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Schnee von morgen

In den Alpen liegt über die Wintermonate meist meterhoher Schnee. Die Winterolympioniken im russischen Sotschi können davon derzeit nur träumen. Denn die Stadt am Schwarzen Meer verfügt über ein subtropisches Klima.

Doch der Traum der olympischen Skifahrer und Snowboarder ärgert die Besitzer von Solaranlagen. Die Schneedecke verhindert Erträge und kann durchaus zu Schäden an den Anlagen führen. „Die Module erreichen einen Mehrertrag von 16 Prozent, wenn der Schnee schnell entfernt wird“, sagt Sascha Schneeweis. Das hat er beispielhaft für eine Anlage im Bayerischen Wald ausgerechnet. Er ist Geschäftsführer der gleichnamigen Firma Schneeweis aus dem niederbayerischen Mitterfels. „Wir bieten ein vollautomatisches System an.“ Das sei wichtig. Denn wenn es um vier Uhr morgens schneit und der Besitzer um sieben Uhr aufwacht und ein halber Meter auf der Anlage liegt, braucht er das Gerät nicht mehr einzuschalten, sagt Schneeweis. Zudem könne es passieren, dass der Wind den Schnee an manchen Stellen auf der Photovoltaikanlage auftürmt. Trotzdem muss der Räumschieber von oben nach unten synchron herunterfahren.

Das Schneeräumsystem von Schneeweis wurde speziell für die Alpenregionen konzipiert. Snow-Away funktioniert über ein Steuerungssystem von Siemens und ist fest auf dem Dach installiert – ohne dass dabei die Dachhaut beeinträchtigt wird. Wie von Geisterhand durch Sensoren gesteuert, läuft die Reinigungsanlage automatisch an. Ein patentiertes Wenderakel fährt bei Schneefall aus der oben liegenden Parkposition am Dachfirst nach unten. Es schiebt den Schnee über die Dachrinne hinaus herunter. Unten angekommen, klappt das Wenderakel um und fährt wieder in die Ausgangsposition nach oben. Dieser Vorgang dauert je nach Dachgröße bis zu zwei Minuten und kann in voreingestellten Zeitabständen wiederholt werden. Allerdings lässt sich das Wintersystem maximal auf 21 Meter Breite installieren. Der Strombedarf des Motors im Winterbetrieb liegt bei unter einer Kilowattstunde.

Keine drehenden Bürsten

Seit 2006 forscht und testet Schneeweis an seinem System. „Jede Art von drehenden Bürsten haben wir von vornherein verworfen, das kann nicht funktionieren“, meint der Niederbayer. Besonders eine drehende Bürste würde bei Nassschnee leicht verklumpen und dadurch leicht Kratzer verursachen. Denn der Kunde habe den Schieber nicht immer im Blick, wenn er in Aktion ist. Ein Protokollschreiber hält jedoch fest, ob die Maschine wirklich gefahren ist. Auch Fehler lassen sich dadurch leichter im Nachgang analysieren.

„Das Schneeräumsystem ist auch nachträglich montierbar“, erklärt Schneeweis. Die Bürste unter dem Schneeschieber sei dabei ein Zugeständnis an den Kunden. Standardmäßig ist diese nicht eingebaut. Alle zwei bis drei Meter, je nach Dachschenkel, fährt ein Rädchen auf dem Modulrahmen, um den Schieber zu stützen. Der Schneeschieber benötigt ein bestimmtes Eigengewicht, damit er auch bei Schneesturm fährt – zu leicht darf er also nicht sein. Etwa einen Zentimeter über der Glasfläche trägt der fahrende Balken die Schneedecke ab. Eine zusätzliche Bürste könnte den Rest wegstreichen. Schneeweis gibt aber zu bedenken, „dass die dünne Schneedecke beim ersten Sonnenstrahl schmilzt“. Denn das wichtigste Kriterium sei, die Glasschicht des Moduls nicht zu verkratzen.

