Kann elektrischer Strom eine bedeutende Rolle in der Energiewende des Wärmesektors spielen?
Bernd Dechert: Ich sehe große Chancen für Strom im Wärmemarkt. Ein großer Vorteil ergibt sich durch die erneuerbaren Energien und Vorschriften wie die Energieeinsparverordnung (EnEV). Die Häuser werden künftig nur noch einen sehr geringen Heizwärmebedarf haben. Dann ergibt sich die Frage, ob sich Heizsysteme mit Öl oder Gas überhaupt von den Kosten her noch rechnen. Der Stromanschluss ist bei jedem Gebäude ohnehin vorhanden. Das ist ein wesentlicher Faktor, um die Kosten für das Gebäude zu reduzieren.
Bisher steht die Stromheizung in üblem Ruf. Schmutzig und verschwenderisch, meinen die Kritiker. Wie sehen Sie das?
Wenn wir regenerativen Strom einsetzen, fällt das alte – und durchaus nicht ganz unberechtigte – Argument weg, dass bei der Erzeugung des Heizstroms hohe Verluste entstehen. Das stimmte für die großen Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen, nicht jedoch für erneuerbaren Strom aus Photovoltaik oder Windkraft. Der ungünstige Primärenergiefaktor und die schlechte Bilanz bei den Emissionen von Kohlendioxid sind nicht mehr das Problem. Deshalb kann Heizstrom in absehbarer Zukunft wieder sehr aktuell werden.
Spielt die elektrische Heizung schon eine Rolle im Wärmemarkt?
Die Technik der Infrarotheizungen ist schon länger bekannt, ebenso die Ölradiatoren oder Heizlüfter mit elektrischen Glühwendeln und Ventilator, wie man sie gelegentlich im Bad einsetzt. Generell steht sie aber noch am Anfang. Allerdings werden einige Vorteile in Zukunft an Bedeutung gewinnen, sodass die elektrische Heiztechnik durchaus wachsen kann.
Welche Vorteile sind das?
Zum Beispiel braucht eine reine Stromheizung kein hydraulisches Wärmeverteilsystem mehr. Die Installationskosten sind viel niedriger als bei wassergeführten Heizsystemen mit ihrer Verrohrung, den Pumpen und Ventilen. Denn der Anschluss erfolgt über die normale Elektroinstallation des Gebäudes. Erzeugt man den Strom zumindest teilweise selbst, etwa durch Photovoltaik, verbessern sich die wirtschaftlichen und die ökologischen Effekte. Auch gemischte Systeme mit Wärmepumpe und hydraulischer Wärmeverteilung gewinnen an Bedeutung.
Die Photovoltaik mit Wärmepumpen zu kombinieren ist mittlerweile Standard, sowohl in der Wärmeversorgung der Räume als auch bei warmem Trinkwasser. Welche Chancen bieten solche Systeme?
Mittlerweile ist es unattraktiv, selbst erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen. Es macht nur noch Sinn, den Sonnenstrom vom Dach selbst im Gebäude zu nutzen oder ihn dann ins Netz einzuspeisen, wenn das Stromnetz es verlangt. Mit der Wärmepumpe lässt sich der gewonnene Strom gut für die Raumwärme oder Warmwasser speichern und nutzen.
Wärme kann man auch mit Solarkollektoren gewinnen, worin liegt der Unterschied?
Die Photovoltaik hat im Jahresverlauf eine längere Laufleistung und höhere Erträge als solarthermische Kollektoren. Überschüsse lassen sich sehr gut zur Wärmebereitung nutzen. Zudem kann man den Solarstrom auch anderweitig verwenden, um elektrische Verbraucher zu versorgen. Das geht mit Solarthermie nicht. Sie bietet die meiste Energie an, wenn ich eigentlich nur Warmwasser brauche. Ich habe selbst eine solarthermische Anlage auf meinem Haus. Im Sommer muss ich vor allem darauf achten, dass die Kollektoren nicht überhitzen. Sonnenstrom kann ich bis in die Übergangszeit hinein nutzen, für den elektrischen Verbrauch im Haus und für Wärme.
