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Zweite Haut für die Deponie

Der Bergbau hat in NRW seine Spuren hinterlassen: stillgelegte Tagebaue, Brachflächen aus Gruben und Abraumhalden. Einige davon wurden in Naherholungsgebiete verwandelt, etliche jedoch in Deponien. Doch irgendwann sind diese gefüllt. Und so stellt sich die Frage: Was tun mit der vorbelasteten Fläche?

Auch der Kreis Lippe, genauer gesagt die Gemeinde Dörentrup, stand vor dieser Herausforderung. Im frühen 19. Jahrhundert wurden dort Quarzsandvorkommen entdeckt, sogenannter Silbersand. Dieser fand in der Glasherstellung Verwendung. So entstand ein großflächiger Tagebau, denn der hochwertige Dörentruper Silbersand war europaweit gefragt. Nachdem die Vorkommen Mitte des 20. Jahrhunderts ausgebeutet waren, erfolgte die Stilllegung, in den 1980er-Jahren dann der Ausbau der 16 Hektar großen Fläche zur Verbunddeponie.

Eine Million Kubikmeter Abfall

Die auf der Deponie gelagerte Restmüllmenge sank in den 1990er-Jahren drastisch. Der Hauptgrund hierfür war das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996, welches die stoffliche Verwertung von Abfällen und somit das Recycling förderte und der Ablagerung unvorbehandelter Abfälle ein Ende setzte. Die Deponie stellte den Betrieb ein. Von den vier ursprünglich geplanten Verfüllabschnitten waren zu diesem Zeitpunkt jedoch lediglich zwei als Deponiefläche ausgebaut, also nur rund die Hälfte der Fläche. Dort lagerten 1,1 Millionen Kubikmeter Abfall und brachten eine besondere Herausforderung mit sich: anfallendes Sickerwasser.

Dieses trat zwar bereits seit Beginn der Deponienutzung auf, spielte jedoch jetzt in den Überlegungen zur Folgenutzung eine entscheidende Rolle. Denn um es erneut dem Wasserkreislauf zuzuführen, muss es aufwendig und kostenintensiv gereinigt werden. Dafür durchläuft es nach einer biologischen Vorbehandlung ein Umkehrosmose-Verfahren. Kostenpunkt: mehrere Hunderttausend Euro jährlich. Eine Alternative musste her.

Kommunen, Energieversorger und die Abfallbeseitigungsunternehmen Lippe entwickelten folgendes Konzept: eine Photovoltaikanlage als Deponieabdeckung. Sie würde die Menge des anfallenden Sickerwassers reduzieren und damit die Kosten für die Aufbereitung senken.

Ziel: kein verunreinigtes Sickerwasser

Für das Projekt schlossen sich die örtlichen Stadtwerke, der Kreis Lippe sowie die regionalen Versorger und Kommunen in der Projektgesellschaft Photovoltaik Deponie Dörentrup zusammen. Das Konstrukt aus ausschließlich kommunalen Partnern war gleichzeitig ein Signal: Die ganze Region sollte profitieren. Und das tat sie – sogar schneller als gedacht.

Nach intensiven Gesprächen mit der zuständigen Genehmigungsbehörde gab diese dem Antrag statt, eine Photovoltaikanlage als Zwischenabdichtung auf einer Fläche von 2,05 Hektar auf der Deponie Dörentrup zu errichten. Der spätere Betreiber initiierte einen Ausschreibungsprozess, in dem er das Ziel vorgab: 95 Prozent des Niederschlagswassers sollte über die Solaranlage außerhalb des Deponiekörpers abgeführt werden. Denn die Deponie befand sich noch in der Stilllegungsphase.

Mit weiteren Setzungsprozessen war zu rechnen, und der Deponiekörper war noch nicht abschließend versiegelt. Das wirtschaftlichste und technisch sinnvollste Konzept bestand schließlich in der Errichtung eines Trapezblechdaches, auf das die Module montiert wurden.

