Karl-Rudolf Maas ist Überzeugungstäter. Einer von jenen, die sich nicht so leicht von ihrem Weg abbringen lassen. Seine Zielstrebigkeit verbindet er mit nüchternem Pragmatismus. Und jenem Eigensinn, der die Menschen in seiner hohenlohischen Heimat auszeichnet.
Aufgewachsen ist der heutige Solarteur auf dem elterlichen Bauernhof. Der junge Landwirt ist aktiv eingebunden, als seine Eltern den Betrieb auf Bio-Produktion umstellen. Und er ist ebenso dabei, als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Familie zur Aufgabe des Hofes zwingen.
Start als Mechatroniker
Also lässt er sich umschulen zum Mechatroniker und beginnt danach – im Alter von 33 Jahren – ein dreieinhalbjähriges Studium an der Berufsakademie Mosbach. Abschluss: Diplomingenieur BA Mechatronik. „Eigentlich war mein Plan, nach dem Studium fünf Jahre lang in der Industrie zu arbeiten, um dann in den Bereich erneuerbare Energien zu wechseln“, sagt er rückblickend.
Aber der Ausbildungsbetrieb, in dem er sich während des dualen Studiums Praxiswissen angeeignet hat, kann ihm keinen Arbeitsplatz anbieten und meldet kurz darauf Insolvenz an. Wieder muss sich Karl-Rudolf Maas neu orientieren.
Kollektiver Pioniergeist
Wenn es einen kollektiven Pioniergeist in Sachen Photovoltaik gibt: In der Region um Schwäbisch Hall ist er zu Hause. Der frischgebackene Mechatronik-Ingenieur kommt in Kontakt mit Gottfried Gronbach, einem besonders aktiven Pionier. Er hatte bereits 1985 im benachbarten Wolpertshausen sein Unternehmen Novatech gegründet, um Biogas und Photovoltaik zu vermarkten.
Jetzt, im Jahr 2005, boomt der Markt für erneuerbare Energien und speziell Photovoltaik. Novatech sucht Monteure – und Karl-Rudolf Maas einen Job. „Meine Bewerbung bei Novatech war damals eher aus der Not geboren“, erinnert er sich. „Ich brauchte einfach Arbeit. Aber immerhin, ein Job in den erneuerbaren Energien passte zu meinen Plänen.“
Also wird er Monteur bei Novatech. Schon nach kurzer Zeit erkennt sein Arbeitgeber, dass in seinem neuen Mitarbeiter mehr Potenzial steckt. Der beginnt ein Lagerwirtschaftssystem aufzubauen und übernimmt schließlich das Projektmanagement für Biogasanlagen.
Der nächste Wechsel
Drei Jahre später öffnet sich die nächste Tür: Karl-Rudolf Maas wechselt 2008 zu Elektro Lingscheidt, einem auf Photovoltaik spezialisierten Fachbetrieb. Als Angestellter mit der Aussicht, den Betrieb später zu übernehmen. Inhaber Peter Lingscheidt hatte als Elektromeister seit den 90er-Jahren Photovoltaikanlagen gemeinsam mit Gottfried Gronbach gebaut.
Letzterer war für die mechanischen Dachaufbauten zuständig, während Lingscheidt für die Elektroinstallation verantwortlich zeichnete. Später installierten beide Firmen eigenständig Photovoltaikanlagen.
Szenarien durchgespielt
Es ist das Jahr 2011. Die Politik würgt eine ganze Branche ab. Peter Lingscheidt steht wenige Jahre vor seinem Ruhestand vor der Frage: Durchhalten, bis wieder bessere Zeiten kommen? Oder den Betrieb abgeben – an Karl-Rudolf Maas? Der versucht, sich im Laufe des Jahres 2012 Klarheit über das Risiko zu verschaffen.
