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Sag mir, wo die Wolken sind

Die Integration immer größerer Mengen von Wind- und Solarstrom in die Übertragungsnetze ist besser zu bewältigen, wenn genauere Kurzfristprognosen zur Verfügung stehen. Dann weiß der jeweilige Netzbetreiber, wie viel Strom aus volatilen Energien demnächst in seinem Netzgebiet produziert wird, und kann darauf reagieren. Aber auch für den einzelnen Betreiber, für das Aufladen des eigenen Speichers und die Optimierung des Eigenverbrauchs bringen genauere Prognosen direkten Nutzen. Vor allem der Batteriespeicher dankt das optimierte Lademanagement mit erhöhter Lebensdauer. Darüber hinaus bedeuten treffgenaue Prognosen in der Direktvermarktung von Solar- und Windstrom bares Geld.

Kein Wunder also, dass die verschiedenen Akteure daran arbeiten, ihre Prognosen ständig zu verbessern. Für die Solarstromprognose ist die Vorhersage der Einstrahlungswerte essenziell, aber auch Temperatur und Niederschläge, und hier insbesondere Schnee, spielen eine Rolle. Neben den genauen Wetterparametern ist auf Betreiberseite die genaue Erfassung der Anlagenphysik, insbesondere von Ausrichtung und Neigung, der entscheidende Faktor für eine treffgenaue Prognose.

Eigene Mischung und Gewichtung

Wetterdienste, die Wetterdaten für Landwirtschaft und Industrie bereitstellen, haben in den letzten Jahren auch Produkte im Umfeld der Energiemeteorologie entwickelt und bieten diese Direktvermarktern, Netzbetreibern, aber auch einzelnen Anlagenbetreibern an. Neben der Qualität der Daten entscheidet ihre Aufbereitung und die Möglichkeiten zur Weiterverarbeitung darüber, ob sie für den jeweiligen Kunden Nutzen bringen. Naheliegend auch, dass Monitoringdienstleister, Softwarehersteller und Wetterdatenlieferanten gemeinsam versuchen, ihre Produkte weiterzuentwickeln.

Für den Monitoringspezialisten Meteocontrol ist die sorgfältige Auswahl von Anbietern entsprechender Daten und darüber hinaus eine eigene Mischung und Gewichtung verschiedener Datenquellen die Basis für genaue Prognosen. Dank der engen Kooperation mit der Universität Oldenburg können die Augsburger nun auch auf Infrarotbilder zurückgreifen. Diese bieten den Vorteil, auch ohne Tageslicht Wolkenzüge zu erkennen. Das ist besonders für Prognosen in den frühen Morgenstunden von Vorteil, wenn es noch gar keine Einstrahlungswerte gibt, weil die Sonne noch nicht aufgegangen ist.

Daten aus eigenem Monitoring

Für die Intraday-Prognose kann Meteocontrol außerdem auf reale Leistungsdaten von Anlagen zurückgreifen, die über das eigene System überwacht werden. Das sind immerhin rund 40.000 Anlagen. Daten von diesen Anlagen fließen in die Algorithmen ein, die kurzfristige Prognosen errechnen.

Die Prognosegenauigkeit ständig zu erhöhen ist die Aufgabe eines eigenen Teams in Augsburg. Es erfordert einigen Aufwand, neue Berechnungsverfahren zu ersinnen, zu testen und für das gesamte Portfolio zu übernehmen. Zum Beispiel braucht es verschiedene reale Wetterlagen, um ein geändertes Rechenverfahren tatsächlich auf seine Praxistauglichkeit zu prüfen. „Besonders die intelligente Verknüpfung aller vorhandenen Datenquellen war bislang so nicht am Markt verfügbar. Daher haben wir daraus einen neuen Service entwickelt“, erzählt Martin Schneider, Geschäftsführer von Meteocontrol.

