Sie sind in der Photovoltaikbranche schon sehr erfahren, waren bei BP Solar, Schott und Centrosolar. Sie haben einige Insolvenzen und Abwicklungen erlebt. Und trotzdem nicht die Lust an der Solarbranche verloren?
Marion Fiege: Mein Einstieg in die Solarbranche war bei Biohaus in Paderborn, die Firma wurde einige Jahre später Teil der Centrosolar-Gruppe. Ich war bis 2007 bei Centrosolar. Danach war ich bis 2010 bei BP Solar, bis das Solargeschäft mit 3.000 Mitarbeitern weltweit quasi über Nacht abgewickelt wurde. So ging ich zu Schott Solar, aber auch Schott wickelte seine Solarsparte 2013 ab. Dieses Mal traf es 2.500 Mitarbeiter. Trotz dieser Erfahrungen wollte ich immer wieder in die Solarbranche zurückkehren. Es ist eine ganz besondere Branche, mit ganz besonderem Spirit und hoher Dynamik.
Seit Jahresbeginn 2020 leiten Sie den Vertrieb des Flachdachsystems bei der Ernst Schweizer AG in Hedingen in der Schweiz. Ihre Rückkehr in unsere Branche hat geklappt. Was hat sich heute gegenüber damals vor allem geändert?
Man muss stärker auf die Kunden eingehen. Die Märkte sind gereift, die Preise stark gesunken, die Nachfrage wächst, auch international. Das ist sehr gut. Ich habe schon einige unserer Kunden in Deutschland kennengelernt. Durch die Coronakrise konnte ich die Reisen eine Zeitlang nicht fortsetzen, und man kann nicht alles aus dem Homeoffice erledigen. Demnächst will ich unsere Kunden in den Niederlanden besuchen, um ihre Bedürfnisse zu erfahren.
An welcher Stelle sehen Sie die stärksten Veränderungen gegenüber 2013?
Gravierende Veränderungen sehe ich in der Lieferkette. Der starke Preisverfall hat den asiatischen Anbietern in die Hände gespielt, sie dominieren die Märkte. Dagegen haben europäische Hersteller wie wir von Ernst Schweizer nur eine Chance, wenn wir hohe Qualität anbieten. Auffallend ist auch, wie viele Solargroßhändler zwischenzeitlich zusammengeklappt sind. Sie wurden zum Teil durch Elektrogroßhändler ersetzt.
Und Ihre Kunden, die Installateure?
Die kleinen Solarteure sind fast völlig verschwunden. Die Installationsbetriebe, die sich im Markt halten konnten, sind gewachsen und größer geworden. Auch sie setzen auf Nachhaltigkeit, Qualität und fairen Umgang. Es hat sich gezeigt: Nur wer früher schon hohe Ansprüche an die Qualität hatte, konnte überleben.
Wie schätzen Sie die Situation bei den Projektierern ein?
Für sie gilt im Grunde genommen dasselbe wie für die Installateure: Der Markt ist anspruchsvoller geworden. Damals ging es um die Photovoltaik allein, die ihren Strom ins Netz einspeiste. Heute sprechen wir über komplette Energiekonzepte. Und es gibt völlig neue Anwendungen. Denken Sie an Floating PV, Agrophotovoltaik oder die wachsende Zahl der Solarkraftwerke auf dem Freiland.
Was hat sich kaum oder gar nicht verändert?
Die Photovoltaikanlagen erzeugen ihren Strom hauptsächlich verbrauchsnah. Das hat sich sogar noch verstärkt durch die Kopplung mit Wärme oder E-Autos. Kaum geändert hat sich leider auch, dass die Politik nach wie vor auf der Bremse steht. Dass der Solardeckel so knapp vor der Sommerpause des Bundestages erst abgeschafft wurde, ist mehr als enttäuschend. Und noch immer gibt es in der Großen Koalition keinen proaktiven Fahrplan, um die Energiewende zu beschleunigen. Ohne Druck läuft da nichts, das hat die Diskussion um den Solardeckel deutlich gezeigt. Ohne großen Druck.
Wie schätzen Sie die Marktentwicklung bei den Flachdachsystemen 2019 ein?