Bis zu 10.000 Euro für die Installation

Welche Art von Bürste kommt überhaupt in Frage? Sie dürfe weder zu hart noch zu weich sein, erklärt der Reinigungsprofi. Die Bürstenleiste hat Schneeweis auf einer Anlage mit eloxiertem Aluminiumrahmen getestet. Das Material ist viel weicher als Glas und erhält auch schneller Kratzer. Wirklich kritisch ist ein Eisregen am Nachmittag, der mit einem Temperatursturz unter null Grad auf der Anlage gefriert, erklärt Schneeweis. „Da haben wir die Steuerung so programmiert, dass der Schieber bei einem Abfall von mehr als fünf Grad Celsius einmal extra fährt.“ Bei Neuschnee könnte die untere gefrorene Schicht sonst nicht mehr zu lösen sein. „Das Eis können und wollen wir nicht räumen.“

Für rahmenlose Module ist die Reinigungsanlage allerdings zu schwer. Die punktuelle Belastung durch die Rädchen ist nur für Rahmenmodule unproblematisch. Insgesamt hat Schneeweis bereits 18 Anlagen installiert. Er bietet daneben auch ein Gerät zur Sommerreinigung oder die Kombination in einem dualen System. Bei einer 30-Kilowatt-Anlage kostet Snow-Away je nach Dachschräge zwischen 8.000 und 10.000 Euro. „Das ist der Preis, den wir brauchen. Für drei Schneetage im Jahr rechnet sich das nicht“, sagt Schneeweis überspitzt.

Eine 30-Kilowatt-Anlage im Schweizer Davos – ein Standort mit jährlich bis zu 1.600 Sonnenstunden – erwirtschafte nur 1.000 Kilowattstunden im Schnitt. Dieselbe Anlage könne schneefrei im Winter und schmutzfrei im Sommer gut 1.450 Kilowattstunden bringen. Das bedeute einen Mehrertrag von 45 Prozent, rechnet Schneeweis vor.

Solaranlage ist kein Auto

Für wen eine fest installierte Anlage nicht lohnt, der benötigt eine geeignete Fachkraft wie Marcus Brand. Er ist technischer Geschäftsführer der Leipziger Firma B+B Solarreinigung GmbH. Für den Winterdienst hat Brand ein eigenes Verfahren als Patent angemeldet. Er brauchte einen langen Atem; auf die Erteilung musste er fast vier Jahre warten. „Wahnsinn“ sei das, stöhnt Brand.

Zwei Dinge sollte man bei der Schneeentfernung im Auge behalten: Erstens muss der Wetterbericht beachtet werden, damit die Räumung vorausschauend geplant werden kann. Denn spätestens am nächsten Tag muss die Anlage vom Schnee befreit werden, empfiehlt Brand. Zweitens ist die Statik der Dächer oft nur sehr knapp kalkuliert. 20 bis 30 Zentimeter Schnee können das Dach schon an die Grenze der Traglast bringen, wenn es sich um schweren Pappschnee und nicht um Pulverschnee handelt. Die Photovoltaikanlage sei kein Auto, das mit einem Scheibenkratzer befreit werden könne. „Niemals sollte versucht werden, angefrorenes Eis oder Schnee zu entfernen“, sagt auch Brand und fügt hinzu: „Auch warmes Wasser oder Streusalz dürfen nicht verwendet werden.“

Wichtig ist, dass nur Fachbetriebe die Reinigung vornehmen. Denn die Reiniger dürfen nur die vom entsprechenden Modulhersteller vorgegebenen und freigegebenen Reinigungsmittel und Geräte einsetzen. Andernfalls droht die Gewährleistung oder Garantie zu entfallen. Dabei hat jeder Modulhersteller eigene Reinigungsvorgaben. Eine weiche Bürste ist meist schon nicht erlaubt. Die Firma B+B Solarreinigung hat sich deshalb von 32 verschiedenen Herstellern eine Freigabe für die Reinigung geben lassen. Die Sensibilisierung der Kunden für das Problem habe sich im vergangenen halben Jahr extrem verbessert, resümiert Brand. „Immer mehr Projektierer und Investoren sind nun dazu übergegangen, den Winterdienst mit in die technische Betriebsführung und die Kostenkalkulation aufzunehmen“, weiß Brand.

