Beispiel gefällig? Kein Problem: „öffentliche Stromnetze“. Dieser Begriff geistert durch Medien und das politische Bürokratendeutsch, als seien Stromnetze ein öffentliches Gut der Gemeinschaft wie beispielsweise Straßen, Plätze oder die Deutsche Bahn AG. Wobei letztere zugegebenermaßen ein staatliches Unternehmen ist, mit dem Bund als Eigentümer. Andere Anstalten nach diesem Strickmuster sind die Unternehmen der kommunalen Versorgungen, also Müllabfuhr, die meisten Wasserwerke, viele Kliniken, Schulen und Kindergärten.
1,8 Millionen Kilometer Netzlänge
Die Stromnetze in Deutschland als öffentlich zu bezeichnen, ist schlichtweg falsch. Ist schlichtweg eine Lüge (Liesche!). Denn nur ein geringer Bruchteil der rund 1,8 Millionen Kilometer Stromnetz befindet sich in kommunaler Hand. Nur in diesem sehr engen Sinne: bei öffentlich-rechtlichen Unternehmen zur Daseinsvorsorge, kann man von „öffentlich“ oder „öffentlicher Hand“ sprechen.
1,8 Millionen Kilometer Netzlänge teilten sich Ende 2016 wie folgt auf: 1,173 Millionen Kilometer gehörten zur Niederspannung und 511.000 Kilometer zu Mittelspannung. 136.000 Kilometer werden zur Hoch- und Höchstspannung gerechnet. Davon gelten rund 35.000 Kilometer als Übertragungsnetze, um größere Strommengen über längere Distanzen zwischen den Kraftwerken oder Kraftwerken und Verbraucherzentren zu verschieben. Niederspannung und Mittelspannung zählt man hingegen zu den sogenannten Verteilnetzen: Strom für die Industrie, für Gewerbe und Millionen deutscher Haushalte.
Rekommunalisierung der Verteilnetze
Klar, wir wissen: Es gibt einen Trend zu Rekommunalisierung der Verteilnetze. Denn tatsächlich war die Stromversorgung früher ein weitgehend öffentliches Gut, nämlich Aufgabe der Stadtwerke. Im Zuge der sogenannten Liberalisierung des Strommarktes zu Beginn des Millenniums wurden sie privatisiert, an die Tochtergesellschaften der Energiekonzerne verscherbelt.
Doch mittlerweile sind die Leute klüger. Hamburg hat seinem Namen als Freie Stadt alle Ehre gemacht und das Stromnetz wieder unter kommunale Verwaltung geholt – gegen erhebliche Widerstände von Vattenfall. Bundesweit gibt es 875 Verteilnetzbetreiber, von denen aber nur ein Bruchteil kommunal oder öffentlich verwaltet wird.
In Berlin tobt der Krieg noch, beschäftigt sogar die Gerichte. In Baden-Württemberg hat die CDU vor ihrem Abgang die Anteile an der EnBW zurückgekauft, der viertgrößte Energiekonzern in Deutschland wird seitdem wieder von der Landespolitik gesteuert. Die Liste ist lang und wird immer länger. Denn es hat sich erwiesen, dass die Privatisierung der Verteilnetze der öffentlichen Daseinsvorsorge zuwiderläuft. Die steigenden Strompreise verschärfen die Armut, immer mehr Menschen werden vom Strombezug ausgesperrt, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Und die Energiewende – Grundlage der Fortexistenz der menschlichen Spezies überhaupt – kommt nur in Gang, wo die Bürger selber Hand an die Zähler legen.
Politiker und Medien reiten eine Schimäre
In der Politik und in den Medien wird der Begriff „öffentliches Stromnetz“ jedoch gedankenlos für die gesamte Netzinfrastruktur verwendet. Wer vom „öffentlichen Stromnetz“ spricht, reitet eine Schimäre. Denn so etwas gibt es nicht. Noch gehört das gesamte Übertragungsnetz (außerhalb von Baden-Württemberg) und das Gros der Verteilnetze den Tochtergesellschaften von nationalen und internationalen Energiekonzernen – wird also privat kontrolliert.
Dennoch schwafeln Politiker und Konzernlobbyisten davon, dass das „öffentliche Stromnetz“ mehr Solidarität brauche. Dass man die Flucht der Solarkunden aus dem Netz ausgleichen müsse, indem man die Netzkosten auf alle verteilt, indem man Sonnenstrom durch EEG-Umlage bestraft und die Strompreise künstlich in die Höhe treibt. Um die Bilanzen der Netzeigentümer zu retten, die eigentlich nicht mehr zu retten sind.