Wie unterscheidet sich die Regelbarkeit von elektrischen Heizsystemen gegenüber wassergeführten Systemen?
Die Regelbarkeit und vor allem die Geschwindigkeit der Regelung hängen von der trägen Masse ab, die der Heizkörper oder die Heizfläche erwärmen muss. Mit Strom kommt die Energie viel schneller in die Heizflächen als mit hydraulischen Systemen, in denen Wasser zirkuliert. Allerdings hängt das auch bei elektrischen Heizsystemen stark von den Materialien ab, bei einer Fußbodenheizung beispielsweise vom Aufbau des Bodens über den Heizschleifen.
Im Vergleich zu hydraulischen Pufferspeichern, wassergeführten Strängen mit elektrischen Umwälzpumpen und der Verrohrung in den Räumen dürften die Energieverluste elektrischer Heizungen jedoch viel geringer ausfallen, oder?
Kleine Infrarotheizflächen setzen den Strom nahezu vollständig in Wärme um, das stimmt. Hilfsenergie wie Strom für Umwälzpumpen wird nicht benötigt. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass Infrarotheizungen in einem Raum nicht als punktuelle Wärmequelle wahrgenommen werden. Sie heizen den Raum sehr gleichmäßig auf, das empfindet der Mensch als angenehm.
Welche Nachteile haben elektrische Heizungen?
Ein klarer Nachteil sind die hohen Strompreise. Weil solche Heizsysteme keine Speicher haben, laufen sie faktisch als Direktheizungen. Dann können sich die Betriebskosten in bestimmten Fällen erheblich summieren, auch wenn die Kosten für die Installation sehr gering sind. Den traditionellen Niederstromtarif in der Nacht kann man damit nicht nutzen, weil die Wärme meistens am Tag benötigt wird. Anders sieht es aus, wenn die Heiztechnik mit Speichern kombiniert wird.
Wie die Wärmepumpe mit dem Pufferspeicher?
Genau. Oder man nutzt den thermischen Pufferspeicher beziehungsweise den Warmwasserspeicher, um Photostrom über einen Heizstab einzulagern. Das hat sich vor allem beim Warmwasser bewährt und ist sehr günstig zu realisieren. Eine weitere Variante sind Photovoltaiksysteme mit Stromspeichern. Oder die bekannten Nachtspeicheröfen.
Wurden Nachtspeicheröfen nicht verboten?
Mit der EnEV 2009 wurden solche Geräte verboten, weil sie im Vergleich zu modernen Heizungen hohe Emissionen verursachen. Das gilt aber nur, wenn der Strom aus fossilen Kraftwerken kommt. Wegen des steigenden Anteils erneuerbarer Energien oder mit einem Grünstromtarif gilt das heute nicht mehr, im Gegenteil: Mit Photovoltaik beispielsweise lässt sich so ein Nachtspeicher sehr gut beladen. Deshalb wurde das Heizverbot durch die Novelle des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) im vergangenen Jahr wieder aufgehoben. Die EnEV wurde 2014 ebenfalls neu gefasst.
Was ist mit der Asbestbelastung solcher Speicheröfen?
Das steht auf einem anderen Blatt. Schon im Vorfeld der EnEV galt die Vorschrift, dass mit Asbest belastete Geräte auszutauschen sind. Das hatte mit dem Heizverbot aus dem Jahr 2009 nichts zu tun. Wir gehen davon aus, dass belastete Speicheröfen schon längst ausgetauscht sind, denn dieses Thema ist schon sehr alt. In Kombination mit Photovoltaik sind die Speicheröfen ideal und für viele Gebäude eine gute Möglichkeit, den Sonnenstrom für Raumwärme zu nutzen.
