Beim Frühjahrstreffen der Solarbranche im Kloster Banz im März trafen sich mehr als 500 Expertinnen und Experten. Ein wichtiges Thema waren Anforderungen an die Leistungselektronik, die sich durch die solare Energiewende ergeben.
Denn es geht um viel mehr, als Solarstrom aus DC-Modulen in Wechselstrom (AC) umzusetzen. Mit besonderer Spannung erwartet wurde der Vortrag von Henk Oldenkamp, CTO von Solarnative. Vor sieben Jahren hatte der gewiefte Entwickler in Bad Staffelstein erstmals seine Idee vorgestellt, den Wechselrichter in den Rahmen des Solarmoduls zu integrieren. Damals gewann er den Innovation Award des PV-Symposiums.
Sieben Jahre von der Idee zur Fabrik
Zwischenzeitlich wurde der Powerstick auf der Intersolar vorgestellt. In Lohfelden in Hessen wurde eine Fabrik gebaut, die Massenfertigung der rahmenintegrierten Wechselrichter und ihre Auslieferung hat begonnen. „It‘s all in a stick“, sagte Oldenkamp. „Heute hat Solarnative mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Bisher wird der Powerstick vornehmlich für AC-Module verwendet, die als Balkonsysteme vertrieben werden. Für Aufdachsysteme soll der Powerstick 350 im zweiten oder dritten Quartal dieses Jahres verfügbar sein.
Die Fabrik läuft in zwei Schichten und liefert jeden Monat bis zu 20.000 Powersticks für Balkonmodule aus. Für die Applikation auf Dächern sollen im Monat 30.000 Geräte gefertigt werden. „No DC cables, no DC connectors, no bypass diodes“, erläuterte Oldenkamp, der als Urgestein der Entwicklung von Wechselrichtern für die Solarbranche gilt. Schon vor mehr als 30 Jahren war er an den ersten Seriengeräten bei SMA beteiligt.
Mit einem Megahertz getaktet
Da der Powerstick in den Modulrahmen eingeklinkt wird, bleibt die Rückseite des Solarmoduls frei. Somit ist dieser Modulwechselrichter auch für bifaziale Module geeignet.
Herzstück ist ein sehr kleiner HF-Transformator, der mit einem Megahertz taktet. Sämtliche Bauelemente sind auf der kaum fingerbreiten Platine untergebracht: Filter für DC und AC, Kondensatoren, der erwähnte Umformer, vier HF-Gleichrichter aus Silizium (bis 650 Volt), die Sicherungen und der AC-Anschluss. „Unsere größte Herausforderung war es, die HF-Transformatoren zu wickeln“, bekannte Oldenkamp.
Das macht Solarnative selber, um die erforderliche Qualität auch bei sehr hohen Stückzahlen zu erreichen. Denn um viele Tausend oder Hunderttausend Module geht es: Wenn die Modulhersteller ihr Zelllayout auf den Powerstick optimieren, kommt das Solarmodul künftig ohne Bypassdioden aus. Die Ströme im Modul sinken, dadurch sinkt der Kupferbedarf.
Ohne Dioden und Anschlussboxen
Oldenkamp empfahl Drittelzellen statt der bislang dominierenden Halbzellen. „Dann steigt der Modulwirkungsgrad, weil es geringere innere Verluste und geringere Verluste durch Mismatch gibt“, meinte der Experte. „Den Powerstick kann man direkt mit dem Modul verdrahten, dann entfallen auch die Anschlussboxen.“
Der Powerstick wird lediglich in den Rahmen eingeklickt. Die Anschlüsse aus den Zellstrings laufen in einem unscheinbaren Sockel im Rahmen zusammen. Daran dockt der Powerstick an, um die Verbindung herzustellen.
Hybridwechselrichter werden Standard
Was Oldenkamp nicht verriet: Solarnative arbeitet bereits an einem AC-Batteriesystem, das sich sehr einfach mit den Modulwechselrichtern aufbauen und integrieren lässt. Denn Hybridsysteme aus Photovoltaik und Batteriespeichern werden Standard, in allen denkbaren Größen.
