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Sichtprobe statt Stichprobe

Heftig pfeift der Wind über die sanften Hügel. Von Westen treibt er Regenwolken übers Land, die ihre feuchte Last immer wieder über den sattgrünen Wiesen abladen. Für die Region im Südwesten Englands ist dieses unbeständige Wetter normal, zumal es schon Oktober ist und die windigen Monate des Jahres angebrochen sind. Jeder hier ist darauf eingestellt.

Auch im fernen Aachen bereiten sich die Mitarbeiter von Fladung Solartechnik auf das stürmische Wetter zwischen Lands End im äußersten Westen von Cornwall und Southampton an der Südküste der großen britischen Insel vor. Denn sie haben dort einen speziellen Auftrag. Sie sollen Elektrolumineszenzbilder von den Modulen eines kompletten Solarparks mit einer Leistung von sechs Megawatt aufnehmen. Auf diese Weise will der Betreiber der Anlage herausfinden, welche Module defekt sind, um diese auszutauschen. Immerhin hatte sich seine Vermutung schon bestätigt, dass ein großer Teil der Paneele Zellbrüche aufweist, die zu Leistungs- und damit zu Ertragsverlusten führen.

Nachfrage ist riesig

Der Betreiber des Parks hatte eine Stichprobe von 300 Modulen mit einer mobilen Elektrolumineszenzstation prüfen lassen. Es stellte sich heraus, dass mehr als 3,5 Prozent der Paneele teilweise massive Schäden aufwiesen, die von außen nicht zu sehen waren und nur mit einer Elektrolumineszenzaufnahme erkannt werden konnten. Damit war zwar das Problem erkannt. „Doch niemand konnte die Frage beantworten, wie viele und vor allem welche konkreten Module defekt sind“, erinnert sich Andreas Fladung. „Wir können diese genau benennen.“

Er ist Geschäftsführer von Fladung Solartechnik, einem Planungs- und Dienstleistungsunternehmen für Photovoltaik mit Sitz in Aachen. Fladung bietet seit über zwei Jahren die Aufnahme von Elektrolumineszenzbildern an, ohne die Module einzeln deinstallieren und überprüfen zu müssen. Denn im Falle der Anlage in England wäre es ein wirtschaftliches Desaster geworden, alle 25.000 Module abzumontieren und einzeln aufzunehmen. Die Nachfrage nach solchen Dienstleistungen steigt. „Der Markt giert regelrecht danach, kostengünstig die Gesamtüberprüfung von großen Solaranlagen durchzuführen“, weiß Andreas Fladung.

Begonnen hatte alles im Jahr 2009. Damals startete Fladung mit der Überprüfung mittlerer und großer Solaranlagen mittels Infrarotaufnahmen. Mit verschiedenen Stativen, schultergestützten Tragehilfen und professionellen Steadycam-Systemen wurden Wärmebilder von defekten Modulen gemacht. Seit 2012 hängen die Aachener die Wärmebildkameras auch an Industrieflugroboter.

Doch das Problem mit den Wärmebildern bleibt: Sie sind zwar gut, um einige Fehler erkennen zu können, doch wenn es um kleine Zellrisse geht, die mit der Zeit größer werden, kommt die Infrarotaufnahme schnell an ihre Grenzen.

Modul unter Strom setzen

Mit der Elektrolumineszenz kann man hingegen direkt in die Zelle schauen. Schon längst weisen Prüflabore mit solchen Aufnahmen auch die kleinsten Fehler in den Zellen nach. Dabei wird das Modul unter Strom gesetzt. Die Elektronen fließen jetzt quasi rückwärts, und dadurch emittieren die Zellen Licht im nahen Infrarotbereich. Als Voraussetzung galt lange Zeit absolute Dunkelheit, um die störenden Einflüsse durch Tageslicht auszuschließen. Zudem sind die speziellen Kameras, die auf Aufnahmen im nahen Infrarotbereich spezialisiert sind, extrem teuer.

Doch Andreas Fladung tüftelte an einer Lösung, die auch im Freien einsetzbar ist. Im Jahr 2014 hat er eine digitale Systemkamera so umgebaut, dass sie in der Lage ist, das Licht aufzunehmen, das die Zellen aussenden, wenn sie unter Strom gesetzt werden. Die Kameras enthalten einen Sperrfilter, der das Licht jenseits des sichtbaren Spektrums blockiert, damit der Sensor nicht mit unnötigen Informationen belastet wird. Genau diesen Anteil des Spektrums braucht aber Fladung, um das Licht zu sehen, das die Solarzellen emittieren.

