Es ist wie nach einer Geburt. Die Solar Impulse 2 hat den Hangar auf dem Militärflughafen im schweizerischen Payerne verlassen und tastet sich in der Morgensonne zum ersten Mal über das Rollfeld. Noch darf sie nicht abheben. Alle Systeme werden abermals am Boden gecheckt. Ende Mai, Anfang Juni soll sie dann zum ersten Mal in den Himmel steigen. Das Wetter entscheidet.
Jedes Mal, wenn Bertrand Piccard auf das Flugzeug blickt, erinnert er sich an seine Kindheit. Unweigerlich fällt ihm dann das fliegende Elefantenbaby Dumbo ein, aus den Zeichentrickfilmen von Walt Disney. „Er wurde mit so großen Ohren geboren, dass alle Scherze über ihn machten“, erinnert sich Piccard. „Dann hat es seine Ohren gespreizt und konnte damit fliegen.“ Welch eine Analogie zur Solar Impulse. „Als die ersten Computersimulationen vor zwölf Jahren fertig waren und wir die Konstruktion mit ihren enormen Flügeln und ihrem federleichten Rumpf den Flugzeugentwicklern in aller Welt zeigten, haben die nur gelacht. So wie dumme Menschen über Dumbo lachten.“
Jetzt gibt es das Solarflugzeug nun schon in der zweiten Generation. „Es ist das bemerkenswerteste Flugzeug dieser Zeit“, erklärt Piccard. „Es kann ohne Kraftstoff Tag und Nacht fliegen. Und wir hoffen, damit die Welt zu umrunden.“ Ein Flugzeug, das mit mehr gespeicherter Energie ankommen kann, als es beim Start hatte. „Es muss nicht landen“, ergänzt André Borschberg. „Nicht nach einem Tag, nicht nach einer Woche und nicht nach einem Monat.“
Im Einsitzer um die Erde
Im März kommenden Jahres wollen die beiden Piloten mit dem Einsitzer die Welt umrunden. Sie werden sich dabei abwechseln, denn vom Gewicht passt nur eine Person in den Solarflieger. Insgesamt 20 Flugtage haben sie dafür geplant, verteilt über drei Monate. Allein für die Überquerung von Pazifik oder Atlantik müssen sie fünf Tage und fünf Nächte am Stück in der Luft sein.
Bertrand Piccard und André Borschberg: Die Geschichte der Solar Impulse ist untrennbar mit der Geschichte dieser beiden Männer verbunden. Piccard ist Initiator und Präsident des Projekts – eine charismatische Persönlichkeit. Der 54-Jährige ist Psychiater, Ballonfahrer, Forscher und Flugzeugpilot. Mit der ersten Nonstop-Umrundung der Welt in einem Heißluftballon hat er schon Geschichte geschrieben. Piccard düst um die Welt, um sie für „sein Baby“ zu begeistern und immer wieder Gelder dafür lockerzumachen. CEO Borschberg ist Ingenieur mit Masterabschluss in Management, hat sich danach zum Kampfpiloten ausbilden lassen und ist außerdem professioneller Flugzeug- und Helikopterpilot.
Ein Flugzeug zu konstruieren nach einem völlig neuen Prinzip, und dazu noch als Außenseiter, ohne nennenswerte eigene Mittel, nicht aus den inneren Zirkeln der Flugzeugindustrie heraus, das grenzt an ein Wunder. Da war zunächst nur die visionäre Idee von Piccard. Er erinnert sich an seine Weltumrundung im Heißluftballon 1999 zusammen mit dem Briten Brian Jones und die Landung in der ägyptischen Wüste. Zum Schluss war der Treibstoff gefährlich knapp. „Ich war erschrocken, wie viel Gas wir verbraucht hatten.“ Daraufhin setzte sich bei ihm eine neue Idee fest, die Erde ganz ohne fossilen Energieverbrauch zu umrunden. So entstand die Vision vom Bau eines Solarflugzeuges. „Solar Impulse ist ein Beispiel dafür, was wir erreichen können, wenn wir an das Unmögliche glauben“, sagt Piccard. Mit Borschberg fand er den passenden Partner, um den vagen Vorstellungen immer mehr Konturen zu verleihen. Ein Solarflugzeug war für die beiden von Anfang an mehr als nur ein völlig neues Transportkonzept, um von A nach B zu kommen. Auf seiner 35.000 Kilometer langen Reise soll der Hightech-Flieger vor allem eine Botschaft um den Globus tragen, und die bringt einer der Hauptpartner genau auf den Punkt: „Wir können um die Welt reisen, ohne die Erde dabei zu verbrauchen“, so hat es Ulrich Spiesshofer formuliert, der CEO von ABB. Diesen Satz fand Piccard so beeindruckend, dass er ihn gleich getwittert hat. Es war dieser Tweet, der die meisten Reaktionen seiner Follower in den letzten Monaten auslöste.