Die Scheindebatte um die „öffentlichen Stromnetze“ ist Kleister auf die Augen der deutschen Wähler. In Wahrheit wird um das Geschäftsmodell der Netzbetreiber gekämpft, das längst überholt ist. Die Statistiken zeigen auch, dass die Investitionen zur Ertüchtigung der Stromnetze überall dort ansteigen, wo die Netze rekommunalisiert wurden. Dort tut sich was, kommt die Energiewende in Gang.
Mit der Liberalisierung beerdigt
Wer vom „öffentlichen Netz“ spricht, lügt. Denn es gibt kein „öffentliches Stromnetz“ mehr in Deutschland, das wurde mit der Liberalisierung beerdigt. Immerhin gibt es eine Renaissance des Gedankens, lebenswichtige Infrastruktur in die öffentliche Hand zurück zu bekommen. Das ist richtig und wichtig, um die Gemeinschaft heute und in Zukunft überhaupt gestalten zu können.
Eine Zivilisation, die auf elektrischem Strom basiert, braucht freie und öffentlich verwaltete Netze, damit sich ein selbsttragender Strommarkt entfalten kann. Damit Millionen dezentraler Generatoren die Versorgungssicherheit erhöhen und saubere Elektrizität liefern, wo früher gigantische Schlote qualmten und radioaktive Lava in den Reaktoren brütete. Das ist der Wandel vom Kraftwerksnetz zum Handelsnetz, von Strom als Mangelware zu Strom im Überfluss- für Jedermann preiswert und sauber.
Kein Bedarf an Stromtrassen
Es ist doch erstaunlich, dass sich die Rekommunalisierung vor allem in den Verteilnetzen vollzieht, die den Strom lokal und regional zu den Nutzern bringt. Bei den Übertragungsnetzen gibt es offensichtlich keinen Bedarf, sie in die öffentliche Hand zurückzuführen. Der Grund: Mit dem Ende der Großkraftwerke gibt es für die Höchstspannungstrassen überhaupt keinen Bedarf mehr. Sie werden verschwinden, weil die Meiler verschwinden.
Vom „öffentlichen Stromnetz“ zu sprechen, ist der klammheimliche Versuch, die überlebten Netzstrukturen zu konservieren – mit öffentlichen Mitteln. Das geschieht bereits, denn die Bundesnetzagentur garantiert den Energiekonzernen bei den neuen Stromtrassen eine Rendite, ob sie genutzt werden oder nicht. Das treibt die Netzkosten und schlägt voll auf die Strompreise durch.
Teure, überflüssige Windparks auf See
Auch die großen Windparks auf See sind nichts anderes als der Versuch, die alte Idee der großen Kraftwerke neu zu beleben: mit gigantischen Windfeldern fernab der Verbraucherzentren. Das ist Desertec in der Nordsee, schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Weil die erforderliche Anbindung an die Stromnetze zu Lande die Kosten in die Höhe treibt. Weil es ökonomisch und ökologischer Unsinn ist, Millionen Tonnen Stahl in den Meeresboden zu rammen, um elektrischen Strom anzulanden. Deutschland hat seine Verbraucherzentren im Süden und im Westen, sie könnten sich dezentral viel besser und günstiger versorgen – auch mit Windkraft vor Ort.
Doch die Politik, im sozialdemokratischen Vokabular mit dem hehren Begriff der „Solidarität“ verbrämt, erledigt das Geschäft der Energiekonzerne: Die garantierte Einspeisevergütung für den Offshore-Windstrom und die damit verbundenen Netzausbaukosten treiben die Strompreise weiter in die Höhe. Auch die Stromtrassen von Osten nach Westen oder Süden in Thüringen und Bayern sind so überflüssig wie ein Kropf.
Sozis spielen der AfD in die Hände
Das ist unsozial und spielt letztlich dem rechten Lager in die Hände. Die AfD hat kein Konzept für die Energiewende. Sie gaukelt den Leuten vor, dass es eine Rückkehr zu den alten Dreckschleudern geben könnte, als Strom noch billig war und die Risiken niemanden interessierten. Das ist einfach und weltfremd, aber die SPD macht es nicht anders.
Steigende Preise wiederum dienen den Lobbyisten der Energiekonzerne als Argument, um die Energiewende politisch zu torpedieren. Oder um einen Solidarbeitrag für die Konzerne einzufordern, unter dem Deckmantel der öffentlichen Daseinsvorsorge. Tatsächlich gemeint ist Vorsorge für die Renditen der Aktionäre, aus dem öffentlichen Säckel und den Portemonnaies der Bürger finanziert. Das kennen wir bereits von den Forderungen für den Rückbau der Atommeiler, vom Kohlepfennig und den staatlichen Subventionen für die Tagebaue, die irgendwann irgendjemand renaturieren muss.
Schaut den Leuten aufs Maul. Dann wird schnell klar, wer welche Karten spielt. Dieses Jahr wird gewählt. Da sollten wir erst recht jedes Wort und jede Aussage sorgfältig wiegen.