Digitale Systemkamera umgebaut

Deshalb hat er diesen Infrarotfilter entfernt. Damit kann die Kamera auch Lichtinformationen im Wellenbereich bis 1.150 Nanometer aufnehmen – den nahen Infrarotanteil. Um das sichtbare Licht auszusperren, das bei einer Elektrolumineszenzaufnahme nicht gebraucht wird, kommt ein Schwarzfilter vor das Objektiv.

Mit dieser Art Kamera hat Fladung schon viele Anlagen überprüft. Für die Aufnahme von Elektrolumineszenzbildern eines Solarparks einer Größe wie in England wird die Kamera normalerweise an einen Flugroboter gehängt. Doch aufgrund des unbeständigen Wetters mit böigem Wind und häufigen Regenschauern schied diese Variante aus. „Wir brauchten eine wetterunabhängige Lösung, damit wir den Auftrag noch im Herbst erledigen können“, erinnert sich Andreas Fladung.

Er hat deshalb einen Schlitten konstruiert. Dieser besteht aus einer ganzen Reihe von Aluminiumprofilen und hat die Form einer langgezogenen Pyramide mit abgeschnittener Spitze. Die Grundfläche ist so groß, dass der Schlitten genau auf vier übereinander installierte Module passt. Am oberen Ende sind die Elektrolumineszenzkameras angebracht.

Diese hängen an jeweils einer Schiene und werden seitlich ausgefahren. Dann wird das Elektrolumineszenzbild eines gesamten Moduls, das sich unter der Kamera befindet, aufgenommen. Das Schlittensystem ist so hoch, dass genau ein Standardmodul mit 60 Zellen in den Bildausschnitt einer Kamera passt.

Nach einer Belichtungszeit von zwei Sekunden speichert die Kamera das Bild und überträgt es direkt auf jeweils einen Monitor, der an der Seite des Schlittens angebracht ist. Dadurch kann der Mitarbeiter sofort prüfen, ob die Aufnahme gelungen und das Modul fehlerhaft ist. Ist die Aufnahme im Kasten, wird das Schlittensystem auf die nächsten Module gesetzt, und die Prozedur beginnt von vorn. Der Vorteil ist: Die Kameras haben immer den gleichen Abstand zum Modul. Deshalb muss zwischendurch nicht nachfokussiert werden.

Gewicht reduzieren

Für den Auftrag in England hat Andreas Fladung zunächst nur zwei Kameras an den Schlitten montiert. Zum einen sind die umgebauten Systemkameras inklusive Objektiv nicht billig. Da werden für jede Kamera inklusive Zubehör schon mal gut 10.000 Euro fällig.

Zum anderen hat sich Fladung erst einmal für zwei Kameras entschieden, um Gewicht zu sparen. Denn obwohl der Schlitten aus Aluminium gefertigt ist, wiegt er mit Kameras und Monitoren satte 65 Kilogramm. „Wir werden aber jetzt ein Schlittensystem aus Carbon bauen“, erklärt Fladung. „Damit senken wir das Gewicht auf ein knappes Drittel des Prototyps, den wir in England eingesetzt haben.“

400 Bilder pro Stunde

Dann wiegt der Schlitten nur noch 25 Kilogramm inklusive vier Kameras. Damit können ihn zwei Mitarbeiter leicht über die Module bewegen. Für den Aluminiumschlitten waren dafür immerhin vier Mitarbeiter nötig.

Das Slide Air One – so der Name des Schlittenstativsystems – hat sich in England bestens bewährt. Mit den beiden Kameras konnten die Aachener immerhin pro Stunde Elektrolumineszenzaufnahmen von 250 Modulen machen. „Wir erweitern das System jetzt auf vier Kameras“, erklärt Andreas Fladung. „Damit schaffen wir mindestens 400 Einzelbilder pro Stunde.“

Das geht noch schneller als mit dem Flugroboter. Mit diesem kann Fladung derzeit etwa 300 Module aufnehmen. „Doch auch mit dem Flugroboter wird es in Zukunft schneller gehen“, stellt er in Aussicht.

