Lange Zeit kreiste das Damoklesschwert. Vor wenigen Monaten sauste es nieder. Inzwischen ist jedem klar, dass die Energieversorgung – sei es mit Wärme oder mit Strom – auf tönernen Füßen steht.
Das zeigt sich derzeit in allerlei Bemühungen, die Ökostromversorgung möglichst schnell und flächendeckend auszubauen. „Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen ist in allen Segmenten drastisch gestiegen“, weiß Maria Bauer, Projektentwicklerin bei WI Energy. „Jedoch stellt gerade der Ausbau großer Dachfreiflächen für viele Unternehmen eine attraktive Möglichkeit dar, schnell und ohne langwierige Genehmigungsverfahren gemeinsam mit uns in die Planung und Umsetzung neuer Solaranlagen zu gehen. Auf diese Weise gelingt es vielen Firmen, ihre hohen Stromkosten schnell zu drosseln.“
Das gilt trotz der steigenden Kosten für die Solaranlagen. „Allgemein kann man festhalten, dass Solarstrom immer noch sehr attraktiv bleibt und der Preisvorteil gegenüber Netzstrom ungebrochen ist“, betont Patrik Danz, Vertriebsleiter von IBC Solar.
Zwei Anlagen auf einem Dach
Positiv auf die Nachfrage nach gewerblichen und industriellen Dachanlagen werde sich auch auswirken, dass die Grenze angehoben wurde, bis zu der diese Anlagen eine festgeschriebene Einspeisevergütung bekommen. „Denn dort können nur Anlagen bis zu einer Leistung von einem Megawatt ohne Ausschreibung realisiert werden“, sagt er.
Zwar sind die Vergütungen für den Überschussstrom der Eigenverbraucher relativ gering im Vergleich zu Volleinspeiseanlagen. Doch hier hilft die neue Regelung weiter, die es ermöglicht, dass auf einem Dach eine Eigenverbrauchs- und eine Volleinspeiseanlage parallel betrieben werden können. Allerdings benötigt jede Anlage einen eigenen Zähler.
Solarparks im Kommen
Doch auch im Bereich der großen Freiflächenanlagen sieht die Branche einen weiteren Ausbau. „Gerade viele Kommunen erkennen die Notwendigkeit, ihre Stromversorgung durch Photovoltaik zu ergänzen“, sagt Patrik Danz.
Thorsten Blanke ist Geschäftsführer von Belectric. Der Projektierer entwickelt immer größere Solarparks. „Der Trend zu großen Solarparks war schon vor der Novellierung des EEG zu erkennen und wird durch die Änderungen positiv gefördert“, erklärt der Manager.
Schließlich ist Strom aus großen Freiflächenanlagen besonders preiswert. Trotz der auch in diesem Marktsegment steigenden Kosten. „Gleichzeitig entwickelt sich die Leistungsfähigkeit unserer Anlagen positiv“, bestätigt Maria Bauer von WI Energy. „Moderne und leistungsfähige Komponenten in der Infrastruktur unserer Anlagen führen zu nennenswerten Effizienzsteigerungen und machen Solarparks wirtschaftlich attraktiv wie noch nie.“
Preise sinken vorerst nicht
Von kurzfristig sinkenden Preisen geht derzeit kein Projektentwickler aus. „Die Modulpreise sind gegenüber 2021 relativ stabil geblieben“, erklärt Thorsten Blanke von Belectric. „Allerdings haben speziell die Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar, die Turbulenzen an den Rohstoffmärkten sowie inflationsgetriebene Lohn- und Gehaltssteigerungen dazu geführt, dass Solarparks im Verhältnis heute wieder so viel kosten wie im Jahr 2018.“ Für 2023 prognostiziert er Preise „auf dem aktuell hohen Niveau“.
Nachfrage bleibt sehr hoch
Sinkende Herstellungskosten für Solarparks sieht auch Andreas Becker nicht. Er leitet die Projektentwicklung bei Juwi. „Vermutlich bleiben die Energiekosten längerfristig hoch. Auch bei den Rohstoffkosten sind keine Senkungen zu erwarten.“
Wojtek Swietochowski, Bereichsleiter für Solartechnik bei Abo Wind, sieht zwei Faktoren, die hohe Preise begünstigen: hoher bürokratischer Aufwand und die weiterhin sehr starke Nachfrage nach Solarparks.