Alles neu entwickelt
Mit Tag- und Nachtflügen hat schon der Vorgänger gezeigt, was ein Solarflugzeug leisten kann. Höhepunkt war die Überquerung der USA im vergangenen Jahr von San Francisco bis nach New York City. Der längste Flug von HB-SIA dauerte 26 Stunden. Ungleich größer ist jedoch die Herausforderung bei der kommenden Weltumrundung. Schließlich muss SI2 dafür die Weltmeere überfliegen, und das soll ohne Zwischenlandungen wie etwa auf einem Flugzeugträger geschehen. „Wenn wir die US-Küste oder die chinesische Küste verlassen, wissen wir nicht, wie das Wetter fünf Tage später sein wird, wenn wir auf der anderen Seite des Ozeans ankommen“, erklärt Borschberg.
Das war die große Aufgabe für die Konstruktion der Solar Impulse 2. Sie musste absolut wetterfest gemacht werden und auch bei Temperaturen von minus 40 bis plus 40 Grad noch sicher fliegen und dem Piloten dabei erträgliche Bedingungen bieten. Ein multinationales Team aus 80 Experten, 90 Partnern und etwa 100 Beratern widmete sich dieser Aufgabe. „Wir brauchten eine höhere Performance“, erklärt Borschberg. Während beim Vorgänger HB-SIA meist noch konventionelle Bauteile reichten, hat das Team für die Solar Impulse 2 alles neu entwickelt.
Der entscheidende Engpass war die Kapazität des Energiespeichers. Jedes Gramm mehr für die Batterien musste woanders wieder eingespart werden oder es vergrößerte das Flugzeug. Mit acht Metern mehr an Spannweite ist die neue Solar Impulse noch einmal 15 Prozent breiter als ihr Vorgänger. Die Flügel messen insgesamt 72 Meter, mehr als bei einer Boing 747. Dies war nötig, um den Luftwiderstand zu minimieren und die Fläche für die Solarzellen zu maximieren. Dabei wiegt das gesamte Flugzeug nur 2.300 Kilogramm, also etwa so viel wie ein Auto.
Auch bei der maximalen Leistung kommt es etwa auf die eines Kleinwagens. Die vier Motoren bringen zusammen bis zu 70 PS, das sind 51,47 Kilowatt, bei einem Wirkungsgrad von 94 Prozent. Für die nötige Energie sorgen 17.248 Solarzellen von Sunpower. Sie bestehen aus 135 Mikrometer starken monokristallinen Siliziumzellen. Diese sind damit so dünn wie ein menschliches Haar. Dabei kommen sie auf einen Wirkungsgrad von 23 Prozent. Geschützt werden sie durch einen 17 Mikrometer dünnen, fluorhaltigen Polymerfilm von Solvay. Er macht die Zellen biegsam, um sie den Tragflächen anzupassen, ist wasserdicht und schützt vor ultravioletter Strahlung. Die neuen Lithium-Polymer-Batterien sind eine Erfindung des südkoreanischen Herstellers Kokam. „Es war für uns eine Gelegenheit, mit neuen Materialien und neuen Technologien zu arbeiten“, erklärt Richard Northcote, Leiter Kommunikation und Nachhaltigkeit bei Bayer Material Science. Mit einer Energiedichte von 260 Kilowattstunden pro Kilogramm eignen sie sich bestens für das Projekt. Sie befinden sich in den Motorgondeln und sind dort durch hochdichten Isolierschaum geschützt. Die Akkus wiegen zusammen 633 Kilogramm, ein Viertel des Gesamtgewichts der Solar Impulse. Auch die Außenhaut des Flugzeugs mit ihrer Karbonfolie ist bemerkenswert. „Sie wiegt nur 25 Gramm pro Quadratmeter“, erklärt Borschberg. „Das ist ein Drittel des Gewichts von herkömmlichem Druckerpapier.“ Man sieht es dem Flugzeug an. Das Licht durchschimmert den Rumpf, unter der Folie wird das Skelett sichtbar. Es wirkt so zart und filigran, dass der Besucher Hemmungen hat, es überhaupt zu berühren. Nichts erinnert an die bullige Anmutung eines konventionellen Fliegers.