Der Markt ist sehr kleinteilig, es gibt rund 100 Anbieter von solchen Montagesystemen in Europa. Zudem gibt es viele regional aufgestellte Anbieter. Dessen ungeachtet hat sich das Marktsegment Flachdach sehr gut entwickelt. Die Industriedächer boomen, übrigens auch in den Städten. Systeme mit geringer Ballastierung wie unser MSP nutzen die geringen Tragreserven dieser Dächer gut aus. Zunehmend werden höhere Dächer in 20 oder 30 Metern Höhe oder noch höher genutzt. Vor allem in den städtischen Bereichen hilfreich sind Baupflichten oder die Kombination von Photovoltaik mit Substrat, also Gründächern.
Wie lief das MSP-Geschäft von Ernst Schweizer AG im vergangenen Jahr und im ersten Halbjahr 2020?
2019 lief es sehr gut, aber ich bin ja erst seit Januar im Unternehmen. Deshalb einige Informationen zum ersten Halbjahr: Trotz Corona konnten wir den Absatz in Deutschland um fast 40 Prozent steigern, sowohl bei Flachdachsystemen als auch bei der gesamten Aufdachsparte inklusive Schrägdachsystemen. Um unsere Marktposition auszubauen, haben wir unser Vertriebsteam in Deutschland verstärkt. Das hat sich ausgezahlt. Beim Indachsystem Solrif haben wir um 25 Prozent zugelegt, hier sind wir seit inzwischen 20 Jahren im BIPV-Markt aktiv.
Wie war es in der Schweiz und in Österreich?
In der Schweiz sind wir sehr stark gewachsen, das ist für Ernst Schweizer ja der Heimatmarkt. In Österreich sind wir durch die Tochtergesellschaft Doma Solartechnik gewachsen, dort haben wir mittlerweile rund 15 Prozent Marktanteil.
Und andere Auslandsmärkte in Europa?
In Italien und Spanien haben sich die starken Einschränkungen durch die Coronakrise und den Lockdown natürlich bemerkbar gemacht. In Skandinavien lief das Geschäft weiter, ebenso in den Niederlanden. Mit der Lieferkette hatten wir glücklicherweise keine Probleme, da wir alle Vorprodukte ohnehin von Zulieferern aus Europa beziehen. Wir waren jederzeit voll lieferfähig, darauf konnten sich unsere Kunden verlassen. Nur an den Grenzen kam es gelegentlich zu Verzögerungen, da kam die Logistik sprichwörtlich an ihre Grenzen. Jetzt hat sich alles wieder normalisiert.
Wie haben Sie die Kunden erreicht, auch wenn Sie nicht reisen konnten?
Über Webinare und Schulungen im Internet. Das lief ganz gut. Ich habe von Magdeburg aus dem Homeoffice gearbeitet. Faktisch lief das Geschäft ohne Unterbrechungen weiter. Aber nun ist es wieder Zeit, die Kunden persönlich anzusprechen und zu besuchen.
Ist das Geschäft schwieriger geworden?
Die Ernst Schweizer AG hat ihre Kunden immer sehr umfangreich beraten. Beim MSP geht es vor allem um die Statik und die Ballastierung. Die Kunden brauchen den fachlichen Hintergrund, unsere Expertise und Erfahrung. Deshalb helfen wir ihnen und unterstützen sie bei der Auslegung, beispielsweise durch Statikberichte für jedes Projekt. Dieser Aufwand ist notwendig, und sicher wird er künftig kaum geringer.
Welche technischen Trends sehen Sie bei den Flachdachsystemen?
Ein Trend ist zweifellos, so wenig wie nötig zu ballastieren. Man muss jedes Dach einzeln rechnen, um es für die Solargeneratoren zu erschließen. Ein weiterer Trend ist die Vormontage ohne Module. Die Gestelle können schon im Lager teilweise vormontiert oder auf dem Dach vorinstalliert werden. Die Module werden aufgelegt, wenn sie auf der Baustelle eintreffen. Dazu gehört eine möglichst einfache Montagetechnik, die aber bei der Qualität und der Sicherheit nicht spart. Zudem nehmen die Starkwinde zu, aufgrund der Klimaerwärmung und der damit verbundenen Extremwetterlagen. Das erhöht die Anforderungen an den statischen Nachweis und die Dokumentation der Anlagen.
