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“Wir haben eine Vielzahl der möglichen Farben dargestellt“

Herr Müller, warum beschäftigt sich Merck mit der organischen Photovoltaik?

David Müller: Wir sehen den Photovoltaikmarkt generell als einen der attraktivsten Märkte, denn er zeigt ein starkes Wachstum, und er wird auch in den kommenden 20 oder 30 Jahren noch wachsen. Je größer der Markt wird, desto stärker wird er sich auch differenzieren und damit interessante Marktsegmente abseits des Mainstreams in der Photovoltaik öffnen. Für uns interessant sind insbesondere Marktsegmente und Applikationen, die von klassischen Technologien nicht oder nur unzureichend bedient werden können. Als einen der vielversprechendsten neuen Technologiecluster sehen wir da die gedruckte Photovoltaik und hierin die OPV als die Technologie mit der momentan höchsten Marktreife. Merck stellt hochwertige und innovative Spezialprodukte her, und wir denken in Kilogramm und nicht in Tonnen. Daher passt die OPV beziehungsweise die gedruckte Photovoltaik prinzipiell gut zu uns. Die stromerzeugenden Schichten sind nur bis zu 200 Nanometer dick, das ist etwa 100-mal dünner als in üblichen Siliziumsolarzellen. Das entspricht etwa 0,2 Gramm aktivem Material pro Quadratmeter. Man braucht hier somit nicht viel, aber dafür sehr hochwertiges und speziell entwickeltes Material.

Woher nehmen Sie diesen Optimismus?

Es geht uns, wie gesagt, nicht darum, herkömmliche Technologien zu ersetzen. Die organische Photovoltaik kann bereits heute Anwendungen realisieren, die mit den herkömmlichen Photovoltaiktechnologien nicht realisierbar sind. Diese Anwendungen werden in Zukunft immer mehr nachgefragt und immer interessanter. Im Gegensatz zu den von klassischen Siliziumsolarzellen adressierten Marktsegmenten kommen hier eine ganze Reihe von zusätzlichen Werttreibern zum Tragen. Das ist für uns sehr interessant, da wir dann die Produkte auf die spezifischen Kundenwünsche hin maßschneidern können. Ein hoher Grad an Differenzierung und kundenspezifische Entwicklungen sind sozusagen die präferierte „Spielwiese“ für Merck.

Kundenspezifische Module sind für Architekten wichtig. Diese sind bisher noch sehr zurückhaltend, vor allem wenn es um die Solarfassade geht. Warum sollte sich das gerade mit der OPV ändern?

Wenn wir mit Architekten sprechen, sehen sie oftmals die Integration einer Solaranlage in die Fassade als – ich zitiere – Strafe an. Weil sie an die herkömmliche Photovoltaik denken, die ihre Freiheiten einschränkt. Die wissen, sie müssen es einsetzen, um nur annähernd ein Nullenergiegebäude bauen zu können, wie es in Zukunft der Standard sein wird. Wenn wir diesen Architekten zeigen, welchen Gestaltungsspielraum sie mit der organischen Photovoltaik haben, ist die Akzeptanzschwelle deutlich niedriger. Die meisten sind begeistert und fragen nach den Herstellern dieser Produkte. Nach unserer Erfahrung wird ein Architekt umso mehr zur OPV tendieren, je mehr Wert er auf ästhetische und Formfaktoren legt. Wenn Design jedoch keine Rolle spielt, werden eher etablierte Technologien eingesetzt – soweit sie anwendbar sind. Ich denke, es wird letztendlich ein breites Portfolio von technologischen Möglichkeiten geben und darunter auch viele solche, die man ohne OPV nicht hätte.

Die Stärke der OPV ist vor allem, dass ganz unterschiedliche Farben möglich sind. Wie bekommen Sie diese Farbvielfalt hin?

Durch Einsatz unterschiedlicher Polymere, Moleküle beziehungsweise Mischungen dieser. Die können wir chemisch sehr schön maßschneidern. Wir können abschätzen, wie viel Licht einer bestimmten Wellenlänge das OPV-Modul durchlassen muss, damit es in einer bestimmten Farbe erscheint, und so auch die nötige elektronische Konstellation des Polymers oder Moleküls ableiten. Sehr vereinfacht: Wenn man eine bestimmte Farbe hat und daraus eine andere Farbe machen will, ersetzt man ein Monomer durch ein anderes, das eine etwas andere Bandlücke und somit auch einen etwas anderen Farbgebungspunkt hat. So rutscht man beispielsweise von Blau in Blaugrün und wenn man dann zwei von diesen Monomeren austauscht, kann das Polymer Grün oder Grau werden.

