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Big Data für die Energiewende

Die Hauptstadt der Eidgenossen zeigt sich grau, feucht, winterlich. Die Berge des Oberlands grüßen, ihre Gipfel scheinen die Wolken zu stützen. Einem breiten Fluss aus Stahlsträngen gleich windet sich das Gleisbett des Bahnhofs durch die Stadt.

Das Viertel an der Fabrikstraße hat wenig von dem historischen Charme der Altstadt. Hier stand früher ein Stahlwerk, jetzt hat die Universität einen modernen Campus draus gemacht. Junge Leute sind unterwegs, unbeeindruckt vom Wetter. So ist es nun mal im Winter, kurz bevor der Schnee kommt.

Wenn es ums Wetter geht, sind die Schweizer kaum zu beeindrucken. Heiße Sommer mit mehr als 30 Grad Celsius wechseln sich ab mit eisigen Wintern, die im Gebirge ebensolche Minusgrade erreichen können.

Mittendrin in Europas Wettersuppe

Meterhoher Schnee, gleißender Sonnenschein auch im Januar, plötzliche Gewitter und Stürme: Die Bewohner der Alpen und des Vorlands leben damit seit Menschengedenken. Denn wer das Wetter nicht im Blick hat, kommt am Berg nicht weit. Im Süden Italien, im Osten der weitere Verlauf der Alpen nach Österreich, im Westen sich weit öffnende Lande, die vom Mittelmeer und vom Atlantik dominiert werden – wettermäßig. Und im Norden das Allgäu, die Schwäbische Alb, dazwischen der Bodensee: lang auslaufende Vorgebirge, jedes eine kleine Wetterscheide.

Wenn jemand inmitten der europäischen Wettersuppe schwimmt, dann die Schweiz, die obendrein die höchsten Gipfel zählt, bedeckt mit Gletschern und ewigem Schnee.

Eine Zeit vom Hörensagen

So wundert es nicht, dass sich ausgerechnet in Bern ein ganz wichtiger Akteur der Energiewende entwickelt hat: Meteotest, Lieferant von Daten zur Sonneneinstrahlung, zum Wetter und zum Klima.

Ohne die genauen Daten zur Einstrahlung der Sonne an einem bestimmten Ort auf der Erde könnte niemand Solargeneratoren planen, bauen oder betreiben. „Schon 1981 haben wir uns als Genossenschaft gegründet“, erzählt René Cattin, einer der Geschäftsleiter von Meteotest, bei unserem Besuch in Bern. „Damals fand sich eine Gruppe von Geografen zusammen, das war eine Ausgründung der Universität.“

Cattin ist jung, er kennt diese Zeit nur vom Hörensagen, von den alten Kämpen, die bis heute gelegentlich vorbeischauen oder selbst noch in den Büros mitarbeiten. 40 Mitarbeiter führt er heute. Noch immer firmiert Meteotest als Genossenschaft, bei der jedes Mitglied eine Stimme hat, wie in Deutschland.

Jeder hat Stimmrecht

Das unterscheidet sie von der Aktiengesellschaft, bei der das Stimmrecht von der Größe der Unternehmensanteile abhängt. „Rund ein Drittel unserer Mitarbeiter hält Anteile an der Genossenschaft“, erzählt Cattin. „Genossenschaft klingt ein bisschen wie Freizeitverein. Aber wir sind ein Unternehmen, das wirtschaftlich geführt wird und Steuern zahlen muss wie jede andere Firma auch.“

1981 – das liegt mehr als drei Jahrzehnte zurück. Damals waren die Gründer junge Leute, Geld war knapp, sogar in der Schweiz, dem Zentrum der Hochfinanz. Eine Genossenschaft braucht weniger Eigenkapital als eine AG, auch war der Zeitgeist damals ein anderer. Damals herrschte ein gewaltiger Aufbruch, denn 1981 war auch das Jahr, in dem IBM den ersten Arbeitsplatzcomputer präsentierte, genannt Personal Computer, kurz: PC. Ein gewisser Bill Gates lieferte dafür das Betriebssystem.

