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Skurrile Zwerge

Die wärmer werdenden Sonnenstrahlen locken. Draußen vor den Cafés stehen langsam wieder Stühle und Tische. Da können die Gäste nicht nur das Licht genießen, sondern auch das wieder erwachte Leben auf der Straße. In Hamburg, Berlin, Stuttgart und anderen Städten sind außerdem wieder fahrende Schlangen unterwegs, Gruppen von Touristen, die sich aufrecht stehend auf seltsamen fahrbaren Untersätzen bewegen, den Segways. Eigentlich wurden die sogenannten Personal Transporter nicht als Spaß-Elektromobile entwickelt. Sie sind angetreten, um den Individualverkehr im Nahbereich zu revolutionieren, sollten zu jedem urbanen Haushalt gehören wie in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts ein Personal Computer.

Die Entwicklung und der Aufbau der Fertigung für die Segways haben über 100 Millionen US-Dollar gekostet. Geldgeber waren keine geringeren als zum Beispiel der legendäre früherer Apple-Chef Steve Jobs und Amazon-Chef Jeff Bezos. Der große Durchbruch für die Segways ist allerdings bis heute ausgeblieben, obwohl das Konzept wirklich revolutionär ist. Der Fahrer steht zwischen zwei nebeneinander angeordneten Rädern auf einer Plattform und kann sich an einer Lenkstange festhalten. Der Segway balanciert sich selbst: Sobald die Neigungssensoren registrieren, dass sich der Fahrer nach vorne oder hinten lehnt, drehen die Räder in diese Richtung.

Wie der aufrechte Gang

Ein elektronischer Regelkreis lässt das Gefährt dann in die Richtung fahren, in die sich der Fahrer neigt, und sorgt so für Gleichgewicht. Jedes Rad wird per Einzelradantrieb von einem separaten Elektromotor angetrieben. Unterschiedliche Drehzahlen der Räder ermöglichen eine Kurvenfahrt. Steuern lässt sich das smarte Zweirad in den Kurven, indem sich der Fahrer mit der Lenkstange in der Hand nach links oder rechts neigt. Das jeweilige Rad dreht sich dann langsamer und der Zweiroller biegt in die Kurve.

Es gibt keine zusätzlichen Schalter oder Hebel zum Beschleunigen und Bremsen. Diese Art der Fortbewegung ist dem aufrechten Gang des Menschen entlehnt. Sein Schwerpunkt beim Stehen und Laufen befindet sich immer über den Füßen. Und genau wie der Mensch hält sich der Segway auch bei Langsamfahrt oder im Stillstand stabil. Das unterscheidet ihn von anderen Zweirädern. Der Personal Transporter fährt nie über 20 Kilometer pro Stunde, auch nicht bergab. Um die Geschwindigkeit zu drosseln, schieben sich die Räder vor den Fahrer, der dann von der Lenkstange zurück gedrückt wird.

Hybrid auf drei Rädern

Der Segway ist nicht das einzige E-Mobil mit einem neuen Konzept der Fortbewegung in Nahbereich. Auf drei Rädern kommt das Trikke daher. Anders als übliche Dreiräder legt sich das Trikke ebenfalls in die Kurven und verhindert so das sonst drohende Über-die-Räder-Kippen. Und genau wie der Segway hat das Trikke schon eine längere Entwicklung hinter sich. Es wurde bereits vor 25 Jahren erfunden, damals aber ohne Elektromotor. Das Trikke war zunächst nur ein Fitnessroller, bei dem der Fahrer sich von Seite zu Seite schwingen musste und das Trikke dadurch antrieb. Aus jeder Verlagerung des Körper- und Fahrzeugschwerpunktes nach innen resultiert eine Geschwindigkeitszunahme. Mit etwas Übung sind auch leichte Steigungen mit so einem Fitness-Trikke fahrbar. Allerdings braucht das Dreirad dafür viel Platz, am besten auf einem zwei Meter breiten Asphaltweg für sich allein.

Anders das weiter entwickelte Trikke Electric. Der integrierte Elektromotor beschleunigt das E-Trikke zügig auf bis zu 25 Kilometer pro Stunde. Die Reichweite bei reinem Elektrobetrieb beträgt bis zu 45 Kilometer mit einer Batterieladung. Das Trikke Electric ist übrigens ein Hybrid, aber in einem anderen Sinn als bei den Elektroautos. Es kann wie die Fitness-Version auch allein durch eigenen Körpereinsatz fortbewegt werden oder damit die Motorkraft unterstützen, für höhere Geschwindigkeit und Reichweite. Die Akkuladedauer beträgt drei bis sechs Stunden. Aufladen lässt sich der Akku über ein kleines, transportables Ladegerät, nicht größer als ein Laptop-Netzteil. Der Akku ist abnehmbar und über das Zündschloss diebstahlgesichert. Der besondere Clou: Das Trikke kann zusammengeklappt werden und darf, anders als der Segway, auch in Bussen und Bahnen transportiert werden.