Das können Sie vorher ausrechnen und steuern?

Ein Computerprogramm rechnet aus, welches Polymer oder Molekül da eventuell passen könnte. Die Herausforderung gerade bei Polymeren ist dann, diese auszuwählen, die auch entsprechend stabil sind, sich herstellen und drucken lassen. Es kommen noch eine Reihe von anderen Faktoren dazu, und die Entwicklung ist leider nicht so einfach, wie das vielleicht klingen mag. Wir müssen aber nicht zwingend für jede Farbe ein neues Polymer finden. Es ist auch möglich, verschiedene Materialien zu mischen – zumindest bis zu einem gewissen Grad. Das geht nicht beliebig, aber eine gewisse Anpassung an die Farbwünsche des Kunden erreichen wir so.

Kann man so auch Folien in RAL-Farben herstellen?

Grundsätzlich geht das, und mit der RAL-Plastics-Palette gibt es auch einen Industriestandard, der transparente Farben beinhaltet. Aber das ist erst die nächste Stufe in der Marktentwicklung der OPV. Jetzt geht es erst einmal darum zu zeigen, dass die Technologie grundsätzlich funktioniert und verschiedene Farben möglich sind. Alles andere ist im Kontext der derzeitigen Markteinführung noch nicht relevant.

Konzentrieren Sie sich auf bestimmte Farben?

Blau, Grün und Grau sind die neutralen Farben, die zurzeit akzeptiert sind und die man auch in vielen Wärmeverglasungen wiederfindet. Grundsätzlich kommen uns diese dunklen Farben entgegen. Das liegt an einem komplexen Zusammenspiel von Sonnenlicht mit den charakteristischen Absorptionsprofilen der organischen Materialien, das für die Farben in Richtung Blau, Grün zu Grau am besten funktioniert. Wenn wir Teile des Lichtspektrums nicht mehr absorbieren beziehungsweise durchlassen, haben wir auch einen Effizienzverlust. Bei Blau, Grün und Grau gibt es in Summe keine sehr großen Verluste im nutzbaren Lichtspektrum. Deshalb unterscheiden sich diese Farben auch nicht signifikant in der Effizienz. Grau ist per se am effizientesten, weil es die transparente Variante von Schwarz ist.

Dann erzeugt man mit Schwarz den meisten Strom?

Ja, denn Schwarz absorbiert alles sichtbare Licht und gibt bei OPV auch die höchste Effizienz. Wie gesagt, arbeitet die OPV im Bereich Blau-Grün-Grau am effizientesten, und man kann in diesem Farbraum auch eine Reihe von Mischfarben herstellen. Wir haben das mal im Labor gemacht und eine Vielzahl der möglichen Farben dargestellt. Letztendlich geht es aber darum, was nachgefragt wird. Braun zum Beispiel könnten wir herstellen, aber das hat bisher noch niemand angefragt.

Sie haben zusammen mit Belectric OPV graue, transparente Solarfolien vorgestellt. Warum gerade diese Farbe?

Grau ist derzeit eine sehr wichtige Farbe. Das haben wir aus den Rückmeldungen von den Architekten entnehmen können. Inzwischen können wir die Farbe auch darstellen, was gar nicht so einfach ist. Denn man muss auf der einen Seite das gesamte Lichtspektrum absorbieren, da ja Grau eine Modifikation von Schwarz ist. Um die Transparenz in Grau hinzubekommen, muss man schon wirklich mit dem Licht spielen.

Wäre auch eine weiße Folie möglich?

Das ist nur mit optischen Hilfsmitteln machbar, da das gesamte sichtbare Licht reflektiert werden müsste. Für die OPV wäre dann nicht mehr viel Licht für die Stromproduktion übrig. Bei Siliziumsolarzellen, die weiter ins Infrarote absorbieren, gibt es die Möglichkeit, mit Interferenzfiltern zu arbeiten. Auch diese verlieren dann signifikant an Effizienz, da mit dem sichtbaren Licht mehr als die Hälfte der nutzbaren eingestrahlten Energie wegfällt.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Lesen Sie das ganze Interview unter: Webcode 1374.

www.merck.de

David Müller

ist für das Marketing von Photovoltaiklösungen beim Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck verantwortlich. Der Darmstädter Anbieter von organischen Halbleitermaterialien ist einer der größten Zulieferer von Belectric OPV.

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