IBMs verzweifelter Versuch

Der PC war der verzweifelte Versuch von IBM, einen Ausweg aus der Absatzkrise bei den Großrechnern zu finden. Dass die Computerbranche damit überhaupt erst zu ihrem globalen Siegeszug ansetzen würde, war nicht vorauszusehen. Damals stand die Computertechnik am selben Punkt wie die Photovoltaik heute.

Denn der PC öffnete beiden Technologien ungeahnte Möglichkeiten. „Der PC hat es erlaubt, dass jedermann Wetterdaten nutzen kann“, meint René Cattin. „Das war vorher nur mit Supercomputern möglich.“

Historisch gesehen wurden Wetterdaten zunächst mit analogen Messgeräten erhoben, systematisch etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Später erfassten digitale Systeme die Sonneneinstrahlung, die Temperaturen, den Druck, die Niederschläge und Winde. Diese digitalen Daten wurden in Supercomputer gefüttert, die ganze Säle füllten und kleine Kraftwerke zu ihrem Betrieb benötigten. Erst liefen sie mit Röhren, später mit Siliziumchips. Mit den PCs stellte sich die Frage: Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich, um Wetterdaten zu verarbeiten?

Generationswechsel in vollem Gange

Noch sind einige Leute aus der Gründerzeit dabei, doch der Generationswechsel ist auch bei Meteotest in vollem Gange. Das Unternehmen ist eine der ältesten Privatfirmen in Europa, die sich dem Geschäft mit Wetterdaten verschrieben hat. „Das ist Big Data“, erläutert Jan Remund, der Fachverantwortliche für Sonnenenergie und Klimatologie bei Meteotest.

Er ist seit 22 Jahren im Unternehmen tätig und so etwas wie der Kopf von Meteonorm. „Wir nutzen die Daten von rund 8.000 Wetterstationen weltweit, die verschiedene Parameter und unterschiedliche zeitliche Auflösung bieten. Die Datenmengen aus den Wetterstationen und Satelliten umfassen einige Terabyte.“ Nicht nur die Verfügbarkeit aktueller Wetterdaten macht das Geschäft aus, sondern auch die langjährige Erfahrung in der Interpretation und Aufbereitung.

Meteonorm überall integriert

Jeder Planer, jeder Installateur von Photovoltaik kennt Meteonorm: die Software für Einstrahlungsdaten, die in den meisten Programmen zur Auslegung der Generatoren integriert ist. Schon 1985 kam die erste Version auf den Markt. Zwischen 1993 und 1995 wurde bei Meteotest die erste digitale Version erstellt, im Auftrag des Schweizerischen Bundesamtes für Energie. Dieses Programm wurde zum Standard in der Photovoltaik, es wird in allen Simulationen von Solargeneratoren verwendet. Die Programme zur Planung und zur Simulation verfügen über einen Kern der Meteonorm, der bei Meteotest in Bern als Plug-in verwaltet wird.

Meteonorm wird auch als Webservice (API) und Plug-in (DLL) angeboten, man kann über das Internet zudem einzelne Datensätze kaufen. „Meteonorm nutzen alle großen Firmen der Photovoltaikbranche“, erzählt Jan Remund. „Weltweit haben wir viele Lizenzen verkauft, das Programm stellt bisher fünf Sprachversionen zur Verfügung.“ Auch das ist ein Vorteil der Schweizer: Deutsch, Französisch und Italienisch sind Landessprachen.

Jeder Installateur kann die Datensätze einzeln kaufen oder eine einmalige Lizenz für die Software, die er zur Anlagenplanung nutzt. Meteonorm ist international anwendbar, egal in welchem Land der Installationsbetrieb seinen Sitz hat.

Eis auf den Windrädern im Jura

Ursprünglich hatte Meteotest ein anderes Geschäftsfeld: „Große Umsätze haben wir in den Neunzigerjahren mit Wetterdiensten für Zeitungen und Fernsehstationen erzielt. Noch vorher waren es vor allem klimatologische Gutachten“, erzählt René Cattin, der selbst auch schon 14 Jahre im Unternehmen ist. „Damals waren diese Geschäftsbereiche unsere Goldesel. Doch die Wettervorhersage in den Medien ist heute ein schwieriger und hart umkämpfter Markt.“