Während bisher der Schwerpunkt in der Weiterentwicklung einzelner Produkte wie der Wolkenzug-Prognose lag, wurde nun ein selbstlernendes System aufgebaut, das Prognosen und Monitoring-Messwerte bestmöglich kombiniert. Für den Kurzfristbereich dominieren dabei die aktuellen Messungen, für die kommenden Stunden haben die Wolkenzug-Prognosen den größten Einfluss. Letztlich werden noch die klassischen Wetterprognosen genutzt, um Vorhersagen für die Folgetage erstellen zu können. „Damit können wir nun die gesamten Handelszeiträume von der kontinuierlichen untertägigen Vermarktung bis zum klassischen Day-Ahead-Spotmarkt erfolgreich abdecken.“

Prognosedaten für Wärmepumpe

Das Unternehmen Solare Datensysteme entwickelt und vertreibt seit 2007 die Solar-Log-Geräteserie sowie das Solar-Log-Webportal. Neben der reinen Anlagenüberwachung bietet Solare Datensysteme Lösungen für intelligente Komponentensteuerung und das Einspeisemanagement sowie zahlreiche Systemergänzungen. So gibt es bereits seit anderthalb Jahren eine Kooperation mit dem Wärmepumpenhersteller IDM. Kunden mit einer Wärmepumpe von IDM und einer mit Solar-Log überwachten Solaranlage profitieren von der Steuerung der Wärmepumpe auf Grundlage von Prognosedaten. Wetterdaten von Meteoblue werden über eine Schnittstelle direkt in das System gegeben, Wärmepumpe und Solar Log kommunizieren über ein intelligentes Protokoll. So kann zum Beispiel die Wärmepumpe am Vormittag, wenn Solarstrom zur Verfügung steht, das Haus in bestimmten Räumen um ein oder zwei Grad hochheizen, wenn für den Nachmittag eine geringe Einstrahlung vorhergesagt wird. In diesem Moment wird das Haus praktisch als Energiespeicher genutzt. Auch mit einigen Batterieherstellern kooperiert Solare Datensysteme bereits, weitere sind in der Integration. Kunden können über das Webportal neben den Leistungsdaten ihrer Anlagen auch den Ladezustand ihrer Speicher abrufen.

Studie belegt höhere Genauigkeit

2015 hat das Unternehmen gemeinsam mit Meteoblue auf dem PV-Symposium in Bad Staffelstein die Ergebnisse einer Studie vorgestellt. Bei dem gemeinsamen Projekt ging es darum zu belegen, dass Leistungsprognosen mittels tatsächlicher Leistungsdaten von konkreten Anlagen genauer berechnet werden können. Solare Datensysteme stellte Meteoblue Leistungsdaten von knapp 100 Anlagen in Europa zur Verfügung. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Daten lückenlos für mindestens zwölf Monate in der Vergangenheit vorlagen und die Anlagenparameter wie Ausrichtung und Neigung korrekt angegeben wurden. Meteoblue hat mit diesen Leistungsdaten seine statistischen Verfahren zur Berechnung einer Leistungsprognose weiterentwickelt.

Eigenes Nebelmodell

Anlagenspezifische Parameter wie Modultemperatur, Reflexionsverluste und spektrale Sensitivität der Solarzelle, die die Performance Ratio einer Anlage beeinflussen, wurden in die Berechnung integriert und anlagenspezifisch gewichtet. Zum Beispiel ist in Südeuropa im Winter meist eine höhere Performance Ratio als im Sommer zu beobachten, was durch hohe Modultemperaturen im Sommer gut erklärt werden kann.

Bei nördlicher gelegenen Anlagen verhält es sich häufig umgekehrt. Die Performance Ratio ist in der Regel im Winter geringer als im Sommer. Geringere Effizienz bei Abschattung und Bewölkung sowie Reflexionsverluste aufgrund von flachen Einfallswinkeln scheinen den Einfluss der Modultemperatur zu übersteigen. Im Vergleich zwischen einer Standardprognose, die ohne Messdaten errechnet wurde, und einer Prognose unter Berücksichtigung anlagenspezifischer Werte konnte eine signifikante Verbesserung der Prognose nachgewiesen werden.

Eine weitere wichtige Verbesserung bringt ein von Meteoblue entwickeltes Nebelmodell, das speziell dafür konzipiert wurde, Nebelfelder und Bewölkung besser zu prognostizieren. In den Wintermonaten betreibt Meteoblue dieses Wettermodell, um mit den spezifischen Nebelvorhersagen die Strahlungsprognosen der Standardmodelle zu optimieren. Denn gerade Nebel bereitet den Energiemeteorologen großes Kopfzerbrechen und sorgt für Ungewissheit bei der Strahlungsprognose. Nebelfelder können sehr klein sein, kleiner als das Drei-Kilometer-Raster des Wettermodells und zumeist auch auf Satellitenbildern nicht klar zu erkennen. Zudem ist schwer vorhersagbar, wann sich ein Nebelfeld auflöst, da die Wassermenge in der Luft mit großen Ungenauigkeiten behaftet ist.