Manchmal nicht nachvollziehbar
Bei der bevorstehenden Weltumrundung wird die Solar Impulse nicht einfach so starten können, nach einem starren Flugplan wie eine Linienmaschine und mit Kursdaten, die feststehen. Ähnlich wie bei einem Weltraumflug werden die Piloten durch eine Crew von 60 Leuten am Boden unterstützt, im Mission Control Center. Ungefähr sechs Monate vor dem Start legt das Bodenpersonal zusammen mit den Piloten unter Hunderten Flugrouten die beste fest. Der Beginn der Weltumrundung soll im März 2015 stattfinden, um während der Flüge den indischen Monsun zu vermeiden.
Starts und Landungen finden nachts statt. So wollen die Piloten Luftturbulenzen und Wind mit Geschwindigkeiten über 18 Kilometer pro Stunde vermeiden. Am Tag steigt das Flugzeug auf 9.000 Meter Höhe und sinkt am Abend auf 1.500 Meter Höhe ab, um Energie zu sparen. „Etwa fünf Tage vor dem Flug bestimmen wir das genaue Zeitfenster für den Start“, erklärt Piccard, „und die endgültige Flugroute.“ Während des Fluges wertet das Bodenpersonal rund 50.000 Flugparameter aus, die per Satellit ins Mission Control Center übertragen werden. Daraus leitet die Crew augenblicklich notwendige Entscheidungen ab. „Manchmal sind diese für den Piloten nicht gleich nachzuvollziehen“, erzählt Piccard. „Aber ich denke, es sind immer die besten Lösungen.“ Trotz der Tag-und-Nacht-Begleitung durch das Bodenpersonal sind die Piloten in der Luft letztlich allein. Mehr Gewicht als von einem einzigen Piloten lässt das Flugzeug nicht zu. Ein Copilot existiert lediglich virtuell. Alle Systeme werden automatisch überwacht. Sobald sich das Flugzeug beispielsweise um mehr als fünf Grad neigt, alarmiert das System den Piloten mit einem sensorischen Signal.
Der Faktor X
Das Unberechenbare bleibt aber der Pilot selbst. Denn er muss unter extremsten Belastungen noch richtig reagieren. Das nur 3,8 Kubikmeter große Cockpit ist unbeheizt, bei Außentemperaturen bis zu minus 40 Grad. Der Pilotensitz dient ausgeklappt auch als Schlafplatz. Integriert sind eine Toilette und in der Rückenlehne Fallschirm und Rettungsboot. Ungeachtet der schwierigen Bedingungen, viele Tage allein an Bord, verlangt das ultraleichte, riesige Flugzeug immer wieder die ganze Aufmerksamkeit des Piloten. Hier zahlen sich Piccards Ausbildung, seine speziellen Interessen und die bestandenen Extremherausforderungen aus. Nicht nur die äußeren Grenzen des Machbaren interessieren ihn. Er wollte immer auch die innere menschliche Welt tiefer erkunden. Der promovierte Psychiater und Naturwissenschaftler hat bereits als medizinischer Direktor und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie gearbeitet. Antworten auf existenzielle Frage suchte er in verschiedenen asiatischen Ländern und deren spirituellen Wurzeln, so auch im Taoismus. Er transformierte dieses Wissen in die westliche Medizin und spezialisierte sich unter anderem auf Hypnose und Meditation.