Er spielt die unterschiedlichsten Szenarien für die nächsten Jahre durch – und übernimmt die Firma. „Rückblickend zeigt sich, dass ich damals zu optimistisch war.“
Ab 2014 liegt der Zubau bei Photovoltaik sogar unter seinen Worst-Case-Szenarien. Es folgen drei Jahre, in denen der selbstständige Solarteur „Kapital verbrennt“, wie er sich ausdrückt. „Aber ich hatte mir schon am Anfang gesagt: Ich will konstant am Markt bleiben, will mein Team, unsere Kernkompetenzen und unsere Leistung für die Kunden in der Region erhalten. Dafür haben wir gemeinsam gekämpft.“
Einige Hundert Kunden, zum Teil aus den 90er-Jahren, bilden in jener Zeit den Stamm des Unternehmens, viele davon im landwirtschaftlichen Bereich.
Neukunden kommen eher sporadisch hinzu, die Unsicherheit im Markt ist mit Händen zu greifen. In dieser Situation kommt dem Betrieb sein guter Ruf zugute. „Rund 80 Prozent unseres Geschäfts bekommen wir durch Empfehlungen, das hat uns viel von dem damals sehr dürftigen Zubau gebracht. Aufträge, die andere nicht mehr hatten.“
Das technische Herz des Betriebs
Das beste Vermarktungskonzept, ist sich der Solarteur sicher, sei detaillierte, ehrliche und sachkundige Beratung – und natürlich eine gut funktionierende Anlage, die dann auch die Ergebnisse bringt, die zuvor berechnet wurden. „Jede gut installierte und beratene Anlage ist die beste Empfehlung. Das aber geht nur mit unseren erfahrenen Mitarbeitern, die alle zehn Jahre und länger in der Branche beziehungsweise im Betrieb arbeiten und jeden Tag ihre Erfahrung einbringen.“
Mitarbeiter wie etwa der Feinwerktechnik-Ingenieur Daniel Wurster, der auch schon in den 90ern an frühen Anlagen beteiligt war, damals noch bei Novatech.
Oder Andreas Parti, der 2005 seine Ausbildung zum Elektroinstallateur im Betrieb gemacht hat. Beide nennt Karl-Rudolf Maas „das technische Herz des Betriebes. Sie leisten kompetenten Service für nahezu alle Anlagentypen, selbst aus den frühesten Jahren.“
Neue Technik gehört dazu
Die Dachmonteure wiederum sind für die fachgerechten Arbeiten an allen Details am Dach zuständig. „Auch wenn die Kunden den Mehrwert ihrer gründlichen Arbeit nicht immer bemerken. Von oben sehen ja alle Photovoltaikanlagen doch irgendwie gleich aus. Langfristig machen sich Qualitätsunterschiede doch bemerkbar, und wenn es nur eine sauber abgeklebte Dämmung ist.“
Wolle man diese Kompetenz erhalten, dann müsse man eben in schlechten Zeiten bluten – „auch wenn das den einen oder anderen nächtlichen Spaziergang auf dem Balkon bedeutet“.
Zu guter Beratung gehört natürlich auch, die sich verändernden Rahmenbedingungen und neue technologische Möglichkeiten einzubeziehen. „2013 kam die Erwärmung von Brauchwasser mit Solarstrom auf“, nennt Maas ein Beispiel. „Und man konnte den Einsatz der ersten Speicher auf Bleibasis ernsthaft in Erwägung ziehen.“
Solarteur aus Überzeugung
Es gibt in jener Zeit nicht wenige Wettbewerber, die sich aus der Photovoltaik zurückziehen und damit den Verlust von Kunden und Kompetenz in Kauf nehmen.
