Wenn jemand sich ein Elektrofahrzeug kauft, soll er sich bereits vor dem Kauf auskennen, wie dieses künftig aufgeladen werden kann. Nicht alle haben die Möglichkeit, ein E-Auto zu Hause aufzuladen, deshalb ist eine öffentliche Ladeinfrastruktur notwendig. Soll es auch noch schnell geladen werden, bietet die DC-Ladetechnologie (mit Gleichstrom) eine Lösung. Typ 1, Typ 2, Chademo, CCS – der Fahrer soll schon beim Kauf wissen, was dahintersteht.
Heute gibt es in der Ladeinfrastruktur verschiedene Standards. Der erste Grund sind die unterschiedlichen Netzbedingungen in verschiedenen Ländern: 120 Volt oder 230 Volt Netzspannung, 50 Hertz oder 60 Hertz Netzfrequenz.
Das Problem von Henne und Ei
Zweitens laufen die Entwicklung neuer Technologien und die Standardisierung (Normgebung) oft zeitlich versetzt. Drittens wollen viele Unternehmen ihre Entwicklung als weltweiten Standard etablieren.
Manchmal existieren mehrere Standards nebeneinander. Das Laden im öffentlichen Bereich hat das klassische Henne-Ei-Problem: Solange es zu wenig Elektroautos gibt, solange gibt es zu wenig Ladestationen. Solange die Ladeinfrastruktur unzureichend ausgebaut ist, solange bleibt das Ziel von einer Million Elektroautos im Jahr 2020 ein Traum der Bundesregierung.
AC oder DC?
Um die Unterschiede der Standards zu erläutern, muss man ein wenig in die Theorie eintauchen. Es wird zwischen AC- und DC-Laden unterschieden. AC-Laden steht für Laden mit Wechselstrom. Hier können die Fahrzeuge über eine Ladeschnittstelle vom Typ 1, Typ 2 oder GB/T 20234.2 (gilt nur in China) verfügen. Beim DC-Laden (Gleichstrom) wird zwischen CCS (Combined Charging System, anders genannt Combo 1 oder Combo 2) und Chademo unterschieden.
AC-Laden mit einem Typ-1-Stecker ist charakteristisch für die Länder mit 100 bis 120 Volt Netzspannung. So ist diese Technologie insbesondere in Nordamerika, aber auch in manchen asiatischen Ländern verbreitet. Der Kabelstecker hat ein rundes Profil und einen Verriegelungsmechanismus. Eine wesentliche Einschränkung dieser Technologie: Solche Autos kennen nur einphasiges Laden, und ihre Ladeleistung ist auf 7,4 Kilowatt begrenzt. So dauert das Laden einer typischen Batterie mit 22 Kilowattstunden Kapazität rund drei Stunden.
In Europa sind die Netzbedingungen anders als in Nordamerika und Asien. Aufgrund des 230-Volt-Netzes ist hier die Typ-2-Ladetechnologie verbreitet. Optisch unterscheiden sie sich vor allem durch den abgeflachten oberen Rand und die fehlende Verriegelungsklappe.
E-Fahrzeuge mit Typ-2-Ladedose können sowohl ein- als auch dreiphasig laden. Somit ist die Ladeleistung wesentlich höher und die Ladezeit kürzer. Ein Renault Zoe kann seine 22 Kilowattstunden große Batterie an einer AC-Ladesäule (Leistung: 43 Kilowatt) innerhalb einer halben Stunde aufladen. Klingt vielversprechend. Doch die bittere Wahrheit ist, dass die Ladeleistung der meisten E-Modelle fahrzeugseitig beschränkt ist. Diese können lediglich 3,7 Kilowatt Wechselstrom ziehen, um ihre Speicher mit Energie zu füllen. Deshalb dauert das Laden einer Lithium-Ionen-Batterie (22 Kilowattstunden) an einer AC-Ladesäule mit 22 Kilowatt Leistung entsprechend länger als eine Stunde.
Ladeleistung begrenzt – warum?