Heute nützen ihm diese Erfahrungen beim Projekt Solar Impulse. Autohypnose und das Meditieren helfen den Piloten, mit wenig Schlaf auszukommen und sich über die lange Zeit des Flugs besser zu konzentrieren. In einem speziell für die Solar Impulse entwickelten Flugsimulator durchleben sie außerdem immer wieder neue Flugsituationen. Dabei testen verschiedene Mediziner auch die Reaktionen der Piloten und erfassen dabei unterschiedliche Messdaten zu den körperlichen und psychischen Reaktionen der beiden Piloten. „Die Piloten bleiben der kritischste Punkt auf der Mission“, weiß Borschberg. Aber auch für das gesamte Team und die Partner und Zulieferer ist das Projekt alles andere als Routine. „Diese neuesten Technologien sind ganz speziell für das Flugzeug entwickelt“, sagt Richard Nothcot, Leiter Kommunikation bei Bayer Material Science, das die Hülle des Flugzeugs gestaltete. Er ergänzt: „In den nächsten Jahren werden wir diese Technologien beispielsweise in der Automobilindustrie anwenden und bei Kühlschränken, durch die Spitzenleistungen, die uns bei der Konstruktion der Solar Impulse abverlangt werden.“
Nun muss sich zeigen, ob all die neuen Technologien in der Solar Impulse 2 auch wirklich so funktionieren, wie es sich alle vorgestellt haben. Wie schon der Vorgänger Solar Impulse HB-SIA gezeigt hat, kann es immer wieder zu nicht vorhersehbaren Rückschlägen kommen. „Wenn alles gut geht mit den technischen Tests, werden André und ich im Juni oder Juli bereit sein zu fliegen“, sagt Piccard. Zunächst müssen beide ein technisches Training absolvieren, um alle Systeme ihrer neuen Solar Impulse richtig kennen zu lernen.
Technische Daten
Solar Impulse 2
- Energiedichte der Batterien: 260 Wh/kg
- Gewicht des Flugzeugs: 2,3 Tonnen
- Spannweite der Flügel: 72 Meter
- Stärke der Solarzellen: 135 Mikrometer
- Anzahl der Solarzellen: 17.248 Stück
- Größe des Cockpits: 3,8 Kubikmeter
Bertrand Piccard
Spross einer Forscherfamilie
In seiner Kindheit und Jugend hatte Piccard Angst, auf Bäume zu klettern. Diese Höhenangst hat er sich mit dem Drachenfliegen wegtrainiert. Seinen Patienten hat der studierte Psychiater eher Hypnose empfohlen. Es reiche, sich die Dinge vorzustellen. Während seiner Ballonumrundung habe ihm das gegen seine Ängste immer wieder geholfen. Bertrand Piccard stammt aus einer Entdeckerfamilie. Sein Vater Jacques Piccard tauchte im Mariannengraben 10.916 Meter tief herab, um zu sehen, ob es dort unten Leben gibt. Er hat sogar Fische gefunden. Damals wollten die Industrieländer radioaktive Abfälle dort unten entsorgen. Das haben sie daraufhin gelassen. Sein Großvater Auguste Piccard stieg als Erster mit einem Ballon 16.940 Meter hoch in die Stratosphäre. Sein Großvater schrieb übrigens bereits 1943, die Solarenergie solle schnellstmöglich das Öl ersetzen. Dieser Satz hat sich dem Enkel eingeprägt.
Schon im Alter von 16 Jahren flog Piccard Ultraleichtflugzeuge und Flugdrachen. Er war Europäischer Meister im Kunstflug und überquerte als Erster die Alpen im Ultraleichtflugzeug. Genauso wie das Fliegen hat ihn aber immer auch das Verhalten von Menschen interessiert. Warum sie scheitern oder erfolgreich sind beispielsweise. Deshalb sei er Psychiater geworden, sagt er. Im März 1999 startete er zusammen mit dem britischen Ingenieur Brian Jones zu einem 45.755 Kilometer langen Ballonflug. In 19 Tagen, 21 Stunden und 47 Minuten schaffte er die erste Weltumrundung ohne Zwischenlandung und stellte dabei insgesamt sieben Weltrekorde auf.
Bei der Solar Impulse geht es ihm nicht in erster Linie um Rekorde. „Das Abenteuer des 21. Jahrhunderts ist es, die menschliche Kreativität und den Pioniergeist einzusetzen, um die Lebensqualität heutiger und künftiger Generationen zu bewahren.“
Bertrand Piccard hat als Kind erlebt, wie mühsam die Finanzierung der Forschungsprojekte seines Großvaters und Vaters war. Da wurde das Haus verpfändet und das Auto verkauft, um die Forschungsvorhaben zu realisieren. Das wollte er anders machen. Auch wenn ihm nach eigenem Bekunden als Abenteurer das Geldeinwerben immer noch nicht leichtfällt: Es geht ihm hier so wie bei der Höhenangst. Er hat sich dem gestellt und macht heute meisterhafte PR.
