Seit zehn Jahren beschäftigt sich Paul Langmann mit der Planung und Installation von Photovoltaikanlagen in seiner Region. Der Planer aus dem kleinen Örtchen Neuzeug in der Steiermark hat in diesen Jahren viel Erfahrung gesammelt, wie die Anlagen richtig auszulegen sind, um das Maximum an Eigenverbrauch zu erreichen. Doch vor fast zwei Jahren hat er seine Erfahrungen selbst genutzt. Er hat aus seinem eigenen Haus ein echtes Innovationsobjekt gemacht.
Die Bewohner können hautnah erleben, was Sektorkopplung bedeutet. „Ich habe ein Gebäude gesucht, in dem ich die Produkte zu einem Gesamtsystem zusammenfasse, die ich verkaufe und verplane“, sagt Paul Langmann.
Das hat er getan. Grundlage war ein Gebäude, das Anfang der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gebaut wurde. „Aus dieser Zeit stammt die gesamte Bauhülle, die so weit wie möglich auf den aktuellen Stand der Technik gebracht wurde“, sagt Langmann. Das heißt, die Bodenplatte und die Isolierung nach unten sind noch auf dem ursprünglichen Stand. Die Fassadenisolierung und das Dach wurden aber dem neuesten Stand der Technik angepasst, sodass das Gebäude die aktuellen Vorgaben erfüllt.
Acht Wohnungen ausgestattet
Doch schon die Dacheindeckung ist alles andere als gewöhnlich. Da ohnehin die Sanierung anstand, hat Paul Langmann Nägel mit Köpfen gemacht und gleich die Dacheindeckung mittels einer Indachanlage energetisch aktiviert.
Paneele mit einer Gesamtleistung von 20 Kilowatt bilden jetzt die äußere Dachhaut als wasserführende Schicht. Noch mehr Innovation zeigt Langmann mit seiner zusätzlichen Fassadenanlage. Immerhin zehn Kilowatt Leistung hat er an der unverschatteten Südfassade des Gebäudes installiert.
Fassadenanlage passt zum Verbrauch
Gerade diese Solarfassade ist für den Erfolg des Projektes nicht unerheblich, wie die Ertrags- und Verbrauchsdaten nach einem Jahr gezeigt haben. Denn sie produziert besonders viel Strom, wenn die Sonne tief steht, also im Winter. Dann ist wiederum die Heizlast am höchsten – ein regelrecht perfektes Zusammenspiel. Denn die eigentliche Idee ist nicht, den Strom direkt an die Mieter zu verkaufen.
Schließlich wurde das gesamte System vor der Ökostromnovelle errichtet. Damals war es in Österreich noch nicht erlaubt, Strom direkt an die Verbraucher im Gebäude zu liefern. Über den Umweg der Wärme ging das. Während andere Konzepte auf die zentrale Wärmeproduktion in einem Heizungskeller setzen, geht Paul Langmann einen neuen und wie sich inzwischen herausstellt auch einen sehr erfolgreichen Weg.
Denn er setzt auf die dezentrale Erzeugung und Speicherung von Wärme – sowohl für die Heizung als auch zum Duschen und Kochen. Dazu hat er in jeder der acht Wohnungen und auch in der Gewerbeeinheit jeweils einen Wärmespeicher installiert. Dieser wird von jeweils einem Heizstab von My PV gefüttert. Die neun Heizgeräte versorgen die Wohnungen und das Büro aber nur mit Warmwasser. Die Raumheizung übernehmen Infrarotpaneele. Alle Heizgeräte werden primär von den beiden Solaranlagen mit Strom versorgt.
Raumheizung mit höchster Priorität
Dadurch gibt es im Gebäude abgesehen von der Kaltwasserversorgung und für das Abwasser keinerlei Rohre mehr. Die komplette Raumheizung wird nur noch über Kabel mit Energie versorgt. Dadurch sinken die Investitionskosten bei der Sanierung des Altbaus erheblich. Denn es müssen keine Rohre mehr mühevoll durch sämtliche Räume im Gebäude gezogen werden.
Das ganze Projekt ist etwas atypisch aufgebaut, was daran liegt, dass das Gebäude ein Mehrfamilienhaus ist und die Mieter primär vor allem sicher mit Wärme versorgt sein müssen. Deshalb haben die Infrarotpaneele die oberste Priorität, wenn es um die Nutzung des Solarstroms geht. Erst wenn diese versorgt sind, werden die Warmwasserbereiter bedient. Ist dann immer noch Solarstrom übrig, fließt dieser in eine große Salzwasserbatterie im Keller.