Den Zubau bremsen nicht nur hohe Anlagenpreise. So warnt Thorsten Blanke die Bundesregierung davor, die Gewinne der Anlagenbetreiber abzuschöpfen, während gleichzeitig die Zinsen steigen. „Dadurch wird die Finanzierung neuer Anlagen erschwert“, sagt der Chef von Belectric. „Deshalb droht ein Investitionsstopp für große Freiflächenanlagen.“
Bürokratie verzögert die Projekte
Das neue EEG hat die Hürden für kleinere Dachanlagen deutlich gesenkt, ebenso das Jahressteuergesetz. Solarparks wurden von der Entbürokratisierung weitgehend ausgeklammert. „Verzögerungen resultieren aus schleppenden Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren und aus deutlich verlängerten Lieferzeiten insbesondere für Netzanschlusskomponenten“, nennt Andreas Becker von Juwi die wichtigsten Hürden.
Wojtek Swietochowski von Abo Wind fordert: „Wir brauchen schnellere Genehmigungsprozesse und schnelleren Netzzugang.“ Bisher dauert die Entwicklung eines Projekts in Deutschland von der Identifizierung einer geeigneten Fläche bis zur Baureife häufig mehr als drei Jahre, erläutert Thorsten Blanke von Belectric. „Deutschland befand sich bei großen Solarkraftwerken lange im Dornröschenschlaf“, moniert er. „In den letzten beiden Jahren sind die Anfragen für Solarparks bei Gemeinden und Behörden jedoch stark gestiegen.“
Derzeit sind viele Gemeinden und Kommunen überfordert, die Anträge abzuarbeiten. Deshalb können zu wenige baureife Projekte an den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur teilnehmen. „Eine Vereinfachung der Genehmigungen und Bauleitverfahren wäre die Lösung“, sagt Thorsten Blanke.
Ämter rücken keine Daten heraus
Außerdem nutzen die Bundesländer verschiedene Methoden, um Flächen zu kartieren, zu bewerten und für Solarparks auszuweisen.
So stellen die Katasterämter in Bayern und Sachsen prinzipiell keine Daten zur Verfügung. „Als Begründung wird fehlendes berechtigtes Interesse angeführt“, kritisiert Amaya Hilpert. Sie leitet die Entwicklung von deutschen Solarprojekten bei Abo Wind. „Dadurch ist die Flächenakquise aufwendiger und nur in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden möglich.“
Darüber hinaus sei es wichtig, wirtschaftliche Netzanschlusspunkte für neue Projekte zu schaffen, betont Marc Krezer. Bei Baywa r.e. Solar Projects ist er für die Entwicklung neuer Solarkraftwerke in Deutschland verantwortlich. „Nicht verfügbare oder nur schwer erreichbare Netzanschlusspunkte treiben die Kosten und die Unsicherheiten für den Photovoltaikausbau“, analysiert er.
Riesiges Interesse der Landwirte
Auch Belange des Landschaftsschutzes hemmen teils die Projektentwicklung. Landwirte, die ihre Flächen für Photovoltaikprojekte verpachten, sind unter bestimmten Umständen steuerlich benachteiligt. „Denn ihnen wird bei Hofübergabe der sogenannte Verschonungsabschlag nicht zugestanden“, wie Amaya Hilpert von Abo Wind ausführt.
Landwirte verfügen über Geld und Flächen. Sie stehen in den Startlöchern. Der Andrang bei den Photovoltaikanbietern auf der jüngsten Energy Decentral, der Messe für dezentrale Ökostromversorgung in der Landwirtschaft, hat ihr riesiges Interesse offenbart. Tatsächlich ermöglichen es viele Innovationen, landwirtschaftliche Flächen doppelt zu nutzen. Deshalb sei die Nachfrage nach Agri-PV-Anlagen drastisch gestiegen, berichtet Thorsten Blanke von Belectric.