Insgesamt hat es kaum drei Wochen gedauert, dann waren alle etwa 25.000 Module des Solarparks aufgenommen. In Zukunft wird es mit den vier Kameras am Schlitten möglich sein, einen Solarpark dieser Größe innerhalb von gut zwei Wochen zu überprüfen und die defekten Module zweifelsfrei zu identifizieren.

Damit sinkt der Preis für die Kontrolle von großen Solaranlagen. Voraussetzungen für die hohe Geschwindigkeit sind allerdings eine gute Arbeitsorganisation und weitere nützliche Helfer, die Andreas Fladung schon im Einsatz hat. Denn immer noch funktioniert die Aufnahme von Elektrolumineszenzbildern nur in der Nacht. Zumindest so, wie es Andreas Fladung macht.

Strings unter Strom setzen

Dazu müssen die Module unter Strom gesetzt werden – String für String. Da es zu lange dauern würde, jeden String einzeln zu bestromen, hat der Aachener bereits 2015 eine spezielle Box entwickelt, mit der er insgesamt fast 100 Strings gleichzeitig verschalten und jeden einzeln unter Strom setzen kann, den AEPVI Switch. Die Lösung besteht aus einer Masterbox und mehreren Slaveboxen. Jede ist in jeweils einem großen Koffer untergebracht. „Dieser ist wasserdicht, und wir haben ihn hinsichtlich der Größe und des Gewichts so bemessen, dass man ihn einfach im normalen Verkehrsflugzeug mitnehmen kann“, sagt Fladung.

Im Koffer, in dem der Master untergebracht ist, sind Steckplätze für insgesamt 15 Strings. Der Mitarbeiter muss nur die Kabel der jeweiligen Strings vom Wechselrichter oder Generatoranschlusskasten abziehen und in den AEPVI Switch stecken.

600 Kilowatt vorher verschaltet

Um noch mehr Strings zu verdrahten, können noch insgesamt vier Slaveboxen an den Master angeschlossen werden. Jede Slavebox hat wiederum Steckplätze für 21 Strings. Auf diese Weise kann Fladung 99 Modulstrings auf einmal verdrahten und jeden dieser Strings einzeln mittels einer Fernsteuerung bestromen. Bei 23 Modulen pro String sind das 2.277 Paneele, die er so vorverschalten kann. Das sind mehr als 600 Kilowatt, mehr als mit dem Slide Air One aktuell in einer Nacht überprüft werden können.

Damit sparen die Mitarbeiter im Solarpark viel Zeit. Sie müssen nur die vorher festgelegten Reihen von Modultischen verdrahten. Ein Mitarbeiter setzt mit der Fernsteuerung über den Master den jeweiligen String unter Strom, und die anderen Mitarbeiter machen die Elektrolumineszenzbilder. Zudem können so die Strings schon in den Abendstunden an den AEPVI Switch angeschlossen werden, wenn noch keine Elektrolumineszenzaufnahmen möglich sind, weil es noch zu hell ist.

An die Masterbox kann statt eines Netzteils auch ein Kennlinienmessgerät angeschlossen werden, sodass von allen 99 Strings, wenn sie einmal vorverdrahtet sind, innerhalb weniger Minuten die Kennlinien aufgenommen werden können. Das aufwendige Anstecken jedes einzelnen Strings entfällt.

Härtetest bestanden

Der Auftrag in England war der Härtetest für den AEPVI Switch. Das Gerät hat ihn bestanden. Genauso wie das PV Serve vom Photovoltaikbüro Thernus & Diehl aus Rüsselsheim, das die Techniker im Solarpark eingesetzt haben. Das ist ein Netzteil, das in mit der notwendigen Spannung einen Strom in Gegenrichtung in den Solargenerator treibt.

Nicht erst seitdem sich der AEPVI Switch in England so gut bewährt hat, hegt Andreas Fladung den Plan, ihn in Kleinserie herzustellen und anderen Gutachtern und Fachbetrieben anzubieten, die sich auf die Überprüfung und Wartung von Photovoltaikanlagen spezialisiert haben. „Der Gutachter braucht dann nur noch den Koffer, eine Kamera, ein PV Serve und die Anschlusskabel und kann selbst Elektrolumineszenzaufnahmen von Solarmodulen machen“, erklärt Fladung. Dann bekommt der AEPVI Switch auch zwei große Räder spendiert, damit der Servicetechniker es nicht mehr zur Anlage schleppen muss, sondern wie einen Rollkoffer einfach hinter sich herzieht. Die Räder werden dabei so groß sein, dass der Koffer auch im Gelände gut rollt.