Stabile Abfallgebühren

Danach ging es Schlag auf Schlag. Im Juni erfolgte die Auftragsvergabe, im Juli der Baubeginn und bereits im November die Fertigstellung.

Um die lokale Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze zu sichern, setzten die Projektverantwortlichen bei der Auftragsvergabe auf ansässige Handwerksunternehmen.

Das Konzept ging auf: Die Anlage reduzierte die Sickerwassermenge. 2013 wurde sie deshalb um eine Fläche von 2,1 Hektar erweitert (Dörentrup II), wodurch die Sickerwassermenge noch einmal reduziert werden konnte. So spart die Abfallbeseitigungsgesellschaft Lippe erhebliche Betriebskosten für die Abwasseraufbereitung. Das führt– auch bedingt durch die Pachtzahlungen, die sie für die Nutzung des Geländes erhält – zu langfristig stabilen Abfallgebühren in der gesamten Region.

Rückbau bereits vorgeplant

Ein weiterer Vorteil: Bei Bedarf lässt sich die Anlage zurückbauen. Denn unter ihr lagern wertvolle Ressourcen, die in der Zukunft als Rohstoffe verwendet werden könnten, beispielsweise in neuartigen Recyclingverfahren.

Das Regenwasser wird über die Ränder abgeführt. In einigen Randbereichen, wo das Wasser herunterläuft, wurden überdimensionale Dachrinnen montiert. In anderen Bereichen nimmt ein mit Kunststofffolien gedichtetes Grabensystem das Regenwasser auf.

Deponie Hellsiek mit 37.000 Modulen

Ein Modell mit Strahlkraft: Die Stadtwerke Detmold und die Betreiber der Dörentrup-Anlagen errichteten nach dem Vorbild von Dörentrup auf der stillgelegten Deponie Hellsiek 2016 eine weitere Anlage mit 6,6 Hektar Gesamtfläche. Die rund 37.000 Solarpaneele kommen auf eine Leistung von durchschnittlich acht Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Mit 6,6 Hektar Fläche ist die Anlage in Hellsiek rund dreimal so groß ist wie die Anlagen Dörentrup 1 und 2. Hier wurden außerdem an besonders neuralgischen Punkten sogenannte Tosbecken errichtet.

Das sind Auffangbecken mit Steinen, in die das Wasser bei Starkregen auch mit großer Wucht einströmen kann. Aus diesen Becken fließt das Regenwasser über 2,5 bis drei Meter breite Gräben in ein Regenrückhaltebecken. So ist auch bei starken Regenfällen die Wasserableitung jederzeit sicher möglich.

Klima Expo NRW

Regionale Klimaschutzprojekte

Seit 2011 liefert die Photovoltaikanlage auf der stillgelegten Mülldeponie Dörentrup knapp vier Millionen Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr und spart dadurch den Ausstoß von mehreren Tausend Tonnen CO2 jährlich ein. Aufgrund der besonderen Klimaschutzwirkung des Projektes, mit dem erstmalig eine temporäre Deponieabdeckung realisiert wurde, gilt es als Musterbeispiel und wurde daher als Vorreiter in die landesweite Leistungsschau für den Klimaschutz, die Klima Expo NRW, aufgenommen. Die Landesinitiative identifiziert und prämiert als Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung Vorreiter in Sachen Klimaschutz: Qualifizierte Projekte erfüllen eine Vielzahl an Kriterien, darunter ein hoher Innovationsgrad, Nachhaltigkeit sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht und Übertragbarkeit auf unterschiedliche Bereiche und Branchen. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen voranzutreiben – und das technologische und wirtschaftliche Potenzial der Region weiter auszubauen. Als Leistungsschau prämiert die Klima Expo NRW bis 2022 wegweisende Ideen einem breiten Publikum.

www.klimaexpo.nrw

Der Autor

Heinrich Dornbusch

hat Metallurgie und Werkstofftechnik an der RWTH studiert und zum Thema Kohlevergasung promoviert. Nach mehreren Tätigkeiten als Innovationsmanager und Unternehmensberater wurde er 2013 Geschäftsführer der Klima Expo NRW.

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