Für Frank Schlichting, Geschäftsführer von Solare Datensysteme, gibt es eine Fülle an technischen Möglichkeiten, mit Prognosen weitere Produkte zu entwickeln. „Egal, ob es um Batterie- oder Wärmespeicher geht – die Ausgangsfrage ist ja immer, wie ich meinen Speicher so intelligent befülle, dass ich den größten Nutzen daraus schöpfen kann. Und mit genaueren Vorhersagen kann ich an dieser Stelle optimaler handeln.“

Stichwort Regelenergie

Für Schlichting sind intelligente Energieflüsse im Haus ein großer Zukunftsmarkt. Die Frage ist nur, wann der Durchbruch kommt. „Für Solar-Log ist das aktuell ein Randbereich, aber wir haben ihn als zukunftsweisend identifiziert und deshalb auch schon Lösungen entwickelt.“ Die großen Stückzahlen gibt es heute noch nicht, aber ein großes Potenzial – gerade im Schweizer Markt, wo Wärmepumpen stärker verbreitet sind als in Deutschland. Auch in Richtung Netze gedacht, eröffnen sich sinnvolle Möglichkeiten – Stichwort Regelenergie.

Mit Regelenergie gleichen Netzbetreiber unvorhergesehene Leistungsschwankungen in ihren Netzen aus. Es wird zwischen positiver und negativer Regelenergie unterschieden. Übersteigt die ins Netz eingespeiste Energie die zum selben Zeitpunkt entnommene Energie, liegt ein Leistungsüberschuss vor. In diesem Fall benötigt der Netzbetreiber negative Regelenergie durch Stromabnehmer, welche kurzfristig dem Netz Strom entziehen. Und das könnten in Zukunft immer öfter und in größerem Umfang Batteriespeicher sein. Wenn ein großer Peak an Solarstrom für ein Netzgebiet erwartet wird, werden Batteriespeicher nicht voll geladen, sondern erst und genau zum Zeitpunkt des erwarteten Stromüberschusses. Auch dafür sind genaue Leistungsprognosen essenziell. Bei ungenau prognostizierter erhöhter Stromnachfrage oder geringerer Einspeisung aus erneuerbaren Energien wird positive Regelenergie gebraucht. Der Netzbetreiber benötigt in diesem Fall kurzfristig Einspeisungen in sein Netz.

Auch hier könnten in Zukunft größere Speicher oder Schwarmspeicher ihre Dienste bereitstellen, vorausgesetzt, sie sind dann gut befüllt. Schnell wird klar, dass es neben der genauen Prognose auch um einen automatisierten Informationsaustausch der Systeme geht. Die Digitalisierung der Energiewirtschaft ist das Gebot der Stunde.

Besseres Engpassmanagement

In diesem größeren Zusammenhang ist auch die Kooperation von SMA und Tennet zu betrachten. Beide Unternehmen haben zur besseren Netzintegration der Photovoltaik einen Vertrag über die Lieferung von aktuellen Leistungsdaten aus Photovoltaikanlagen unterzeichnet. Das ist die erste Kooperation dieser Art.

Mithilfe der von SMA gelieferten Daten kann Tennet die Menge des tatsächlich eingespeisten Solarstroms in der Tennet-Regelzone in der Bundesrepublik Deutschland noch zeit- und realitätsnäher hochrechnen und in Kombination mit Wetterdaten für die nächsten Stunden und Tage treffsicherer prognostizieren.

In der Tennet-Regelzone befinden sich über 40.000 Solaranlagen mit SMA-Wechselrichtern. In die Regelzone des Übertragungsnetzbetreibers fallen rund 40 Prozent der Solareinspeisung in Deutschland. Tennet verwendet die Daten aus den SMA Energy Services deshalb zur Erstellung gebietsbezogener Hochrechnungen und Prognosen der Solarleistung, für die Vermarktung von EEG-Strom sowie zur Reduzierung des Regelenergiebedarfs und der Verbesserung des Engpassmanagements.

Sicherheit und sinkende Kosten

Diese Maßnahmen erhöhen nicht nur die Systemsicherheit, sondern wirken sich über die Netzentgelte letztendlich auch günstig auf den Strompreis aus. Die aktuellen Messdaten werden nach Postleitzahlgebieten aggregiert, Rückschlüsse auf einzelne Anlagen sind somit nicht möglich. Tennet bezieht wie andere Netzbetreiber auch Prognosen verschiedener Dienstleister, die ihrerseits wiederum auf verschiedene Wetterprognosen zurückgreifen.