Mit der Energiewende nahm die Bedeutung der Wetterdaten zu, die man für Solaranlagen braucht. „Unser Geschäftsbereich Sonnenenergie und Klimatologie deckt die Photovoltaik, die Solarthermie, Gebäudedaten und die solarthermische Stromerzeugung ab“, erläutert Cattin. „Wir haben viele Kunden aus der Schweiz. In der Photovoltaik kommen rund 80 Prozent unserer Kunden aus dem Ausland, vor allem aus Europa, aber auch weltweit.“

Daneben fertigt Meteotest klimatologische und Ertragsgutachten für die Windenergie an. „Ein wichtiges Thema ist die Vereisung der Windrotoren im Jura“, nennt Cattin ein Beispiel. Der Jura liegt an der Grenze zu Frankreich, von der Höhe den deutschen Mittelgebirgen ähnlich.

Zunehmend verlangt die Energiewirtschaft nach Prognosedaten für die nächsten Stunden und Tage, also nach der Vorhersage für die Sonneneinstrahlung oder Windgeschwindigkeiten. Sie werden für den Netzbetrieb und den Energiehandel immer wichtiger. Die Photovoltaik nimmt auch in der Schweiz Fahrt auf, also steigt die Nachfrage nach Solarkatastern, um die Planung von Dachgeneratoren zu erleichtern.

Auf Leben und Tod

Was die wenigsten Solarexperten wissen: Meteotest ist auch mit Daten zur Luftqualität befasst, vornehmlich für Schweizer Kunden und die Behörden auf Ebene des Bundes und der Kantone.

Dazu gehören Messwerte und Verteilungskarten zum Feinstaub, zum Ozon und zu Stickoxiden, ebenso Gutachten für Kehrichtverbrennungsanlagen, wie man die Müllverbrennung in der Schweiz nennt, für Autobahnzubringer oder Tunnels. Kein Wunder: Unzählige Tunnels führen durch die Alpen, die Abgase und Feinstäube aus Millionen Autos sind ein enormes Problem.

Außerdem stellt Meteotest – wie könnte es bei den Schweizern anders sein – Daten und Prognosen für alpine Expeditionen bereit, im Himalaya oder in den Anden. Allein im Frühjahr 2013 wurden 20 Expeditionen auf den Mount Everest mit Wetteranalysen betreut. Bei solchen Expeditionen sind Fehler nicht erlaubt: Jenseits des letzten Basislagers geht es um Leben und Tod. Kein Detail darf übersehen werden, erst recht nicht die Zeichen des Himmels: Wolken, Winde, das Licht und die Temperaturen.

Die Quellen für die Daten

Auch fragen die Versicherungen bei Meteotest nach Gutachten für große Konzerte oder andere Veranstaltungen unter freiem Himmel. „Die Versicherungen fordern genaue Wetterprognosen, um das Risiko von Stürmen und Gewittern abzuschätzen“, meint René Cattin. „Sonst werden die Open-Air-Events nicht mehr versichert.“

Mehr als 34 Jahre Erfahrung, Big Data im Wettergeschäft, aber kein eigenes Netz von Wetterstationen: In der Regel nutzt Meteotest die Daten, die von Wetterdiensten angeboten werden. Einzig Messnetze für den Zustand von Böden und Straßen oder Flugwetterstationen betreibt die Firma – im Auftrag der Eigentümer dieser Anlagen. „Wir übernehmen den Betrieb und die Daten“, erläutert Cattin das Modell. Eigene Satelliten betreiben die Eidgenossen nicht, haben aber eine Lizenz für den Meteosat.

Sie kaufen Wetterdaten vom nationalen Wetterdienst für die Schweiz, arbeiten eng mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH in Zürich zusammen, nutzen die frei verfügbaren Datensätze des Deutschen Wetterdienstes. Für die Expeditionen am Mount Everest wurden spezielle Wetterdaten aus den USA übernommen. In einem eigenen Modell wurden sie ausgewertet, um die Vorhersage zu verfeinern. „Im Internet sind viele Datenquellen frei verfügbar“, sagt René Cattin. „Die Kunst besteht darin zu wissen, wo sie verfügbar und in welcher Form die Daten geeignet sind. Auch ist wichtig, wie verlässlich eine Quelle ist.“ Der Kern des Geschäfts ist die geballte Kompetenz der Mitarbeiter, unzählige Daten aus vielen Quellen zusammenzuführen.

