nicht nur für E-Pkw, sondern auch für die elektrische Kleinmobilität.
Ist es ökonomisch und ökologisch sinnvoll, dass jeder Nutzer eines Elektrofahrzeugs, dass jede Betreiberin einer E-Flotte eine eigene leistungsstarke Ladestation besitzt? Denn die Fahrzeuge werden vielleicht nur einmal am Tag oder gar nur ein, zwei Male in der Woche geladen.
Eher nicht. Vielfach ist dies aus unterschiedlichen Gründen gar nicht möglich. Für den rasant wachsenden Bereich der Mikromobilität, zu dem E-Bikes, Elektro-Lastenräder, E-Roller, E-Kickscooter oder Golfcarts zählen, hat das Berliner Start-up Swobbee eine innovative Lösung entwickelt. Das junge Unternehmen betreibt „Battery-as-a-Service“ und hat ein sogenanntes „Battery Swapping System“ (BSS) entwickelt.
Bei dem Swobbee-BSS handelt es sich um ein herstelleroffenes öffentliches System, um die Batterien für die Mikromobilität sowie für Gartenmaschinen und Geräte zur mobilen Energieversorgung zu wechseln. Grundlage sind kompatible, standardisierte Akkus.
Alles passt in eine Telefonzelle
Das Swobbee-BSS ist in seiner Standardausführung in etwa so groß wie eine klassische Telefonzelle. Dank modularem Aufbau kann sowohl die Zahl der Batteriefächer als auch die Art der Batterien an individuelle Anforderungen angepasst werden – je nachdem, welche Flotten vor Ort betrieben werden.
Der ambitionierte Plan des Start-ups ist es, in allen großen Städten Deutschlands solche Wechselstationen an strategisch günstigen Standorten aufzustellen. Sie sollen insbesondere von Gewerbekunden, Flottenbetreibern und Sharinganbietern genutzt werden. Da eingebundene Akkus zum Teil auch in Gartengeräten und Geräten zur mobilen Energieversorgung integriert sind, ist diese Lösung ebenso für Betriebe des Gartenbaus, der Landschaftspflege, für Handwerker und Installateure interessant. Denn bisher gibt es für solche Anwendungen sowie für die Mikromobilität keine öffentlich zugängliche Ladelösung. Das Battery Swapping System von Swobbee schließt diese Lücke.
Weniger als eine Minute
Die Idee, standardisierte, herausnehmbare Batterien zu wechseln, statt fest verbaute zu laden, ist nicht neu. Während sich dieser Ansatz bisher bei Pkw aufgrund der umständlichen Handhabung der großen Akkupakete sowie fehlender Standardisierung nicht durchsetzen konnte, ist die elektrische Kleinmobilität für den Akkutausch prädestiniert: Die Batterien sind meist vergleichsweise klein und handlich. Sie können von allen Nutzerinnen und Nutzern problemlos selbst gewechselt werden.
Der Wechselvorgang nimmt inklusive Entnahme des leeren Akkus und Wiedereinsetzen des vollen weniger als eine Minute in Anspruch. Dass dieser Ansatz in der Praxis funktioniert, bestätigen nicht nur die erfolgreichen Pilotprojekte von Swobbee. Hilfreich ist auch ein Blick nach Fernost: In Taiwan verfolgt der E-Roller-Hersteller Gogoro bereits seit Jahren ein ähnliches Konzept und betreibt landesweit ein engmaschiges Netz an Lade- und Wechselautomaten.
Sharing als Geschäftsmodell
Sharing ist nicht nur ein moderner Lebensstil. Auch im B2B-Geschäft haben sich die Vorteile der Sharingökonomie herumgesprochen. Eine gemeinsam genutzte Ladeinfrastruktur schont die finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Nutzerinnen und Nutzer. Im Sharinggeschäft beispielsweise beanspruchen allein die Betriebskosten bis zu 60 Prozent der Einnahmen. Die Auslagerung der Ladeinfrastruktur kann diese Kosten drastisch reduzieren.
Schließlich entfaltet der Ansatz auf gesellschaftlicher Ebene positive Auswirkungen: Zentrale Batteriewechselsysteme machen eine Vielzahl individueller Ladelösungen überflüssig. Dadurch lassen sich massive materielle Ressourcen einsparen – vor allem, wenn die Elektromobilität zum Massenphänomen wird.
Großspeicher aus Wechselakkus
Außerdem könnte die intelligente Ladesteuerung in bedeutendem Maße Energie nicht nur einsparen, sondern infolge des Zusammenschlusses mehrerer Swobbee-Stationen zu einem virtuellen Großspeicher auch netzdienlich nutzbar machen.
Das ist zwar noch Zukunftsmusik, die Entwicklung läuft aber bereits. Denn die nächste Swobbee-Generation wird mit dieser Funktionalität ausgestattet sein. Vorerst richtet sich das Konzept ausschließlich an Groß- und Gewerbekunden. Als Betreiber vor Ort kommen Unternehmen sowie insbesondere Stadtwerke und Energieversorger infrage. So könnten in der Zukunft in Wohnquartieren mit Sharingangeboten und an Standorten von Flotten- und Gewerbekunden große Akkuwechselstationen zur Normalität gehören. Wenn Nachhaltigkeit und Effizienz weitergedacht werden, stellt sich schnell die Frage nach der Nutzung von Solarenergie.
Gemeinsam mit Partnern erforscht Swobbee aktuell in Bochum im Rahmen eines universitären E-Rollersharing-Projekts die Einbindung einer Solaranlage in das Battery Swapping System. Weitere ähnliche Projekte sind bereits in Planung. Zudem ist Swobbee offen für neue Kooperationen mit Partnern aus der Solarwirtschaft.
Hermes in Berlin
Swobbee liefert Ladesäule für Citystromer
Eine Akkuwechselstation von Swobbee wurde am Hermes-Depot in Berlin-Tempelhof in Betrieb genommen. Sie sorgt dafür, dass ein reibungsloser Betrieb der neuen E-Schwerlastbikes ohne Reichweitenbegrenzung und Ladeunterbrechung möglich ist.
Der Paketlogistiker Hermes stockt seine E-Lastenrad-Flotte in Berlin aktuell deutlich auf, um Sendungen in der City emissionsfrei zuzustellen. Die Zustellung per Lastenrad eignet sich insbesondere für dicht besiedelte Zustellbezirke mit hohem Sendungsaufkommen, wie beispielsweise in den Berliner Stadtteilen Mitte, Kreuzberg und Schöneberg.
Hermes setzt dort Elektro-Schwerlasträder des Berliner Herstellers Ono ein. Die Greenpack-Akkus der Ono-Räder werden mit wenigen Handgriffen an der Swobbee-Station gewechselt und sind somit stets einsatzbereit.