Diese fasst immerhin 26 Kilowattstunden und liefert dann Strom, wenn der Ertrag aus den Solaranlagen für die Last im Gebäude nicht ausreicht. Erst wenn auch dieser wieder leer ist, kauft Langmann Strom aus dem Netz hinzu. „So würde man das in einem Einfamilienhaus nicht machen, dort hätte ganz klar der Speicher die oberste Priorität“, erklärt Markus Gundendorfer, Vertriebsleiter von My PV.
Zwei Drittel selbst verbraucht
Er hat zusammen mit Paul Langmann die Ergebnisse aus dem ersten Betriebsjahr auf der letzten Speichertagung von PV Austria vorgestellt. So hat die Fassadenanlage im Zeitraum zwischen Juni 2016 und Mai 2017 7.400 Kilowattstunden Strom produziert. Damit liegt sie gut im Rennen.
Wichtiger ist aber an dieser Stelle ohnehin das Ertragsprofil, das besser zum Wärmebedarf im Gebäude passt. Die Dachanlage lieferte etwa 20.000 Kilowattstunden. Davon wurden etwa 10.000 Kilowattstunden im Gebäude verbraucht.
Den Rest musste Langmann ins Netz einspeisen. „Das liegt daran, dass man keine Endverbraucher im Gebäude direkt mit Strom versorgen kann, sondern über den Umweg der Wärmeversorgung gehen muss“, weiß Markus Gundendorfer. „Andernfalls hätte man den Eigenverbrauchsanteil noch weiter erhöhen können, wenn man das ganze System entsprechend der rechtlichen Bedingungen nach der Ökostromnovelle ausgelegt hätte.“
Zwei Drittel selbst verbraucht
Doch auch so kann sich der Eigenverbrauchsanteil sehen lassen. Denn trotz der fehlenden direkten Stromlieferung an die Hausbewohner wurden immerhin etwa zwei Drittel des Solarstroms im Gebäude verbraucht.
Damit konnte Langmann seine Mieter zu 46 Prozent mit Wärme versorgen, die mit Solarstrom bereitet wurde. Von den im gesamten Gebäude für Warmwasser und Heizung verbrauchten 31.000 Kilowattstunden, musste er etwa 16.000 Kilowattstunden vom Versorger kaufen. Das liegt vor allem daran, dass die Solaranlagen oft zeitversetzt zum Wärmebedarf produzieren.
Insgesamt wurden pro Wohnung und auch in der Gewerbeeinheit etwa 1.700 Kilowattstunden für die Warmwasserbereitung verbraucht. Für die Raumwärme kamen noch einmal durchschnittlich 1.900 Kilowattstunden hinzu.
Wärme ohne Verluste
Dabei mussten die Bewohner keinerlei Abstriche beim Komfort machen. „Wir hatten ein paar Bauchschmerzen im Dezember und im Januar, als es extrem kalt war, ob die Anlagen ausreichend ausgelegt sind“, erinnert sich Paul Langmann. „Immerhin haben wir das gesamte Jahr berechnet und simuliert. Im realen Betrieb haben wir dann festgestellt, dass die Ergebnisse aus der Simulation übertroffen wurden.“
Langmann hat auch seine Mieter befragt, wie zufrieden sie mit der Wärmelieferung sind. Insgesamt hat er ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen.
Sowohl die Warmwasserbereitstellung als auch die Heizung mit den Infrarotpaneelen kam bei den Bewohnern gut an. „Durch die dezentralen Speicher hatten wir im Vergleich zu einem zentralen Speicher zwar höhere Investitionskosten“, sagt Paul Langmann. „Mir war es aber wichtig, im laufenden Betrieb nur geringe Kosten zu haben.“
Das ist gelungen. Denn durch die dezentrale Speicherung hat er die Legionellenproblematik eines Zentralspeichers nicht mehr. Zudem fallen keinerlei Leitungs- und Zirkulationsverluste an.
My PV
Leistungsmanager integriert
My PV realisiert sein erstes Projekt mit dem neuen Leistungsmanager AC Thor. Das Gerät regelt die Heizung komplett eigenständig in Abhängigkeit vom Ertrag der Solaranlage. My PV wird in den kommenden Monaten neun weitere Gebäude mit der neuen Lösung ausstatten, um Praxiserfahrung zu sammeln. Dabei geht es vor allem darum zu erfahren, ob die Bewohner mit dem Komfort zufrieden sind, wie sich der Leistungssteller im täglichen Betrieb bewährt und vor allem wie viel Heizkosten tatsächlich eingespart werden können.