Das ganze Team – 40 Naturwissenschaftler, Meteorologen, Geologen, Physiker, Ingenieure, Umweltwissenschaftler und Informatiker – sitzt in dem kleinen, denkmalgeschützten Bürogebäude, in dem früher die Verwaltung des Stahlwerks hockte. Im Jahr 1998 ist Meteotest dort eingezogen, die früheren Räume aus der Gründerzeit wurden zu eng. Im Sommer 2014 wurde der Dachstuhl ausgebaut, um Platz für weitere Büros zu schaffen.

16 Kilowatt auf dem Firmendach

Seitdem kündet eine dachintegrierte Photovoltaikanlage (16 Kilowatt) vom solaren Aufbruch in der Schweiz, montiert mit dem Megaslate-System und kristallinen Modulen von Meyer Burger aus Thun im Berner Oberland. Der Generator deckt rund die Hälfte des jährlichen Stromverbrauchs der Firma. Ein sehr guter Wert, angesichts der vielen Computer, Server und dicken Datenkabel, die in den Büros laufen. Und für die Ventilatoren, um die rauchenden Hirne der Mitarbeiter zu kühlen.

www.meteotest.ch

Swissolar

Tagung zur Photovoltaik in Bern

Am 22. und 23. Februar 2016 findet in der eidgenössischen Bundeshauptstadt Bern die 14. Nationale Tagung zur Photovoltaik in der Schweiz statt. Veranstaltungsort ist der Kursaal von Bern.

Die Vorträge und Präsentationen widmen sich der weiteren Entwicklung des Photovoltaikmarktes in der Schweiz, vor allem vor dem Hintergrund anstehender Entscheidungen in der Politik und der Energiestrategie 2050, die derzeit in der Schweiz diskutiert wird.

Innerhalb der nächsten 20 Jahre sollen alle Atomkraftwerke in der Schweiz abgeschaltet werden. Das bedeutet, dass die erneuerbaren Energien den Anteil des Atomstroms von rund 40 Prozent übernehmen müssen. Die Atomkraftwerke haben zusammen eine Leistung von 16 Gigawatt. Etwa zwei Drittel des Stroms könnten aus Solargeneratoren kommen.

Die erforderliche Fläche beträgt rund 100 Millionen Quadratmeter. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein jährlicher Zubau von 800 Megawatt Photovoltaik notwendig. Derzeit werden im Jahr rund 300 Megawatt neu installiert.

www.swissolar.ch

Für Spezialisten

Einstrahlungsdaten für konkreten Standort

Ab sofort können Abonnenten unserer Zeitschrift die Einstrahlungsdaten des Vormonats für einen konkreten Standort online abrufen. Verfügbar sind Daten für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dieser Service wird ermöglicht durch eine Kooperation mit Meteotest aus Bern.

Seit einem Jahr präsentieren wir im gedruckten Heft und online den Einstrahlungsatlas für Deutschland, Österreich, Schweiz. Die Karte bildet jeweils die tatsächliche Sonneneinstrahlung eines Monats für die genannten Regionen ab. Ab sofort ist dieser Service für Sie noch attraktiver. Nach dem Log-in als Abonnent können Sie in einer interaktiven Karte einen konkreten Standort anklicken und die genauen Monatswerte des Vormonats abrufen. Über einen Play-Button ist auch eine Vergangenheitsbetrachtung möglich. Mit einer Zoomfunktion können Sie den Kartenmaßstab verändern.

www.photovoltaik.eu – Webcode: 1263

Multi-Contact AG

Im Auftrag von JET (Japan Electrical Safety & Environment Technology Laboratories) und CQC (China Quality Certification Centre) wurde die deutsche Fertigungsstätte der Schweizer Multi-Contact AG in Essen durch den VDE auditiert.

Ziel des Audits war die jährliche Re-Zertifizierung für die bestehenden JET-Produktzertifizierungen der MC4-EVO-Steckverbinder sowie die Freigabe des Werks für eine CQC-Zertifizierung von MC4.

Beide Audits wurden erfolgreich und ohne Beanstandungen abgeschlossen. Damit steht einer weiteren Vermarktung der PV-Steckverbinder von Multi-Contact in Japan und China nichts im Wege.

www.multi-contact.com

Werk in Essen zertifiziert

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