Die Bikeboards aus der Schweiz sind ebenfalls elektrische Dreiräder und legen sich wie das Trikke durch Gewichtsverlagerung in die Kurven. Allerdings stehen bei den Schweizern beide Beine auf einer Plattform, dabei gibt das große Vorderrad zusätzliche Stabilität selbst auf unebenen Böden. Die Fahrzeuge sind modular aufgebaut, basierend auf einem Aluminiumrahmen mit einer Zuladung bis 150 Kilogramm, der zusammengefaltet werden kann und dann nur noch die Maße 67 mal 63 mal 75 Zentimeter hat. Kombiniert mit einem reichhaltigen Sortiment an Zubehör ist das Einsatzspektrum breit.

Schnee war gestern

Der bürstenlose Getriebe-Nabenmotor befindet sich unauffällig im Vorderrad. Die Lithium-Ionen-Akkus sind mit einem verschließbaren Schnellwechselsystem in die Außenlinie des E-Bikeboards integriert. Über einen „Gasgriff“ wird die Beschleunigung geregelt, eine Tempomatfunktion sorgt für konstantes Fahren auf langen Strecken. Für Straßenfahrten mit EU-Betriebserlaubnis gibt es Licht vorne und hinten, dazu Bremslicht, Tacho, Hupe und Rückspiegel sowie eine Kennzeichenhalterung. Die Vielfalt des optionalen Zubehörs ist erstaunlich und damit auch die Einsatzmöglichkeiten.

Ausgangspunkt der Entwicklung war das „Bikeboard Schnee“ für gelenkschonenden Carvingspaß auf den Skipisten. Damit es nicht nur zu einer Jahreszeit die Pisten unsicher machen konnte, wurde daraus das „4Seasons“, ein Modulfahrzeug für Spaß zu allen Jahreszeiten. Um den Einsatzzweck zu vervollkommnen, haben die Ingenieure den elektrischen Antrieb entwickelt. Fertig war das E-Bikeboard. In der aktuellen vierten Generation ist der Elektroscooter TÜV-getestet und für den öffentlichen Straßenverkehr in der EU zugelassen.

Skurriles Hightech-Gefährt

E-Bikeboards können für Citytouren eingesetzt werden wie die Segways. Außerdem sind sie gedacht für den täglichen Weg zur Arbeit, für Spaßfahrten. Weil simpel und sicher zu nutzen, gehören aber auch Senioren zur Zielgruppe. Darüber hinaus sind sie geeignet für den Einsatz in Werkshallen oder zur Gebäudeüberwachung, für Werbe- und Promotionzwecke, für Camper, Golfer und Segler, für die Bring- und Lieferdienste von Restaurants und Apotheken, für Citykuriere und als mobiler Begleiter zusammengefaltet auf dem Beifahrersitz oder im Kofferraum von Fahrzeugen. Für diese vielfältigen Einsatzmöglichkeiten spricht die breite Palette an Zubehör.

Nicht drei, sondern ein großes und ein winziges Stützrad, dazu ein federleichter Carbon-Rahmen, fertig ist das Yikebike. Ganze elf Kilogramm wiegt das Gefährt und ist damit gerade so schwer wie ein Rennrad. Das Yikebike lässt sich mit etwas Übung innerhalb von 15 Sekunden auf 60 Zentimeter Höhe und 60 Zentimeter Breite bei 15 Zentimetern Tiefe zusammenfalten. Dafür kommt der Fahrer damit aber auch nur acht Kilometer weit, dann muss das Yikebike wieder an die Steckdose. In 20 Minuten ist es zu 80 Prozent aufgeladen.

Auffällig ist das skurrile Hightech-Gefährt allemal. Es wirkt so, als ob der Fahrer auf dem Lenkrad sitzt. Dabei umarmt der Lenker scheinbar den Fahrradsattel. Yikebikes sind schwieriger zu fahren als die anderen Personal Transporter. Wer auffallen will, muss schon ein bisschen was tun dafür. Unauffällig sind aber auch die anderen Gefährte keineswegs. Ob sie sich wirklich als die ultimative Alternative für den urbanen Nahverkehr eignen, darf indes bezweifelt werden. Auffallend viele der originellen und ökologischen Fortbewegungsideen kommen aus dem sonnigen Kalifornien.

Erwartungen enttäuscht

Bei Regen und Schnee in Deutschland werden sie sich selbst im Nahverkehr wohl kaum als Vollersatz für (E-)Autos etablieren. Das zeigt zum Beispiel die Entwicklung der Absatzzahlen beim Segway. Am Anfang waren die Erwartungen der Konstrukteure und Geldgeber riesengroß. Mehr als 8.600 Euro kostet der Segway in Deutschland, so viel wie ein Kleinwagen. Für einen Massenmarkt sind solche Preise zu hoch. Die meisten anderen persönlichen Elektrotransporter sind zwar billiger – aber immer noch keine Schnäppchen. Dazu kommen die meist jahrelangen Querelen um eine Zulassung für deutsche Straßen. So haben vor allem Eventveranstalter mit Sondergenehmigungen und Werbeagenturen die hippen Gefährte für sich entdeckt. Deshalb werden auf absehbare Zeit wohl auch weiter eher Schlangen von Touristen auf den Straßen daherkommen als individuelle Fahrer, die privat einen Personal Transporter besitzen.

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