Der Fluss Leda schlängelt sich durch die Innenstadt der ostfriesischen Stadt Leer. Am Hafenbecken, direkt wo die Leda eine fast kreisförmige Zunge bildet, befindet sich das Büro des Kleinwindanlagenbauers Lely Aircon. Das erkennt ein Besucher leicht. Denn eine 18 Meter hohe Lely Aircon 10 steht direkt neben dem Gebäude. Zusammengebaut werden die Kleinwindkraftanlagen allerdings rund zwölf Kilometer weiter südlich. Die Fabrik steht in einem Gewerbegebiet mit immerhin 1.400 Quadratmeter Produktionsfläche.
Den ersten Prototyp, eine Anlage mit fünf Kilowatt Leistung, entwickelten Techniker bereits 1996. Im Jahr 2003 gründete Kai-Uwe Broek die Firma Aircon. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Vision einer künftigen dezentralen Energieversorgung motivierten ihn. „Jeder Verbraucher sollte auch Teil dieses Energiesystems sein“, beschreibt René Hackmann die Intention des Gründers. Hackmann ist Produktmanager Energie bei Lely Aircon. So lautet der Firmenname, seit der niederländische Agrarkonzern Lely den kleinen Windturbinenhersteller im März 2012 übernommen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt verließen rund 100 kleine Windmühlen das Werk und wurden in verschiedensten Ländern installiert. Im vergangenen Jahr baute die Firma dann bereits 60 Anlagen der Lely Aircon 10 – das bis dahin einzige Modell des Herstellers. Nun ist das Portfolio allerdings um die Lely Aircon 30, eine Kleinwindkraftanlage mit 30 Kilowatt Leistung, erweitert worden. Der Kleinwindbauer präsentierte das Modell Ende März auf der New Energy in Husum.
Attraktive Inselvergütung
Die Kernmärkte für die Norddeutschen sind Deutschland und vor allem England. Die starke Nachfrage auf der Insel ist einer relativ hohen Einspeisevergütung geschuldet. In England liegt sie bei 21 Cent pro Kilowatt. Zusätzlich gibt es 4,5 Cent bei einer tatsächlichen Netzeinspeisung. „Auf der Insel kann das Geld deshalb an guten Standorten in fünf bis sieben Jahren wieder drin sein“, sagt Hackmann.
Auch der deutsche Markt hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt, und die Nachfrage an Kleinwindkraftanlagen steigt stetig. Durch steigende Strompreise, nicht nur in Deutschland, interessieren sich Kunden weltweit zunehmend für diese Art der Sromerzeugung.
Je höher, desto mehr Ausbeute
Die Amortisation einer Kleinwindkraftanlage ist nicht so leicht wie bei einer Photovoltaikanlage zu ermitteln. Es gibt viele Faktoren, die bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt werden müssen. Diese Faktoren sind der Standort als solcher, die Anlagenhöhe, Hindernisse und Gebäude im Umfeld sowie das Jahreswindaufkommen. Deshalb bietet die Firma Lely Aircon ihren Kunden gerne eine individuelle Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für den eigenen Standort an.
Die Anlagen von Lely Aircon haben eine Höhe von 18 bis zu 30 Metern. Bei geringeren Masthöhen sei mit deutlich weniger Erträgen zu rechnen, sagt Hackmann und fügt hinzu, dass das auf die Verwirbelungen des Windes in Bodennähe zurückzuführen sei. Der geborene Osnabrücker fühlt sich mittlerweile selbst als „eingebürgerter Ostfriese”. Der Wirtschaftsingenieur arbeitete zweieinhalb Jahre für eine Hochschule im Norden an einem Projekt für das Bundesumweltministerium. Dabei ging es um eine autarke Energieerzeugung aus verschiedenen Anlagen. Darunter waren neben Biogas- auch Windenergieanlagen. So kam der Ingenieur in Kontakt mit der Firma Lely Aircon und konnte sich für den Dreiflügler begeistern.
Vision: grünere Landwirtschaft
„In Deutschland ist der Strompreis hoch, mit weiter steigender Tendenz, daher ist der Eigenverbrauch das beste Verkaufsargument“, bringt es Hackmann auf den Punkt. Gut sei es, einen möglichst hohen Anteil des Stroms aus der Kleinwindanlage selbst zu verbrauchen. Schon bei den aktuellen Strompreisen von rund 23 bis 28 Cent pro Kilowattstunde ein gutes Geschäft.
Genau wie die engagierten Entwickler bei Aircon pflegt auch Konzernchef Alexander von der Lely eine Vision – in seinem Fall die einer nachhaltigen Landwirtschaft. Das niederländische Unternehmen entwickelt schwerpunktmäßig Melkroboter und andere elektrisch betriebene Geräte wie Futterschieber oder Landmaschinen wie die Rundballenpresse.
Von der Lely führt das Unternehmen in der dritten Generation, und er kann sich gut vorstellen, dass die Kleinwindanlagen besonders für Bauern geeignet sind, die sie auf ihren Höfen betreiben. Denn sie bieten Landwirten eine Möglichkeit, den Strombezug durch Eigenproduktion zu begrenzen. Landwirte haben im Durchschnitt einen Energieverbrauch von 40.000 bis 90.000 Kilowattstunden pro Jahr und höher. Das weiß René Hackmann aus Gesprächen. Ein Haushalt in Deutschland benötigt dagegen durchschnittlich nur rund 3.500 Kilowattstunden. Die Grundlast der Höfe liegt meist rund um die Uhr zwischen fünf und zehn Kilowatt.