Der Grund für die Begrenzung der Ladeleistung auf 3,7 Kilowatt liegt in der Historie: Als die Elektrofahrzeuge entwickelt wurden und zum ersten Mal auf die Straßen rollten, gab es keine öffentliche Ladeinfrastruktur. Man ging davon aus, dass die Nutzer nur zu Hause laden werden – an einer Haushaltssteckdose, deren Strom auf 16 Ampere begrenzt ist. Deshalb wurde die Ladestromgrenze auf 3,7 Kilowatt begrenzt.
Vermutlich war die Begrenzung auf 3,7 Kilowatt auch eine bewusste Entscheidung der OEMs, um die Verkaufszahlen ihrer fossilen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren vor vollelektrisierten Wettbewerbsmodellen zu schützen.
Um die Ladezeit für die Nutzer attraktiver zu machen, gibt es zwei Wege. Entweder hebt man die Ladebegrenzung der AC-Systeme auf. Oder man belädt die Batterie mit Gleichstrom (DC).
Schnell laden mit DC-Säulen
DC-Ladestationen sind in der Regel an drei Phasen angeschlossen und für höhere Ladeleistung ausgelegt. So ist es möglich, eine typische E-Auto-Batterie innerhalb von 20 bis 30 Minuten auf 80 Prozent zu laden.
In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Schnellladestationen erheblich erhöht. Hier existieren zwei anerkannte Standards: Chademo und CCS. Die Normung lief parallel mit der Entwicklung dieser beiden Technologien durch Unternehmen in Japan, Europa und den USA.
Erst Chademo, jetzt CCS
Chademo war die erste Technologie des Schnellladens. Sie entstand 2009 in Japan. Im Laufe der Zeit wurden Elektrofahrzeuge mit Chademo-Ladedosen auch in Europa und Amerika verbreitet, durch Hersteller wie Toyota, Mitsubishi oder Nissan. Die notwendige Ladeinfrastruktur wurde auch außerhalb von Japan gebaut. Heute gibt es rund 8.000 Elektrostationen mit Chademo-Technologie: 5.000 in Japan, 1.700 in Europa und 1.000 in den USA.
Warum wurde dann eine Alternative zum bewährten Chademo-Standard benötigt? Die neueren CCS-Ladestationen (Combined Charging System) können beides: AC- und DC-Laden. So kann ein E-Auto mit einer CCS-Ladedose sowohl an AC- als auch an DC-Ladesäulen den Strom tanken.
Höhere Netzdichte mit Combo
Ein weiterer Vorteil von Combo-Steckern ist ihre bessere Qualität und Leistungsfähigkeit. So kann ein Chademo-Stecker 50 Kilowatt leiten, im Gegensatz zu 200 Kilowatt beim Combo-Stecker. Zukünftig liegt die Obergrenze der Stromtragfähigkeit des Combo-Steckers deutlich höher, wobei das Potenzial des Chademo-Steckers stark begrenzt ist. Die zukünftige Stromtragfähigkeit der Stecker ist ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung der Schnellladestationen und bei immer größer werdenden Batteriekapazitäten der Elektrofahrzeuge.
Heute haben die meisten DC-Stationen maximal 50 Kilowatt Leistung, zukünftig kann diese auf 250 Kilowatt steigen. Ein Beispiel: Um ein Elektroauto mit einer 86-Kilowattstunden-Batterie (entspricht rund 400 Kilometern Reichweite) an einer 50-Kilowatt-Ladestation (DC) aufzuladen, werden mehr als 1,5 Stunden benötigt. Mit einer 150-Kilowatt-Ladesäule braucht man weniger als eine halbe Stunde.
Der Nachteil des CCS-Standards ist seine immer noch geringe Verbreitung in der Ladeinfrastruktur. Derzeit gibt es in Europa weniger als 1.000 CCS-Ladesäulen im Gegensatz zu rund 1.700 Chademo-Ladern.
Im Jahr 2014 trat eine EU-Direktive in Kraft. Sie schreibt vor, dass neue DC-Ladestationen in der EU zumindest über einen Combo-2-Anschluss verfügen sollen. In Europa laufen mehrere Projekte, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur basierend auf CCS forcieren: zum Beispiel Slam, Ten-T und andere. Es ist also davon auszugehen, dass die Anzahl der Ladestationen, die den CCS-Standard unterstützen, die Anzahl der Chademo-Ladestationen in Europa bald übertrifft.
