Kapitulation oder Waffenstillstand?
Töpfers Auftritt tat den gepeinigten Seelen der geschundenen Solarindustrie gut, immerhin ein Wundpflaster, ein karger Trost. Das hatte er beabsichtigt, sicherlich als aufmunternde und löbliche Geste. Denn in der Tat: Das Alte, Überkommende wird vom Neuen verdrängt. Wie bei jeder Geburt geht es dabei nicht ohne Schmerzen ab. Aber von „Krieg“ zu sprechen, wird der Situation nicht gerecht. „Krieg“ heißt Vernichtung, heißt unbarmherzige Gegnerschaft, heißt Auslöschung der jeweils anderen Seite. Entweder Ihr oder wir. Das läuft auf bedingungslose Kapitulation hinaus. Ein Waffenstillstand zum gegenseitigen Vorteil ist in dieser Logik nicht vorgesehen.
Noch immer halten sich alte Haudegen der Solarbranche damit auf, den Gegenwind aus der Politik und den Konzernen zu beklagen. Noch immer blicken sie melancholisch zurück, auf die guten alten Zeiten, auf die „Goldenen Zwanziger“, als die Photovoltaik in Deutschland noch lukrative Einspeisevergütungen erhielt. Die Folge sind verzögerte Innovationen für Energiemärkte, die gerade erst entstehen. Wenn der Kapitän fortwährend nach hinten schaut, wird der Kahn am nächsten Riff zerschellen.
Ökonomie und Ökologie versöhnen
Um es einmal deutlich zu sagen: Die Einspeisevergütung war kein Geschäftsmodell. Es war eine großzügige – und notwendige – Anschubfinanzierung durch die Gesellschaft, aber eben kein dauerhaftes Modell, das Ökonomie und Ökologie versöhnt. Solche echten, nachhaltigen Geschäftsmodelle entstehen erst jetzt. Nach dem technologischen und industriellen Aufschwung der Solarindustrie geht es nun um betriebswirtschaftliche Innovationen. Es geht um Märkte, Kunden und Wertschöpfung.
Die Produktion von Solarkomponenten ist nur eine Seite der Medaille. Ihre Montage auf Dächern, dem Freiland und an Fassaden die andere. Das ist ein bisschen wie bei Spannung und Stromstärke. Preiswerte Solarmodule, Batterien und Wechselrichter sind das Potential, das Millionen Kunden in Bewegung setzen kann. Wenn das gesamte System stimmt.
Wandel statt Krieg
Was Klaus Töpfer als „Krieg“ bezeichnet, würde ich eher als stillen Wandel betrachten. Er ist unvermeidbar, deshalb kann von Demoralisierung keine Rede sein. Demoralisiert werden kann nur, wer an seinen Zielen und Motiven zweifelt. Wer sich auf der falschen Seite wähnt. Doch die Photovoltaik ist stärker in der Welt (und in Deutschland!) denn je. Zwar erreicht der Zubau hierzulande keine 7,5 Gigawatt im Jahr, aber er ist mittlerweile imprägniert gegen das Auf und Ab in der Politik. Nicht allein der nominale Zubau zeigt den Wandel in der Stromversorgung. Sondern die in Bewegung gesetzten Geldströme.
Jetzt greifen kaufmännische Spielregeln, verzahnen sich Photovoltaik, Winterstrom (Windstrom?), Stromspeicher und intelligente Netze. Die Eigenstromversorgung von privaten Haushalten und Gewerbebetrieben, die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Stromnetze und virtuelle Kraftwerke sind auf dem Vormarsch, und zwar zwangsläufig, und zwar weltweit. Bis 2020 wird sich der globale Zubau in der Photovoltaik verdreifachen. 2020, das ist in fünf Jahren! Welche Branche hat solche Aussichten? Warum also Kriegsgeschrei statt Jubel?
Noch kein Selbstläufer
Freilich, der Wandel ist kein Selbstläufer. Er wird hart erkämpft, bedarf vieler – auch unangenehmer – Entscheidungen. Doch er findet jeden Tag statt, auf Tausenden Dächern in Deutschland, in den Heizungskellern, an den Zählerkästen und den Übergabestationen der Netzbetreiber. Das ganze System der Stromversorgung dreht sich zu den erneuerbaren Generatoren. Sogar große Konzerne wie Eon müssen diesem Sog folgen. Nicht, weil sie es wollen, sondern weil sie es müssen. Aus diesem Grunde wird Eon seine Großkraftwerke abstoßen: Weil damit künftig kein Geld mehr zu verdienen ist.
Die Gesellschaft mitzunehmen, bisherige Widersacher zu integrieren und in die richtige Richtung zu bringen, das ist die Aufgabe, vor der die Solarbranche steht. Wir müssen die Menschen und ihre Institutionen mitnehmen. Deshalb kann von „Krieg“ keine Rede sein. Im Gegenteil: Die erste Phase dieses Wandels liegt bereits hinter uns. Mittlerweile haben die erneuerbaren Energien die Initiative übernommen. Die fossil-nukleare Stromwirtschaft kann nur noch reagieren. Ihre Tage sind gezählt. Das Heft des Handelns hingegen liegt bei der Solarbranche, bei der Windkraft, bei Biogasanlagen und all den klugen Tüftlern, die neue Ideen für ein intelligentes Stromnetz umsetzen. Stromversorgung und IT wachsen zusammen.
Eon wird noch gebraucht
Lassen wir also die Kirche im Dorf. Wir werden Eon noch brauchen, mit seinen 33 Millionen Stromkunden. Wir werden RWE noch brauchen, als Partner der Installateure und Architekten. Und – das sage ich nicht aus Großmut – wir werden sogar Vattenfall noch brauchen. Nur diese Giganten sind in der Lage, enorme Finanzströme in die erneuerbaren Energien zu leiten und die Netze zu modernisieren. So viel Arbeit, die noch vor uns liegt.
Deshalb ein kleiner historischer Schwenk zu Thema „Krieg“: Als Großbritannien allein gegen Hitlerdeutschland stand, nach dem Debakel von Dünkirchen, rief Winston Churchill seinen Landsleuten (und allen Demokraten in den besetzten Ländern) selbstbewusst zu: „We will never surrender!“ Kurz darauf traten die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten in den Krieg ein. Nur ein Jahr nach seiner berühmten Dünkirchen-Rede warb Churchill vor dem kanadischen Parlament um die transatlantische Allianz. Selbstbewusst trat er auf, wusste er doch starke Partner und den Gang der Geschichte an seiner Seite:
„Give us the tools to finish the job!“