Die Kombination von Photovoltaik, Stromspeichern und elektrischer Heizung ist bislang noch wenig erprobt. Woran liegt das?
Das liegt an den Kosten für die Stromspeicher, die noch sehr hoch sind. Ich gehe davon aus, dass die Speicherpreise aufgrund der Nachfrage auch aus der Elektromobilität weiter sinken werden. Das spielt dem Markterfolg der Systeme natürlich in die Hände, auch wenn solche Lösungen bislang die Ausnahme sind. Wenn man eine derartige Anlagenkonfiguration konsequent zu Ende denkt, muss man die Speicher entsprechend groß bauen. Das hat Konsequenzen für die Auslegung des Solargenerators. Die Frage ist dann zudem, ob Warmwasser ebenfalls elektrisch erzeugt werden soll.
Welche Anforderungen müsste eine solche Komplettversorgung erfüllen?
Wenn man das warme Trinkwasser bevorratet, stellt sich die Sache relativ einfach dar. Wie eingangs erläutert, kann man den Warmwasserspeicher für den Sonnenstrom nutzen. Baut man hingegen elektrische Durchlauferhitzer ein, muss man die Lösung genau durchrechnen. Durchlauferhitzer bieten sich unter anderem in Gebäuden an, in denen wenig Warmwasser gebraucht wird, etwa in Büros. Man braucht das gespeicherte Warmwasser nicht gegen Keime aufzuheizen, kommt also mit geringeren Systemtemperaturen aus. Andererseits erfordern die Durchlauferhitzer kurzzeitig hohe Ströme, die eine Photovoltaikanlage meist nicht bieten kann. Das müsste dann der Speicher übernehmen.
Haben Sie solche Systeme schon gesehen?
Bislang nicht. Uns liegen dazu keine Zahlen vor. Auf alle Fälle braucht man für solche Systeme eine sehr leistungsstarke Batterie. Das ist technisch komplex und derzeit aufgrund der Preise für Stromspeicher noch sehr teuer. Ich denke jedoch: In Zukunft könnte eine solche Lösung durchaus sinnvoll sein.
Ein Wort zur Installation von elektrischen Heizprodukten: Was ist dabei zu beachten?
Je nach Leistung sind die Produkte einphasig oder dreiphasig. Dafür gelten die bestehenden Regeln der Elektrotechnik, vor allem in der Installation nach VDE 0100. Wie bei jeder ordentlichen Installation muss man darauf achten, dass sich die elektrischen Lasten möglichst gleichmäßig auf alle drei Außenleiter verteilen. Das gilt nicht nur für elektrische Heizkörper, das gilt generell.
Was ist bei der Ermittlung der Anschlussleistung zu beachten?
Elektrische Heizkörper oder Heizflächen stellen mitunter sehr starke Verbraucher dar, das muss man beim Hausanschluss beachten. Im Neubau sind die Heizlasten mittlerweile sehr gering, sodass dieses Detail nicht so stark ins Gewicht fällt. Die Heizsysteme wirken wie ohmsche Widerstände, induktive oder kapazitive Rückwirkungen auf das Stromnetz sind nicht zu erwarten. Auch in Sachen Brandschutz gibt es keine besonderen Vorgaben, da diese Systeme eine äußerst geringe Oberflächentemperatur haben.
Also viel Arbeit für die Solarteure und das Elektrohandwerk?
Auf alle Fälle. Durch die Energiewende hat sich das Elektrohandwerk zu einem der innovativsten Zweige des Fachhandwerks entwickelt. Ich bin überzeugt, dass elektrischer Strom seine zentrale Rolle weiter ausbauen wird, gerade auch im Wärmesektor.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Bernd Dechert
ist Geschäftsführer für Technik beim ZVEH in Frankfurt am Main. 1976 studierte er Automatisierungstechnik an der FH Darmstadt. Danach war er 15 Jahre in der Industrie und der Datenverarbeitung tätig. 1996 kam er zum Zentralverband.