Tennet aggregiert diese Informationen zu einer eigenen Leistungsprognose für sein Netzgebiet. „Aus der Kooperation mit SMA beziehen wir jetzt zusätzliche Daten direkt von der Quelle und nutzen diese für unsere Online-Hochrechnung“, erklärt Axel Kießling, Team-Manager Erneuerbare Energien von Tennet. „Die Online-Hochrechnung ist für uns eine wesentliche Größe für die Bildung einer guten Kurzfristprognose. In den Prognoseprodukten externer Lieferanten ist zum Beispiel der Trübungsgrad der Atmosphäre nicht genau genug abgebildet, die Echtzeitdaten aus der Erzeugung helfen uns, dieses Problem abzumildern.“ Je genauer ein Netzbetreiber seine Intradayprognose modellieren kann, umso besser kann er Abweichungen über den Handel glattstellen und muss weniger Ausgleichsenergie in Anspruch nehmen.

Bewegung von Wolken berechnen

Auch Meteotest aus der Schweiz wartet mit Neuheiten auf. Die Kürzestfristprognose Cloud Move basiert auf einem neuartigen Prognosekonzept: Mithilfe von Windfeldern aus Wettermodellen wird die aktuell mit dem Satellitenbild gemessene Bewölkung weiterbewegt und damit die Einstrahlung prognostiziert. Durch den Einbezug der exakten Position der Wolken in der Vorhersage kann eine Genauigkeit erreicht werden, wie sie mit herkömmlichen Wettermodellen nicht möglich ist.

Cloud Move wird alle 15 Minuten aktualisiert und liefert 15-Minuten-Werte für die nächsten sechs Stunden. Die Genauigkeit in Relation zur gemessenen Strahlung liegt für die ersten Prognoseschritte bei rund 20 Prozent und nähert sich innerhalb des Prognosezeitraums von sechs Stunden der Genauigkeit der Standardprognose an.

Die Kernkompetenz von Meteotest liegt bei den Einstrahlungsprognosen. Für Leistungsprognosen von Solarparks arbeitet Meteotest mit der Anfang 2016 gegründeten Firma Te Solva zusammen. Te Solva liefert mit dem Produkt Realcast hochwertige Leistungsprognosen auf Basis der Strahlungsprognosen von Meteotest.

Der Trend ist klar erkennbar

Realcast-Prognosen stützen sich auf eine hybride Methodik, die Statistik mit physikalischer Anlagensimulation verbindet. Dadurch ist im Gegensatz zu anderen Anbietern keine Anlernphase notwendig. Mit statistischen Korrekturen basierend auf realen Anlagendaten kann die Vorhersage noch einmal verbessert werden. Aktuell arbeitet die Firma Te Solva daran, einen optimalen Mix aus den Informationen aus dem Wettermodell und den Satellitendaten zu finden, um im Intradaybereich noch präzisere Vorhersagen liefern zu können.

Die Entwicklungen zeigen, dass Leistungsdaten von Anlagen eine wichtige Quelle sind, um Prognosen zu verbessern und die Integration immer größerer Mengen an volatilen Energieträgern ins Stromnetz zu meistern. Der Trend ist gesetzt, sicher werden in naher Zukunft weitere Lösungen den Markt erobern. Das geplante Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende schafft zudem einen wichtigen Rahmen, um den Einsatz intelligenter Messsysteme zu regeln. Schon im Mai 2016 soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein.

Für Spezialisten

Einstrahlungsdaten für konkreten Standort

Ab sofort können Abonnenten unserer Zeitschrift die Einstrahlungsdaten des Vormonats für einen konkreten Standort online abrufen. Verfügbar sind Daten für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dieser Service wird ermöglicht durch eine Kooperation mit Meteotest aus Bern.

Seit einem Jahr präsentieren wir im gedruckten Heft und online den Einstrahlungsatlas für Deutschland, Österreich, Schweiz. Die Karte bildet jeweils die tatsächliche Sonneneinstrahlung eines Monats für die genannten Regionen ab. Ab sofort ist dieser Service für Sie noch attraktiver. Nach dem Log-in als Abonnent können Sie in einer interaktiven Karte einen konkreten Standort anklicken und die genauen Monatswerte des Vormonats abrufen. Über einen Play-Button ist auch eine Vergangenheitsbetrachtung möglich. Mit einer Zoomfunktion können Sie den Kartenmaßstab verändern.

www.photovoltaik.eu – Webcode: 1263

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