Sie setzen nicht nur gewerbliche Mieterstromprojekte um, sondern haben auch eine Software dafür entwickelt. Was macht diese?
Frederik Pfisterer: Unsere Software-as-a-Service-Plattform nimmt die viertelstündlichen Werte der registrierenden Leistungsmessung – RLM-Messung –, die im Gewerbe üblicherweise durchgeführt wird, und trennt diese nach unterschiedlichen Quellen wie Stromnetz und Photovoltaikanlage auf. Dadurch können wir unterschiedliche Preise für den Solar- und den Netzstrom abrechnen. Die Abrechnung macht das System dann automatisch. Der Gewerbemieter sieht dann genau, welchen Strom er in welchem Zeitraum verbraucht hat und wie viel der Strom aus dem Netz und wie viel der Strom aus der Solaranlage kostet. Entsprechend kann er seinen Verbrauch anpassen.
Passiert das wirklich?
Ja. Wir sehen beispielsweise, dass Kühlgeräte dann angeschaltet werden, wenn viel Solarstrom verfügbar ist. Kühlräume werden beispielsweise tagsüber weiter heruntergekühlt, um in der Nacht weniger Netzstrom zu verbrauchen.
Im Gewerbe schaut man eher auf die Stromkosten und bekommt vor allem bei Großabnehmern niedrigere Preise. Kann der Mieterstrom da mithalten?
Natürlich müssen wir mit unserem Solarstrom den Preis für den Netzstrom schlagen. Da schauen die Gewerbemieter genau hin. Doch in der Regel ist das kein Problem – allein aufgrund der Netzentgelte plus der Beschaffungskosten für den Versorger, die bei PV-Strom in der Kundenanlage nicht
anfallen.
Auch der Druck von den Mietern und vom Kapitalmarkt auf die Immobilienbesitzer steigt. Denn viele Gewerbemieter haben sich Nachhaltigkeitsziele gesetzt und erreichen diese nur mit vor Ort produziertem Solarstrom.
Im Wohnsegment ist Mieterstrom dann wirtschaftlich, wenn möglichst viele im Gebäude am Projekt teilnehmen. Ist das im Gewerbe auch so?
Hier ist es einfacher. Wir realisieren Photovoltaikanlagen ab 100 Kilowatt. Die durchschnittliche Projektgröße, die wir derzeit realisieren, beträgt 160 Kilowatt. Dann funktioniert das Mieterstromprojekt schon mit einem oder zwei großen Mietern, die den Strom abnehmen. Denn in der Regel haben die Gewerbemieter einen höheren Stromverbrauch als ein Privathaushalt. Zudem passen im Gewerbe der Stromverbrauch und die Erzeugung durch die Solaranlage im Tagesverlauf besser zusammen. Damit können höhere Solarstrommengen auch ohne Speicher direkt vor Ort verbraucht werden, was das Projekt wirtschaftlicher macht. Der Rest wird über einen Direktvermarkter am Strommarkt verkauft.
Wie entwickelt sich die Nachfrage nach gewerblichen Mieterstromprojekten?
Bestens. Wir haben jede Menge Anfragen. Das liegt nicht nur an den steigenden Energiekosten. Auch der Druck von den Mietern und vom Kapitalmarkt auf die Immobilienbesitzer steigt. Denn viele Gewerbemieter haben sich Nachhaltigkeitsziele gesetzt und erreichen diese nur mit vor Ort produziertem Solarstrom. Außerdem müssen alle großen Immobilienportfolios die ESG-Anlagenkriterien am Kapitalmarkt erfüllen. Sie müssen sich also an Umwelt- und Sozialkriterien halten, sonst wird es schwierig mit der Finanzierung oder die Finanzierung wird sehr teuer.
Sicherlich gibt es auch Hürden. Welche Vorschriften behindern Sie?
Gerade bei großen Gewerbeimmobilien, in denen Filialisten großer Handelskonzerne die Mieter sind, ist es schwierig mit dem Mieterstrom. Denn die Filialisten beziehen ihren Strom über Rahmenverträge, die die Mutterkonzerne abschließen. Mieterstrom funktioniert derzeit meistens nur mit Vollversorgung. Wenn diese Filialisten an der Nutzung des Solarstroms vom Dach interessiert sind, müsste man bilanziell ermittelte Netzbezüge zulassen. Die Netzbetreiber sträuben sich allerdings dagegen. Deshalb wäre es toll, wenn bei Messkonzepten mit RLM-Zählern auch errechnete Netzbezüge beziehungsweise Marktlokationen generell zulässig wären.
Und wie kann der Mieterstrom bei kleineren Gewerbeimmobilien einfacher werden?
Hier geht es auch vor allem um die Messstellen. Die Solaranlage auf das Dach zu bauen ist in der Regel keine Schwierigkeit. Die Schwierigkeiten sind eher im Keller zu finden. Der notwendige Umbau des Messbetriebs in den Schaltschränken sowie ein neuer Netz- und Anlagenschutz kosten viel Geld. Das kann man nur mit einer möglichst großen Solaranlage refinanzieren. Die Herausforderung ist zudem, dass wir jemanden finden, der das alles überhaupt bauen kann. Die Messstellenbetreiber sind stark ausgebucht, auch beim Schaltschrankbau haben wir derzeit Vorlaufzeiten von vier bis acht Monaten.•
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Polarstern
Mieterstrom und Contracting fürs Gewerbe entwickelt
Der Münchner Ökoenergieversorger Polarstern hat in den vergangenen Jahren umfangreiche Erfahrungen mit Mieterstrom gesammelt. Nicht nur Wohnimmobilien hat das Unternehmen mit Solaranlagen ausgestattet und versorgt dort die Bewohner der jeweiligen Gebäude mit Sonnenstrom. Auch die ersten Gewerbeprojekte wie etwa im Falle des Berliner Olympiastadions hat Polarstern im Rahmen eines Mieterstromangebots umgesetzt.
Jetzt hat Polarstern ein umfangreiches Angebot für Gewerbetreibende geschaffen, mit dem diese ohne eigene Investition von den Vorteilen des preiswerten Solarstroms vom eigenen Dach profitieren können. Die Modelle reichen von Lösungen zur Energieversorgung von Gebäuden, von Ladestationen für Elektroauto-Flotten bis zur Versorgung von Mietparteien in Bürokomplexen. Polarstern realisiert die Anlagen als Komplettpaket inklusive Betriebsführung und Stromvertrieb. Das Münchner Unternehmen übernimmt dabei als Contractor sämtliche Leistungen wie Planung, Montage, Betrieb und Finanzierung der Photovoltaikanlage sowie die Vermarktung der erzeugten Energie. Dadurch reduzieren die Firmen ihren Aufwand der Sonnenstromerzeugung auf ein Minimum und maximieren umgekehrt ihre Kostenvorteile, beschreibt Florian Henle, Geschäftsführer von Polarstern, den Ansatz.
Polarstern reagiert mit dem Angebot auf eine steigende Nachfrage seitens der Unternehmen und Veranstalter. Diese wollen angesichts steigender Netzstrompreise und wachsender Nachhaltigkeitsbestrebungen immer mehr auf die eigene Stromerzeugung setzen.
l https://www.polarstern-energie.de