Baywa r.e. konzentriert sich neben den bisherigen Geschäftsmodellen auch auf die Entwicklung neuer Technologien, wie unter anderem der Doppelnutzung von Landwirtschaftsflächen. Wo haben Sie schon entsprechende Projekte umgesetzt?
In den Niederlanden haben wir eine drei Hektar große Himbeerplantage mit einem Solarsystem überbaut. Das besteht aus einer eigens entwickelten Unterkonstruktion und semitransparenten Modulen. Diese schützen die empfindlichen Pflanzen vor zu starker Sonneneinstrahlung und vor allem vor Starkregen und Hagel und ersetzen das bisher eingesetzte Schutzsystem mit Folien. Gleichzeitig lassen die Module aber genügend Licht zu den Pflanzen hindurch. In Europa entwickeln wir derzeit Projekte in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Österreich. In Deutschland haben wir derzeit aber noch Probleme mit der Wirtschaftlichkeit.
Warum?
Weil die Anlagen natürlich höhere Kosten verursachen als ein normaler Solarpark. Sie können in den normalen Ausschreibungen nicht mithalten und damit bekommen die Landwirte oder Betreiber der Anlagen keine Marktprämie für ihren Strom.
Was wäre die Lösung?
Wir setzen uns gemeinsam mit Solar- und Bauernverbänden dafür ein, dass solche Lösungen wie die Agriphotovoltaik, solare Überdachung von großen Parkplätzen oder auch schwimmende Solaranlagen ihre Marktprämie über separate Ausschreibungen erstreiten. Denn all diese Technologien liegen preislich etwa auf dem gleichen Niveau.
Wie hoch ist das?
Derzeit liegen wir mit den Agriphotovoltaikanlagen zur Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen zwischen acht und neun Cent pro Kilowattstunde. Das ist zwar mehr als die Vergütung, die normale Solarparks brauchen. Aber es ist weniger als kleine Dachanlagen derzeit an Einspeisevergütung bekommen. Wenn in den separaten Ausschreibungen die Auktion mit einem maximalen Gebotspreis eingeführt würden, der niedriger ist als die höchste Einspeisevergütung, wie sie für Dachanlagen gezahlt wird, könnte sich in Deutschland ein funktionierender Markt für Agriphotovoltaik entwickeln und durch Skalierungseffekte die Kosten reduziert werden.
Das hängt sicherlich nicht zuletzt von den Kosten ab. Die sinken in der Regel mit Standardisierung. Wie weit ist diese in der Agriphotovoltaik gediehen, wie sie Baywa r.e. entwickelt?
Das ist nicht so einfach. Wir haben Lösungen für den Beerenanbau entwickelt und arbeiten derzeit an zwei Projekten, um Apfelplantagen mit Solarmodulen zu überdachen – eins in Rheinland-Pfalz mit einer Leistung von 200 Kilowatt und ein zweites am Bodensee. Da muss man die Ansprüche der jeweiligen Früchte mit beachten.
Wie muss man sich das vorstellen?
Die Aufständerung selbst ist ähnlich wie im Beerenanbau, die wir auf Spalierobstplantagen angepasst haben. Der Apfel braucht aber abhängig von der Sorte unterschiedlich viel Licht. Er braucht beispielsweise im Frühjahr viel Sonne, damit möglichst viele Früchte wachsen. Im Herbst braucht er ebenfalls eine schon fast definierte Sonneneinstrahlung, damit die Äpfel ihre beabsichtigte Farbe bekommen. Da müssen wir die Modultechnik entsprechend konfigurieren, um diesen Vorgaben zu entsprechen. Wir sind aber auf einem guten Wege, die entsprechende Technik zu entwickeln und dann auch zu standardisieren.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Im ersten Teil des Interviews berichtet Stephan Schindele über den technischen Stand, den er einst am Fraunhofer ISE mitentwickelt hat, bevor er zu Baywa r.e. gewechselt ist.
Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews, auf welche Lösungen sich Baywa r.e. bei der Entwicklung der Agriphotovoltaik konzentriert.
Stephan Schindele hat am Fraunhofer ISE zehn Jahre lang das Thema Agriphotovoltaik maßgeblich mitentwickelt. Er hat für das Freiburger Forschungsinstitut eine Pilotanlage in Hegelbach am Bodensee technisch und wissenschaftlich begleitet. Seit Anfang 2020 ist er bei Baywa r.e. für die Verknüpfung von Photovoltaik mit der Landwirtschaft zuständig.