Christian Klauer ist Experte für Regelungstechnik bei Meteocontrol. Im Kloster Banz stellte er die Ergebnisse eines Feldtests vor, bei dem Batteriespeicher für die gewerbliche Anwendung durch Hybridwechselrichter eingebunden werden. „Das Ziel war die Nulleinspeisung am Netzanschluss“, erläuterte er. „Denn wir wollten den erzeugten Solarstrom möglichst vollständig vor Ort verwenden.“
Möglichst viel Eigenstrom für Landwirte
Die Testanlage wurde in einem landwirtschaftlichen Betrieb installiert. Zur Steuerung dient der Controller Bluelog HEMS. Eingebunden wurden zehn DC-gekoppelte Speicher (je 25 Kilowattstunden) über zehn Hybridwechselrichter (je 20 Kilowatt Ladeleistung). Zudem kamen drei AC-geführte Speichersysteme (je 84,6 Kilowattstunden) zum Einsatz.
Sie wurden mit 56 Kilowatt beladen, entladen mit 133 Kilowatt. Gespeist wurden die Batterien von insgesamt 500 Kilowatt Photovoltaikleistung, verteilt auf acht Stringinverter: zweimal 100 Kilowatt und sechsmal 50 Kilowatt. Im Betrieb wurden Ladestationen für E-Fahrzeuge zum Beispiel am Morgen aus den Batterien versorgt.
Möglichst wenig Strom sollte ans Netz abgegeben oder aus dem Netz gekauft werden. „Die Steuerung erfolgte per Modbus RS485“, stellte Christian Klauer das Testregime vor. „Bei Stromüberschüssen am Netz wurden sehr schnell die Batterien aktiviert, um den Sonnenstrom für Eigenverbrauch zu sammeln.“
Alle lokalen Verbraucher wurden durch die Batterie versorgt. Auf diese Weise musste die Anlage nicht abgeregelt werden. Bei weiter sinkenden Speicherpreisen dürften größere Batteriepakete in der gewerblichen Anwendung wachsende Bedeutung erreichen – und die Wirtschaftlichkeit des Eigenverbrauchs weiter steigern.
Umrichter ersetzen Schwungmassen
Um große Solarkraftwerke ging es im Vortrag von Boris Fischer, Entwicklungsingenieur bei SMA. Er sprach über netzbildende Stromrichtersysteme. Sie ersetzen die rotierenden Massen der traditionellen Kraftwerke, die bei Netzstörungen zunächst glättend wirken.
Man spricht deshalb von Must-run-Units, weil die Turbinen mit ihrer enormen Schwungmasse und der daraus resultierenden Trägheit das Stromnetz kurzfristig stützen. Nun werden die Turbinenhallen und rotierenden Generatoren durch Solarkraftwerke und intelligente Wechselrichter ersetzt, die jedoch keine Schwungmasse aufbieten.
An ihre Stelle tritt der Batteriespeicher, der sehr schnell die Energie bereitstellen kann, um Einbrüche in der Netzfrequenz zu dämpfen. „In diesem Fall muss der Wechselrichter spannungsgeregelt, also netzbildend laufen“, erklärte Fischer. „Dann kann er lastbedingten Spannungsabfall im Netz ausregeln.“
Ein Pilotprojekt in Schottland
Wird der Wechselrichter stromgeregelt gesteuert, dann folgt er dem Netz und reagiert nicht auf Spannungsprobleme im Anschluss. Bei einer Anlage im schottischen Redhouse hat SMA eine Großbatterie über zwei netzbildende Wechselrichter (je acht Megawatt) angeschlossen.