80 Prozent Exportquote
Aber nicht nur Landwirte sind potenzielle Käufer der Anlagen. Auch Industrie und Gewerbebetriebe, Schulen und lokale Behörden haben kleine Windanlagen installiert. So drehen vor der lokalen Sparkasse in Leer seit zwei Jahren drei Lely-Aircon-Turbinen, auch die Firma Ferrero entschied sich für die Installation von drei Anlagen vor einer Produktionsstätte in Polen. Die Lely Airco 10 besitzt seit 2011 das britische MCS-Zertifikat – und damit ein europaweit gültiges Netzzertifikat. „Das gibt dem Käufer Sicherheit und ist wichtig für den Verkauf“, sagt Hackmann. In Deutschland entwickele sich der Verkauf zwar positiv, zurzeit würden jedoch rund 80 Prozent der Produktion exportiert.
Lely Aircon verkauft komplette Anlagensysteme, auch Sonderlösungen werden nach Kundenwunsch erfüllt. Softwarekomfortfunktionen gibt es auch: eine aktive Messung und Aufzeichnung der Wetterdaten, des Schattenwurfs oder von Fledermausflugzeiten. Zudem kann der Überschussstrom auch in einen Pufferspeicher geladen werden.
Standortanalyse empfohlen
Es gibt auch die Möglichkeit, einen Vorabcheck des Standorts durchzuführen. Die Abweichungen bei Windprognosen liegen durchaus im Bereich von plus/minus 20 Prozent – die Kalkulationen sind damit deutlich ungenauer als für Photovoltaikanlagen. Entweder messen Techniker dann vor Ort, „oder wir kooperieren mit Instituten, die eine Prognose auf mathematischer Basis erstellen“, führt Hackmann aus. Die Daten würden dann von vorhandenen Wetterstationen ausgewertet, um eine Analyse zu erstellen. Aktive Windmessungen führt Lely Aircon mit Partnern durch.
Leiser als eine Kühltrühe
Die relative kleine Investition in einen Vorabcheck des Standorts gegenüber dem direkten Kauf der Anlage bringt Sicherheit über den gewählten Standort. Das könnte sich letztlich auszahlen.
Die Lautstärke einer Anlage spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Aircon-Anlage läuft im Vergleich relativ leise. Bei einer Windstärke von acht Metern pro Sekunde und einer Entfernung zur Narbe von gut 60 Metern liegt der Schallpegel bei 39,7 Dezibel. Und damit ist die Anlage deutlich leiser als beispielsweise eine Kühltruhe.
Das liegt an drei Gründen: Die Steuerung ist mit dem Wechselrichter genau abgestimmt, ein getriebeloser Generator erzeugt den Strom, und drittens ist das von Aircon entwickelte Design der Rotorblätter speziell an dieses System angepasst.
Bauerlaubnis klappt meist
Eine horizontale Achse, wie sie auch bei der Lely-Aircon-Anlage verwendet wird, hat sich aufgrund eines guten Verhältnisses zwischen Effizienz und Kosten am Markt durchgesetzt. Nicht umsonst sehen die großen Windkraftanlagen so aus, wie sie aussehen. Eine Dreiblattanlage ist dabei ein gängiges Modell – auch ähnlich wie bei der Großwindkraft.
Baugenehmigungen sind in der Kleinwindbranche ein vieldiskutiertes Thema. Die Firma Lely Aircon arbeitet bei diesem Thema eng mit den Bauämtern zusammen und begleitet den Kunden von der Erstellung des Bauantrages bis zur Inbetriebnahme der Windkraftanlage. Gerade landwirtschaftliche Betriebe fallen unter das sogenannte privilegierte Bauen, was die Abwicklung einer Baugenehmigung erleichtert.
Wenn die Behörde grünes Licht gibt, erklärt Hackmann, dann folgt der Bauantrag mit den technischen Daten und der Zertifizierung der Anlage. Lely Aircon bietet das komplette Servicepaket mit allen erforderlichen Nachweisen wie beispielsweise Schall- und Schattenwurfberechnungen an. Aus Hackmanns Sicht ist die Antragsstellung kein großes Problem: Er resümiert positiv: „Nach unserer Erfahrung haben rund 95 Prozent der Genehmigungsverfahren, die wir begleitet haben, am Ende auch geklappt.“
Die Lely-Gruppe
Grüne Landwirtschaft
Das niederländische Unternehmen Lely gibt es seit 1948. Lely baut Maschinen für die Futterernte, automatische Fütterungssysteme, Stallreiniger und Melkroboter. Der Jahresumsatz betrug 2012 rund 500 Millionen Euro.
Der Kleinwindanlagenhersteller Lely Aircon ist eine 100-prozentige Tochter unter dem Dach der Lely-Gruppe. Die Lely-Aircon-Sparte mit 25 Mitarbeitern ist eine eigenständige Fabrik innerhalb des Konzerns, und Lely International betreut den Vertrieb. Im Jahr 2013 wurden rund 60 Kleinwindanlagen weltweit installiert. Lely Aircon arbeitet mit mehr als 30 Händlern zusammen.
Das Interesse an kleinen Windkraftanlagen ist durch steigende Energiepreise sowie Einspeiseförderungen in einigen europäischen Ländern stark gestiegen.
Online-Rechner
Wann und wo lohnt sich eine Kleinwindanlage?
Vor dem Kauf einer Kleinwindanlage stehen Fragen der Wirtschaftlichkeit an erster Stelle. Wann ist die Windanlage amortisiert? Kann man mit einem Kleinwindrad Stromkosten sparen? Ein Online-Tool beantwortet diese Fragen. Merkmale des Tools:
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Der Kleinwindanlagen-Rechner ist ein Service des Kleinwindkraft-Portals.