Agri-PV muss einfacher werden
Allerdings wirken sich bei der Agri-PV noch immer bürokratische Hindernisse aus. Marc Krezer von Baywa r.e. mahnt: „Insbesondere hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen sind aufgrund ihrer speziellen Anforderungen sowie aufwendigeren Technik kapitalintensiver als normale Freiflächenanlagen. Hinzu kommen die gestiegenen Materialpreise. Der Bonus für Agri-PV im Rahmen der Ausschreibung ist deutlich zu niedrig angesetzt, um kommerzielle Projekte in der Breite anzustoßen.“
Wojtek Swietochowski kritisiert zusätzlich die uneinheitliche Definition innerhalb der EU, was Agri-PV ist. „In Frankreich spricht man von Agri-PV, wenn Kühe neben der Anlage grasen“, nennt er ein Beispiel. Er sieht das Marktumfeld für hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlagen momentan als schwierig an.
Hürden für schwimmende Anlagen
Dazu kommen weitere Flächen wie etwa Gewässer. Konservative Berechnungen von Baywa r.e. ergeben ein Potenzial für Floating PV auf industriell oder ehemals industriell genutzten, künstlichen Wasserflächen in Deutschland von über 20 Gigawatt. Doch auch in diesem Segment läuft es nicht reibungslos.
Marc Krezer von Baywa r.e. kritisiert: „Für schwimmende Solaranlagen schränken die Restriktionen hinsichtlich der maximal nutzbaren Gewässeroberfläche und des Ufermindestabstands das Potenzial massiv ein.“
Potenzial bleibt ungenutzt
Nur 15 Prozent des Gewässers dürfen für eine Solaranlage genutzt werden, schreibt der Gesetzgeber vor. Zudem muss das schwimmende Modulfeld mindestens 40 Meter Abstand zum Ufer halten. „Angesichts dieser Einschränkungen fällt das Potenzial auf rund ein Gigawatt ab. Aufgrund der massiv gedeckelten Anlagengrößen ist in Deutschland kaum ein Floating-PV-Projekt wirtschaftlich darstellbar“, sagt er.•
„Landwirte, die ihre Flächen für Photovoltaikprojekte verpachten, sind unter bestimmten Umständen steuerlich benachteiligt, da ihnen bei Hofübergabe der sogenannte Verschonungsabschlag nicht zusteht.“
Foto: Ernst Wrba Wiesbaden
„Die Verzögerungen resultieren aus schleppenden Bauleitplan- und Baugenehmigungsverfahren und aus deutlich verlängerten Lieferzeiten insbesondere für Netzanschlusskomponenten.“
Foto: Juwi
„Allerdings konterkarieren die aktuellen Entwicklungen zur Übergewinnabschöpfung in Verbindung mit stark gestiegenen Zinsen die Maßnahmen des EEG 2023. Dadurch wird die Finanzierung neuer Anlagen erschwert, weshalb ein Investitionsstopp in große Freiflächenanlagen droht.“
Foto: Belectric
„Gerade viele Kommunen erkennen die Notwendigkeit, ihre Stromversorgung durch Photovoltaik zu ergänzen.“
Foto: Fotostudio Klaus Gruber/Dolphin Photography
„In Bezug auf schwimmende Solaranlagen schränken die umgesetzten Restriktionen hinsichtlich der maximal nutzbaren Gewässeroberfläche und des Ufermindestabstands das Potenzial von Floating PV leider massiv ein.“
Foto: Jan Roeder
„Moderne und leistungsfähige Komponenten in der Infrastruktur unserer Anlagen führen zu nennenswerten Effizienzsteigerungen und machen Solarparks im Kontrast zu den Veränderungen aktueller Energiepreise so wirtschaftlich attraktiv wie noch nie.“
Foto: Martini Media www_frankmartini-photography_de
„Wir brauchen schnellere Genehmigungsprozesse und einen schnelleren Netzzugang.“
Foto: ABO Wind
Sharp Energy Solutions
Peter Thiele: „2022 war das Jahr der Wende für die Photovoltaik“
Das Jahr 2022 war ein Wendepunkt für die Photovoltaik. Denn die Solarenergie wurde nicht mehr nur für den Kampf gegen den Klimawandel gebraucht. Angesichts des Überfalls Russlands auf die Ukraine wird sie auch für die Energieunabhängigkeit wichtig, resümiert Peter Thiele, Präsident von Sharp Energy Solutions Europe.
Er sieht die Technologie gut aufgestellt. Denn Solarenergie ist bereits heute wettbewerbsfähig. In Verbindung mit der Speicherung von Energie werde sie ihren Wettbewerbsvorteil weiter ausbauen, ist sich Thiele sicher. Die Technik entwickelt sich weiter. Wirkungsgrade werden durch größere M10-Wafer ständig verbessert. Das wirkt sich preissenkend aus. Hinzu kommt die Entwicklung schwimmender Solaranlagen und der Agri-PV.