Die Reinigung rentiert sich in den Regionen mit wenigen Schneetagen nur für Freiflächenanlagen. Doch wann lohnt sie genau?

Verlust von 56.000 Euro

Das ist immer auch eine Entscheidung im Einzelfall. Der Gutachter Reinhard Baumgartner hat für Brand eine Kalkulation anhand vorliegender Klima- und Wetterdaten bei einer Standardanlage mit drei Megawatt installierter Leistung am Standort Leipzig erstellt. Er kam auf einen Verlust von rund 56.000 Euro pro Jahr durch Schneefall im Mittel über die zehn Jahre von 2002 bis 2011. Für den Winter 2010 auf 2011 ermittelte sogar einen Verlust von rund 88.000 Euro, weil der Schnee nicht beräumt wurde.

Zur Berechnung: Die Stromproduktion an Schneefalltagen wurde dabei mit durchschnittlich fünf Prozent der Leistung bewertet. Zum Vergleich simulierte der Gutachter die erzeugten Kilowattstunden des Photovoltaiksystems ohne Schneetage.

Gelegentlich werden Anlagen bewusst mit einem Verschattungswinkel von 35 Grad gebaut, die teilweise nur 20 Zentimeter Abstand zum Boden halten. Der enge Abstand erhöht den Ertrag im Sommer, erschwert aber die Räumung. „Solche Anlagen sind kaum oder nur mit erhöhtem Aufwand zu pflegen oder zu reinigen”, kommentiert Baumgartner.

Drohender Garantieverlust

Das Reinigungsunternehmen muss sich vorher die Freigaben besorgen. „Wenn eine Firma einen Auftrag annimmt, ohne dass der Kunde erzählt hat, welche Module er auf dem Dach hat und wie die Anlage konkret aufgebaut ist, dann Vorsicht!”, sagt Baumgartner. Der Dienstleister weiß dann – frei nach James Dean – „nicht, was er tut“. Zudem muss der Reiniger in die Anlage eingewiesen sein. Photovoltaikbesitzer reinigen immer wieder selbst die Anlagen. „Dabei sieht man dann immer wieder haarsträubende Vorgehensweisen.”

Noch ein Hinweis: Auf keinen Fall dürfen schwingende, rotierende Bürsten eingesetzt werden. Das vertragen die Module nicht. Dadurch können häufig starke Verkratzungen und Beschädigungen entstehen, was zu Ertrags- und Garantieverlusten führt. Lieber sollte der Schnee in einem bestimmten Winkel abgeschoben werden. „Zudem muss eine Absturzsicherung entsprechend den Vorgaben der Berufsgenossenschaften berücksichtigt werden. Außerdem sollte bei der Räumung darauf geachtet werden, dass keine Gefährdung von Personen oder Sachen durch die abrutschenden Schneemengen entsteht”, mahnt Baumgartner.

Nicht mit der Schaufel aufs Dach

Das ist nicht zu unterschätzen: „Mit der Schneeschaufel sollte niemand aufs Dach steigen”, sagt Jörg Althaus, Geschäftsfeldleiter für Solarenergie beim TÜV Rheinland. Es werden auch Lösungen angeboten, die den Stromfluss durch die Module umkehren und somit durch Erwärmen der Module die Schneedecke abtauen. Hierbei wäre im Vorfeld mit dem Hersteller zu klären, ob eine solche Rückstrombelastung der Module freigegeben ist, gibt Althaus zu bedenken.

Besonders vor einer Anhäufung von Schnee im unteren Modulbereich warnt der Prüfer. Der Schnee bleibe hängen, friere an und türme sich nach und nach auf. Die ungleiche Belastung könne sogar zum Modulbruch führen (siehe Kasten). „Eine Räumung zur Schadensbegrenzung ist dann auf alle Fälle sinnvoll“, sagt Althaus. Durch eine vom TÜV Rheinland entwickelte Prüfmethode kann die maximale Belastbarkeit für eine sehr ungleiche Schneeverteilung ermittelt werden.