Der Markt für Montagesysteme ist mindestens so stark unter Druck wie der Markt für Solarmodule: Zahlen die Kunden für diesen Aufwand?
Vielen Kunden ist die sichere Auslegung und Installation sehr wichtig. Jeder Kunde bekommt von uns einen statischen Bericht oder nutzt unsere Tools wie das Solar Pro Tool für die Auslegung. Das gehört zu kompetenter Betreuung einfach dazu.
Welche Schwerpunkte setzen Sie beim System MSP?
Ein gutes Montagesystem ist möglichst einfach. Es hat nur wenige Komponenten und braucht nur wenige Werkzeuge, um es auf dem Dach zu installieren. Es greift nicht in die Dachentwässerung ein und es ist modular aufgebaut. Auf diese Weise lassen sich Störflächen wie Oberlichter oder Entlüftungen auf dem Dach besser umgehen.
Welchen Nutzen hat der Installateur von der Auslegungssoftware Solar Pro Tool für das MSP?
In dieses Tool ist sehr viel von unserer Kompetenz eingeflossen. Es gibt dem Installateur und dem Anlagenplaner eine hohe Sicherheit. Und es beschleunigt den Prozess. Wir haben schon viele Lizenzen im Markt. Die Leute arbeiten damit, nutzen unseren Support und unsere Webinare. Der Weg vom ersten Entwurf bis zur Projektplanung geht damit sehr schnell. Das kann man sogar auf dem Notepad machen. Der Planer kann seinem Kunden gleich vor Ort eine Auslegung zeigen.
Welche Lizenzen bieten Sie den Installateuren an?
Eine Testlizenz für 60 Tage ist kostenfrei, ebenso eine Light-Lizenz, die aber nicht unseren E-Planer enthält. Die Volllizenz kostet etwas, ist aber ab einer bestimmten Umsatzmenge im Jahr, also ab 25.000 Euro, gleichfalls frei.
100 Jahre Ernst Schweizer AG: Wie wichtig sind Solidität und unternehmerische Erfahrung im modernen Solargeschäft?
Unsere Werbekampagne kommt bei den Kunden sehr gut an. 100 Jahre – das schafft natürlich Vertrauen. Vielen Installateuren ist das wichtig, gehören sie doch selbst zum Mittelstand und werden als Familienunternehmen geführt. Ernst Schweizer wurde ja nicht nur 100 Jahre alt. Wir sind ja auch schon seit Jahrzehnten im Solargeschäft tätig. Schon Mitte der 1970er-Jahre wurden die ersten Kollektoren für die Solarthermie angeboten.
Das Indachsystem Solrif ist auch schon sehr lange am Markt …
Genau, seit 20 Jahren. Nur wenige Teilnehmer im Solarmarkt können auf so eine Erfahrung zurückblicken. Mit Samuel Schweizer ist jetzt die vierte Generation der Familie Schweizer am Ruder. Wir stehen auf einer sauberen finanziellen Basis. Soziale Ziele und ökologische Ziele sind uns mindestens ebenso wichtig wie ordentliche Umsätze und saubere Bücher. Nicht zu vergessen, dass wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch in den Solarverbänden sehr aktiv sind.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
SL Rack
Verstellbarer Dachhaken passt für alle Ziegeldächer und Modulrahmen
Die Firma SL Rack von Ludwig Schletter präsentiert sich mit neuen Montagesystemen auf dem Photovoltaikmarkt, und zwar mit einem intuitiven Baukastensystem. Statt einer unübersichtlichen Auswahl aus mehreren Dachhaken fasst SL Rack die unterschiedlichen Variationen in einem Bauteil zusammen. Ein System, das für alle Ziegeldächer passt: werkzeuglos höhenverstellbar, ohne Unterlegplatten an das Dach anpassbar und aus leichtem Aluminium. Im Baukastensystem SL Rack Top 5 ergänzen sich fünf Produkte gegenseitig ergänzen.
Damit lässt sich jedes Ziegeldach ausstatten und die Anlage schnell und werkzeuglos an jede Höhe anpassen. Mit Endklemmen und Mittelklemmen für Modulhöhen von 30 bis 50 Millimetern, einem anpassbaren Profil für die gängigsten statischen Anforderungen und einem flexiblen Schienenverbinder sind alle nötigen Bauteile für die Montage beisammen.