Schwieriger wird das Geschäft allerdings durch gestörte Lieferketten und gestiegene Kosten für die Finanzierung neuer Anlagen. „Außerdem spielte der Fachkräftemangel 2022 eine wichtige Rolle, der zu einer weiteren Verzögerung bei der Installation von Photovoltaikanlagen führte“, erklärt Thiele.
Dennoch geht er davon aus, dass im Jahr 2022 in Europa 33 Gigawatt Solarleistung neu ans Netz gingen, gegenüber 27 Gigawatt im Jahr 2021. Für 2023 sieht er einige Herausforderungen wie Corona und den Krieg in der Ukraine.
Sharp rechnet dessen ungeachtet mit beschleunigtem Ausbau der Photovoltaik. Das Unternehmen setzt auf technologische Verbesserungen wie das um fünf Watt leistungsfähigere Projektmodul, das im Januar 2023 auf den Markt kam. Auch die Topcon-Module wird das Unternehmen in den nächsten Monaten weiterentwickeln.
Im Projektgeschäft will Sharp neue Partner gewinnen. Hier geht es vor allem um Projekte in der Agri-PV sowie um große Solarparks. Sie werden gemeinsam mit den Landbesitzern entwickelt.
Zimmermann
Neuer Modultracker für Agri-PV entwickelt
Die Agri-PV hat in den vergangenen Monaten kräftig zugelegt. Die Landwirte sind interessiert an Investitionen nicht nur in die eigene Stromversorgung, sondern auch in die Doppelnutzung von Flächen. Für solche Anwendungen hat Zimmermann PV-Steel Group eine individuelle Lösung entwickelt: den ZIM Agri Tracker.
Intelligente Führung der Solarmodule
Er kombiniert einen einachsigen Tracker mit der landwirtschaftlichen Nutzung und so auch mit der Möglichkeit, Energiegewinn und hohen landwirtschaftlichen Ertrag zu kombinieren. Bei der Planung der Anlage werden die Höhe der Module und der Reihenabstand berücksichtigt, um Konflikte mit der Maschinennutzung oder Tierzucht auszuschließen.
Mehr Artenvielfalt unter den Reihen
Die Fläche direkt unter dem Tracker wird zur Förderung der Artenvielfalt durch beispielsweise einen Blumenstreifen genutzt. Sie bildet eine Nahrungsgrundlage für die heimische Tierwelt, während die Fläche zwischen den Modulreihen der Landwirtschaft gilt.
Zwei Positionen per App steuerbar
Eine innovative Funktion des ZIM Agri Tracker ist die Ernte- und Bearbeitungsposition. In dieser werden die Solarmodule per App senkrecht gestellt, sodass ein Maximum der Fläche zwischen den Reihen landwirtschaftlich bewirtschaftet werden kann. Sobald die Bearbeitung abgeschlossen ist, fährt der Tracker in den Normalmodus nach Sonnenstand zurück.
Ein geländebasiertes, adaptives 3D-Backtracking beinhaltet einen Algorithmus zur Vermeidung von Verschattung der Reihen. Der Algorithmus bringt den Energieertrag und die landwirtschaftliche Produktion in ein optimales Gleichgewicht.
FRV
Zwei Gigawatt Solarleistung in vier Jahren
Der spanische Projektierer Fotowatio Renewable Ventures (FRV) will sich im deutschen Photovoltaikmarkt etablieren. Das Unternehmen plant den Aufbau von Solaranlagen vor allem in der Landwirtschaft mit einer Gesamtleistung von zwei Gigawatt innerhalb der nächsten vier Jahre. Die Projekte werden teilweise mit Batteriespeichern kombiniert.
Deutschland sei einer der wichtigsten Märkte für erneuerbare Energien. „Wir sind davon überzeugt, dass unser Angebot von Organisationen und Unternehmen, etwa im landwirtschaftlichen Bereich, stark nachgefragt wird“, sagt Andreas Pfeiffer, Geschäftsführer von FRV Deutschland. Anfang Dezember 2022 hat FRV sein Deutschlandbüro in München eröffnet. Von dort wird das operative Geschäft gesteuert und die Öffnung von weiteren Regionalstandorten vorangetrieben.