Zellbrüche eher selten

Es empfiehlt sich, Aufwand und Ertrag für eine Räumung bei jeder einzelnen Anlage zu prüfen. „Kein Anlagenbetreiber sollte mit Kanonen auf Spatzen schießen”, sagt Stefan Wippich, Vertriebschef bei Envaris aus Berlin.

Bei normalen Anlagen liege der Ertragsausfall bei Schnee im Schnitt im einstelligen Prozentbereich. Bei zu starkem Schneedruck können Photovoltaikmodule aber auch kaputtgehen. Solaranlagen mit einem Datenlogger haben den Vorteil, dass der Betreiber die einzelnen Strings und die erzeugten Kilowattstunden untereinander vergleichen kann.

Die Überwachung zeigt dann mögliche Verluste an, die durch Mikrorisse oder andere Winterschäden verursacht worden sind, meint Wippich. „Mikrorisse und Zellbrüche durch Schneedruck sind aber relativ selten, in den meisten Fällen bleiben die Module heil.“

Fachgerechte Räumung

Tipps für die Schneeberäumung

  • Module nicht betreten
  • Keine Schwingungen oder Vibrationen verursachen
  • Schnee nur sanft entfernen
  • Niemals versuchen, gefrorenes Eis oder Schnee zu entfernen
  • Niemals heißes oder warmes Wasser verwenden
  • Keine Auftauhilfen verwenden, z.B. Streusalz
  • Keine Hilfsmittel verwenden, die Kratzer verursachen könnten
  • Immer nur mit geeigneten Werkzeugen Schnee entfernen
  • Bei Vergabe an Fachbetrieb immer Freigabe des Modulherstellers vorlegen lassen

http://www.solarreinigung-gbr.de/photovoltaik-solar-reinigung/photovoltaik-solar-reinigung-startseite/

http://www.envaris.de

TÜV Rheinland

Testverfahren simulierte Schäden bei Solarmodulen

Durch aufwendige Versuchsreihen hat der TÜV Rheinland Ende 2012 über rund zwei Jahre ein Testprogramm entwickelt, das eine wichtige Lücke zur Kontrolle von Qualitätsanforderungen bei Solarsystemen schließt: Erstmals sei es nun möglich, die Belastung von Photovoltaiksystemen auf Schrägdächern durch Schnee realitätsnah zu simulieren.

Der Prüfdienstleister bietet Herstellern in seinem Kölner Laborzentrum die Möglichkeit, die Gläser und Rahmen ihrer Module sowie Befestigungssysteme für diese speziellen Belastungen zu testen. „Wir können anhand des neuen Testprogramms nun Module und Systeme verlässlich für unterschiedliche Schneebelastungen qualifizieren – vor allem unter dem Einfluss von Krafteinleitungen in der Schräge“, sagt Jörg Althaus, Geschäftsfeldleiter für Solarenergie bei TÜV Rheinland. Relevant seien diese Ergebnisse nicht nur für die Hersteller selbst, sondern beispielsweise für Anlagen- und Bauwerksplaner sowie Statiker.

Tatsächlich gehört zu hoher Schneedruck zu den wichtigsten Schadenkategorien an Photovoltaikanlagen neben Stürmen sowie Beschädigungen durch Diebstahl, Überspannung, Hagel oder Feuer. Das Problem: Speziell auf Schrägdächern werden die Photovoltaiksysteme durch Schnee nicht gleichmäßig belastet. Vielmehr rutscht der Schnee vielfach an den unteren Modulrahmen und führt dazu, dass hier die Module und Befestigungen extrem belastet werden. Konsequenz: „Es treten vermehrt erhebliche Schäden speziell an Rahmen und Glasflächen der Module auf“, so Althaus. Und das nicht nur in bergigen Regionen, sondern auch im Flachland. Überprüft werden je fünf gleiche Module eines Typs, die dabei bis zur Zerstörung belastet werden. Mögliche Versagensgründe können Bruch des Glases, Verformung des Modulrahmens, Ausreißen der Verbindungen oder Bruch des Rahmens sein.

https://www.tuv.com/germany/de/

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