Das kraftvolle Batteriesystem wird als Anker genutzt. „Den Spannungsabfall im Netz haben wir erzeugt, indem wir spontan vier Megawatt Lasten zugeschaltet haben“, sagte er. „Es braucht nur fünf Netzperioden, um das Netz zu stabilisieren“
Netzdienste für die Hochspannung
Im schottischen Blackhillock ist derzeit ein Batteriepark mit 300 Megawatt im Bau, 62 Wechselrichter sind zur Steuerung geplant. „Diese Anlage wird noch in diesem Jahr ans Netz gehen“, stellte Boris Fischer in Aussicht. „Diese Anlage wird Kurzschlussleistung und Momentanreserve als Systemdienstleistungen bereitstellen.“ Für das britische Hochspannungsnetz, wohlgemerkt.
In seinem Vortrag kam er auf netzbildende Solaranlagen ohne Speichersysteme zu sprechen. „Ohne Batterien wird das sehr schwierig“, meinte er. Denn für die Bereitstellung der Netzdienste müssen die Systeme faktisch jederzeit verfügbar sein, unabhängig vom Sonnenschein.
Handel mit Momentanreserve in UK
Die Pilotprojekte wurden zunächst in Schottland aufgebaut. Denn der Markt für Momentanreserven ist in Großbritannien und Australien weiter entwickelt als bei uns in Deutschland, wo er im Laufe dieses Jahres starten soll. Der Preisverfall bei Batteriesystemen spielt der neuen Technik zur Stabilisierung der Netze in die Hände. „Diese Batterien können auch am Energiehandel teilnehmen, je nach Preisen im Netz“, analysierte Fischer. „Der Stabilitätsservice bietet mehr Einnahmen für die Batterien.“
Dafür müssten die Speicher etwas größer gebaut werden, um den Stabilitätsservice garantieren zu können. Spätestens 2025 soll in Deutschland die marktliche Beschaffung von Momentanreserven kommen, zumindest als freiwillige Option.
50 bis 60 Prozent netzbildende Anlagen
Allerdings sollen alle Wechselrichter ab 800 Watt diese Funktion anbieten. Darauf wies Roland Singer hin, Gruppenleiter für stromrichterbasierte Netze am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau.
Die Hersteller und Anbieter der Geräte müssen die Funktionalität der Netzbildung nachweisen. „Vor allem im Verteilnetz könnte das Hunderttausende oder Millionen Wechselrichter betreffen“, rechnete Singer vor. „Um Großstörungen wie einen Blackout auszuregeln, brauchen wir nicht einzelne Projekte. Sondern 50 bis 60 Prozent der Solaranlagen müssen netzbildend sein.“
Umfangreiche Tests am Fraunhofer ISE
Derzeit testet das Fraunhofer ISE mit Herstellern von Wechselrichtern und den vier großen Netzbetreibern 50 Hertz, Transnet BW, Amprion und Tennet, ob die Geräte dafür vorbereitet sind. Denn netzbildende Wechselrichter müssen ihren Beitrag leisten, um die Spannungsqualität im Netz zu halten, etwa bei asymmetrischen Lasten.
Auch Netzfehler müssen erkannt und ausgesteuert werden. Innerhalb von fünf Millisekunden muss der Wechselrichter ins Inselnetz übergehen, wenn der Netzzustand dies erfordert, beispielsweise bei Überlastung und Spannungseinbrüchen.
Erfahrungen sammeln
Auch Teilnetze mit Solargeneratoren und Windrädern muss der Wechselrichter stabil halten, wenn das Stromnetz schwächelt. „Aus der Vermessung vieler Wechselrichter in unserem Labor wollen wir Erfahrungen sammeln“, sagte Roland Singer. „Daraus lassen sich Anforderungen für künftige Gerätegenerationen und die Normung ableiten.“
Das Labor beim ISE in Freiburg gehört zu den leistungsfähigsten Testzentren weltweit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können Wechselrichter mit sehr hohen Leistungen prüfen, bis zu mehreren Megawatt. Das Institut verfügt über einen eigenen Netzanschluss mit zehn Kilovolt, abgesichert über einen starken Trafo (40 Megavoltampere).
https://www.photovoltaik.eu/wechselrichter
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