bertrandpiccard.com
André Borschberg
Leben am seidenen Faden
Vor Jahren streifte der heute 62-Jährige mit seinem Deltasegler ein Kabel, stürzte ab. Er blieb unverletzt. 2001 wurde er auf einer Skitour von einer Lawine verschüttet und blieb rund 15 Minuten unter dem Schnee begraben, bevor ihn Freunde befreiten. Im vergangenen Dezember stürzte er während eines Übungsfluges in den Walliser Alpen mit einem Helikopter ab und überlebte nahezu unverletzt. Trotzdem ist Borschberg kein Abenteurer.
Mit 17 erwarb er seinen ersten Flugschein, später wurde er Kampfpilot bei der Schweizer Luftwaffe. Heute hat er die Berufslizenzen als Flugzeug- und Helikopterpilot. Schon während seiner Zeit als Kampfpilot studierte er an der École Polytechnique Fédérale in Lausanne (EPFL) Mechanik und Thermodynamik und schloss das Studium als Ingenieur ab. Anschließend erwarb er einen Master am Massachusetts Institute of Technology in Boston.
Mit 40 Jahren wurde er, wie bei Militärpiloten in der Schweiz üblich, pensioniert. Er heuerte bei McKinsey als Berater an, um sich später im Finanzbereich selbstständig zu machen. Doch dann traf er Piccard. Gemeinsam gründeten sie die Solar Impulse AG. Der Visionär Piccard wurde Präsident, der Macher Borschberg Geschäftsführer. Als im Juli 2012 der Flügelholm der ersten Solar Impulse brach, hat das die Entwicklung ein Jahr zurückgeworfen und rund zehn Millionen Euro gekostet. Schnell fing sich Borschberg und entwickelte mit seiner Crew den Plan, die Vereinigten Staaten von San Francisco nach New York zu überqueren und so die Werbetrommel zu rühren. Damit stopften sie das Millionenloch und wurden noch bekannter. Aber es blieb angespannt. „Wir hatten nur ein Zeitfenster von sechs Monaten, um das Geld für Solare Impulse 2 zu organisieren“, erinnert sich Borschberg. „Und jede Verzögerung hätte das Projekt gestoppt.“
Wie Piccard praktiziert Borschberg seit vielen Jahren Yoga und Meditation. Dies nutzt er bei den langen Flügen, um sich wachzuhalten und gegen Stress gewappnet zu sein.
Bayer Material Science
http://www.materialscience.bayer.de/
Für Pilot und Batterien
Der Werkstoffhersteller ist unter anderem für die komplette Gestaltung der Cockpithülle verantwortlich gewesen. „Eine große Herausforderung war, das Cockpit so zu dämmen, dass der Pilot die extremen Temperaturen aushalten kann“, sagt Bernd Rothe, Projektleiter für Solar Impulse bei Bayer Material Science. „Innen kann es nämlich nachts eiskalt werden, bis zu minus 20 Grad Celsius. Außen sind sogar minus 40 Grad möglich! Und am Tag der totale Gegensatz, höllische Hitze von bis zu 40 Grad plus.“ Die Lösung lautet Polyurethan-Hartschaum – ein Dämmstoff, dessen Komponenten Bayer Material Science entwickelt und produziert. „Für die Cockpit-Türe stellen wir unsere jüngste Weiterentwicklung bereit – Baytherm Microcell“, berichtet Rothe.
Das Cockpit enthält aber noch andere Hightech-Materialien. „Wir stoßen zu neuen Grenzen vor, um Produkte zu entwickeln“, betont Richard Northcote, Leiter Kommunikation und Nachhaltigkeit bei Bayer Material Science. Das Unternehmen lieferte für den Flieger außerdem einen Verbundwerkstoff aus Polyurethan und Karbonfasern für den Türverschluss sowie dünne Platten aus dem transparenten Hochleistungskunststoff Polycarbonat für das Fenster. Außerhalb des Cockpits wird Polyurethan-Hartschaum zur Dämmung der Batterien genutzt. Hinzu kommen Rohstoffe für die silberne Beschichtung, mit der weite Teile des Flugzeugs überzogen sind, und für Klebstoffe zur Fixierung der Textilgewebe unter den Flügeln. Diese Lösungen sind aber nicht nur für Solar Impulse von Nutzen. „Die selben Produkte gehen später in die Automobilindustrie oder den Markt für Kühlgeräte“, sagt Northcote – das Sonnenflugzeug als fliegendes Labor.