Auch das Slide Air One bekommt noch ein zusätzliches Feature spendiert. Denn um auch Elektrolumineszenzaufnahmen bei Tage machen zu können, entwickelt Fladung noch einen Prismenaufsatz, der das Tageslicht aussperrt. Das Schlittensystem wird dann so ähnlich aussehen wie das CTU Flex von Suncycle.

Schnelle Prüfung drückt den Preis

Der Dienstleister im thüringischen Isseroda hat schon seit 2015 ein solches Stativ für die Aufnahme von Elektrolumineszenzbildern bei Tage im Einsatz. Es ist komplett verkleidet, sodass nach dem Aufsetzen des Systems kein Licht mehr auf das Modul fällt. Den Strom für die Elektrolumineszenz liefern die benachbarten Module.

Allerdings können die Techniker von Suncycle nur jeweils ein Modul aufnehmen und müssen das Stativ dann versetzen. Mit der Lösung, die Andreas Fladung angedacht hat, können die Servicehandwerker vier Module gleichzeitig aufnehmen, was die Geschwindigkeit der Prüfung erhöht und den Preis für die Dienstleistung drückt. Das Slide Air One wird aber in Zukunft nicht die Aufnahme von Elektrolumineszenzbildern aus der Luft ersetzen. Schließlich kann es nur dort eingesetzt werden, wo der Techniker gut an die Module herankommt. Für große Dachanlagen ohne Revisionsgänge ist weiterhin der Flugroboter oder das bewährte Hochstativ, das er schon von Anfang an nutzt, die erste Wahl.

Ein komplettes Servicepaket

Das Schlittensystem ist allerdings eine gute Ergänzung. Der Plan für die Zukunft sieht dann so aus: Zunächst fliegt der Roboter mit einer Elektrolumineszenzkamera in größerer Höhe über den Park. Damit können die Techniker herausfinden, wo die defekten Module sind. Danach gehen sie mit dem Schlittensystem genau zu diesen Modulen um sie genauer zu untersuchen.

Damit wird der AEPVI Switch ein weiterer Baustein im Konzept von Aerial PV Inspection, das Andreas Fladung zusammen mit mehreren Partnern seit Jahren entwickelt und aufbaut. Dabei geht es darum, ein komplettes Servicepaket für eine lückenlose Überprüfung von Solaranlagen über einen längeren Zeitraum zu schnüren. Dazu gehören Elektrolumineszenzaufnahmen vom Boden und aus der Luft, die Georeferenzierung jedes einzelnen Moduls sowie die automatische Auswertung der Elektrolumineszenzbilder.

www.solartechnik-fladung.de

VDE Verlag

Neuer Ratgeber zur Wartung erscheint im April

Im April wird der VDE Verlag ein neues Fachbuch zum störungsfreien Betrieb von Photovoltaikanlagen und Speicherbatterien veröffentlichen. Es richtet sich an Anlagenbetreiber, aber auch an Elektrohandwerker, die sich mit der Wartung und der Optimierung von Solarstromanlagen sowie der Fehlererkennung ein zusätzliches Standbein aufbauen. Die Autoren geben dazu praktische Hinweise auch für die Reinigung, die Kontrolle und Instandhaltung von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern. Sie zeigen zusätzlich Möglichkeiten, wie die Anlagen und Systeme optimiert werden können.

Es werden außerdem alle relevanten Normen und Vorschriften detailliert beschrieben, die bei der Instandhaltung von Photovoltaikgeneratoren und Speicherbatterien zu beachten sind. Zusätzlich kommen auch Themen wie Diebstahlschutz und Schutz vor Schäden durch Tiere zur Sprache. Zudem beschäftigen sich die Autoren intensiv mit der Sicherheit der Mitarbeiter bei der Prüfung und Instandhaltung von Solaranlagen.

www.vde-verlag.de/buecher/524126

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