Die Hoffnung bleibt, dass nicht nur bessere E-Fahrzeuge gebaut werden, die Reichweiten über 400 Kilometer schaffen. Auch das Netz leistungsfähiger Schnellladestationen wird sich verdichten. So könnten die Elektrofahrzeuge eine reale Alternative zu Verbrennungsmotoren werden.
BYD/Fenecon
Vollelektrischer Crossover E6 in Europa erhältlich
Seit Februar bietet der bayerische Speicheranbieter Fenecon das Elektromodell E6 des chinesischen Herstellers BYD an. Der E6 ist ein für gewerbliche Flotten optimierter Crossover. Dank der Batteriekapazität von 80 Kilowattstunden beträgt die Reichweite 400 Kilometer – bei einem Kostenpunkt von 50.000 Euro (plus Mehrwertsteuer) erreicht das Elektroauto einen Systempreis von rund 600 Euro netto pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Die Investitionskosten betragen damit 12.500 Euro netto pro 100 Kilometer elektrischer Reichweite.
Weltweit findet der E6 vielfach Verwendung in Taxiflotten. „Nutzer schätzen die Verbindung von großer Reichweite, Fahrgastkomfort bei fünf vollwertigen Sitzplätzen mit dem trotz Batteriepack großen Kofferraum bei gleichzeitig günstigen Betriebskosten“, erklärt Franz-Josef Feilmeier, Geschäftsführer von Fenecon.
Für die Alltagsnutzung spricht auch die Schnellladefähigkeit der Batterien: An den weit verbreiteten, öffentlichen Typ-2-AC-Ladestationen kann der E6 mit bis zu 40 Kilowatt geladen werden. Damit ermöglicht bereits eine Zwischenladung von einer halben Stunde weitere 100 Kilometer Reichweite. Eine Vollladung ist in zwei Stunden erreicht. Die Lebensdauer der Batterie wird mit 1,4 Millionen Kilometern angegeben. Dieser Wert ergibt sich aus 4.000 Ladezyklen, die BYD für die Batterie garantiert, bei einer Restkapazität von 75 Prozent. Die Garantie auf das Fahrzeug selbst liegt bei zwei Jahren oder 150.000 Kilometern.
Der E6 ist serienmäßig mit sechs Airbags ausgestattet, darunter zwei seitlichen Airbags. ESP und ein Bremsassistent sind ebenso ab Werk enthalten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 140 Kilometern pro Stunde, die der Elektromotor dank 450 Newtonmetern Drehmoment und einer Maximalleistung von 90 Kilowatt erreicht.
Zur weiteren Serienausstattung des Fünfsitzers zählen unter anderem LED-Tagfahrlicht und LED-Rücklichter, ein stufenloses Automatikgetriebe, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, vier elektrische Fensterheber, Tempomat sowie eine vollautomatische Klimaanlage und Parksensoren. Auch ein CD-Radio und eine Alarmanlage sind werkseitig an Bord. Das Kofferraumvolumen beträgt 450 Liter. Im Gegensatz zu den meisten anderen Elektroautos kann der E6 auch andere Elektroautos „betanken“ und steht als mobile Stromquelle zur Verfügung.
Als besonderen Vorteil sieht Franz-Josef Feilmeier insbesondere die Interoperabilität mit stationären Stromspeichern von BYD und Fenecon: „Mit dem E6 ist eine Rückladung ins Netz oder in ein stationäres Stromspeichersystem möglich. Auch die gesteuerte Beladung aus Photovoltaiküberschüssen ist mit unserem Energiemanagement einfach umsetzbar.“ Beim niederbayerischen Unternehmen in Deggendorf stehen mehrere Fahrzeuge bereit, die Interessenten in Augenschein nehmen können.
Die Autorin
Maryia Perthen
war als Projektmanagerin für Ladeinfrastruktur bei BMW weltweit tätig. In der Abteilung Vernetzte E-Mobilität hat sie sich um die Standardisierung der Ladeinfrastruktur, um intelligentes Laden, Förder- und Ladeinfrastrukturprojekte gekümmert. Zuvor arbeitete sie fünf Jahre lang bei M+W Germany. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in der strategischen Evaluierung neuer Geschäftsfelder: erneuerbare Energien, Produktionsanlagen für Solarzellen und Solarmodule und Lithium-Ionen-Batteriefabriken.