Sunpower
Um die Erde zu Luft und Wasser
Bereits beim Vorgänger verwendeten die Flugzeugbauer Zellen von Sunpower. Auch jetzt wieder setzten sie auf die Hochleistungszellen des US-Herstellers. „Sunpower unterstützt Solar Impulse und unser revolutionäres Flugzeugkonzept mit optimalen Lösungen, die leistungsstark und leicht sind“, erläutert André Borschberg. „Sunpower ist ein Wegbereiter der gesamten Branche und repräsentiert genau den Typ von Partner, mit dem wir zusammenarbeiten möchten, um unsere Botschaft zur Förderung erneuerbarer Energien in die Welt zu tragen“, ergänzt Bertrand Piccard.
Sunpower war bereits in die Energieversorgung einer Reihe von einzigartigen Solarprojekten mit eingebunden. Hondas Solarrennwagen mit Sunpower-Zellen siegte bei der World Solar Challenge von Darwin nach Adelaide in Australien. Das Auto gelangte mit einem vollen Tag Vorsprung vor dem Zweitplatzierten ins Ziel. Sunpower arbeitete zudem zusammen mit der Nasa an der Entwicklung des unbemannten Helios-Solarflugzeugs, das bis zu einer Rekordhöhe von 29 Kilometern aufstieg und ebenfalls mit Sunpower-Zellen betrieben wurde. Außerdem tat sich Sunpower mit Planet Solar zusammen, um den größten Solar-Katamaran der Welt anzutreiben, der die Erde auf dem Wasserweg umrundet hat.
Gewinn für beide Seiten
Als Larry Page im vergangenen Jahr dem Solar-Impulse-Team am Moffett-Flugplatz in Kalifornien einen Besuch abstattete, war seine Begeisterung für das Projekt zu spüren. Page ist Gründer, CEO und CMO bei Google. „Wir haben begonnen, uns alle möglichen Dinge vorzustellen, die wir gemeinsam unternehmen könnten“, erzählt Piccard. „Wir hatten während unserer Across America Mission bereits eine Menge gemeinsam gemacht.“ Den Plattformen von Google hatte Solar Impulse gerade bei der US-Überquerung eine Menge Öffentlichkeit zu verdanken. „Viele von ihnen haben den Google Hangout verfolgt, der während der letzten Etappe von Washington D.C. nach New York City mit James Cameron, Erik Lindbergh und Elew als Live-Stream übertragen wurde“, erzählt Piccard weiter. „Es ist keine Überraschung, dass so viele Menschen uns bei diesem Flug begleitet haben, da Solar Impulse auf der Homepage von Google erschienen ist, ein beispielloses Angebot.“
Jetzt ist Google der offizielle Internet-Technologiepartner. „Wir lieben Innovationen, wir lieben Technologie, und wir haben eine Passion für unmöglich scheinende Projekte“, erklärt Patrick Warnking, Director Google Schweiz. „Und das ist eines dieser Projekte.“ Anwendungen wie Google Earth, Google Glass, Google Hangout, Google Plus und Youtube sollen jeden Schritt bei der Weltumrundung 2015 öffentlich machen. „Es ist auch in finanzieller Hinsicht ein wichtiger Meilenstein für unser Programm“, erläutert Piccard. „Es schlägt ein neues Kapitel auf und zeugt von dem Interesse, das Solar Impulse weltweit geweckt hat, da nun ein großes US-amerikanisches Unternehmen zu unseren bestehenden Schweizer und europäischen Partnern hinzugestoßen ist.“
Weltumrundung
Mensch und Maschine am Limit
- Piloten: Bertrand Piccard und André Borschberg
- Distanz: 35.000 Kilometer
- Dauer: rund 500 Stunden Flugzeit Alleinflüge
- Zeitraum: März bis August 2015
- Etappen: zehn, davon zwei mindestens fünf Tage und Nächte lang
- Nonstop: fünf bis sechs Tage und Nächte Alleinflüge
- Temperaturen: minus 40 bis plus 40 Grad Celsius
- 60 Einsatzkräfte am Boden