Bei Karl-Rudolf Maas hingegen festigt sich die Überzeugung, „dass es richtig ist, am Markt dranzubleiben. Wenn wir es schaffen, die Durststrecke zu überstehen, so meine Überlegung, dann behalten wir unsere Bestandskunden und halten unser Know-how aktuell. Und dass mancher Wettbewerber dann gar nicht mehr am Markt ist, wird für uns zum Vorteil. Heute zeigt sich, dass das genau der richtige Weg war.“
Der Umschwung ist da
Denn inzwischen ist der Umschwung da. „Ab Januar 2017 war es wie umgedreht: Die Chinesen haben gelernt, die Strafzölle zu umgehen. Innerhalb kürzester Zeit sind die Modulpreise um rund 30 Prozent gesunken – von durchschnittlich 560 Euro pro Kilowatt auf rund 390 Euro.“
Zugleich melden viele Fachblätter für Landwirte, dass sich Photovoltaik wieder rechnet. Und fast aus dem Nichts haben Karl-Rudolf Maas und sein Team wieder volle Auftragsbücher. Denn parallel zu den Landwirten entdecken private Hausbesitzer den Solarstrom wieder als lohnende Investition.
Was nicht zuletzt daher rührt, dass die Photovoltaik in der Region um Schwäbisch Hall generell ein gutes Ansehen genießt. So ist dort die Dichte an Photovoltaikanlagen seit vielen Jahren wesentlich höher als im bundesweiten Durchschnitt. „Die Menschen hier reagieren viel sensibler und schneller auf positive Signale in diesem Markt und auf die Chancen, die die Technologie bietet“, urteilt der Experte. „Das liegt sicher auch daran, dass wir sehr viele Akteure in der Region haben, die das Thema vorantreiben und in die Öffentlichkeit tragen.“
Das Energiezentrum Wolpertshausen zum Beispiel oder die Asedi, die viele wirtschaftliche Tätigkeiten von Landwirten in der Region bündelt.
Kooperation mit Einkaufsverbund
Mit der Asedi arbeiten Karl-Rudolf Maas und einige seiner Kollegen in der Region seit vielen Jahren eng zusammen. Die Organisation ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Maschinen- und Betriebshilfsrings Schwäbisch Hall – eines landwirtschaftlichen Selbsthilfevereins mit rund 800 Mitgliedern.
Neben zahlreichen Dienstleistungen für Landwirte, dem Verleih von Mietmaschinen und dem günstigen Einkauf von Bedarfsgütern für Vereinsmitglieder bietet die Asedi jede Menge Kompetenz, Beratung und Informationen zur Photovoltaik.
„Die Zusammenarbeit mit der Asedi ist ein wichtiges Standbein unseres Vertriebs. Dort werden Landwirte, aber auch Privatleute beraten, und die Asedi reicht Anfragen nach Photovoltaikanlagen an uns und unsere Mitbewerber weiter.“
Entscheidend für nachhaltigen Erfolg ist nach Überzeugung von Karl-Rudolf Maas, „dass man die individuellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Kunden sehr genau anschaut und darauf das passende Konzept aufsetzt. Pauschalkonzepte sind nicht zielführend, sondern das, was dem Kunden am meisten nützt.“
Wärmebedarf als Hebel
Aktuell gelte für Privatkunden vor allem abzuwägen, wie man den Eigenverbrauch wirtschaftlich sinnvoll steigert. „Der erste Hebel ist der Wärmebedarf für Heizung und Brauchwasser, der zweite ein Speicher.“
Allerdings ist der Solarteur in Sachen Speicher weit weniger euphorisch als viele seiner Kollegen und die Hersteller. „Einen wirtschaftlich interessanten Speicher gibt’s derzeit nicht am Markt.“
Dessen Kosten-Nutzen-Verhältnis hänge nicht zuletzt auch vom Lastprofil des Kunden ab. „Wird das Speichersystem falsch gewählt, können schnell Energieverluste von 25 Prozent, im schlimmsten Fall auch deutlich mehr auftreten.“
Mehr Speicher gefragt
Oder die Kapazität sei schlicht zu hoch und der Kunde habe unnötig viel investiert. 20 Prozent sind nach seiner Erfahrung ein guter Wert. „Mir ist nur der SMA Smart Energy bekannt, der auf etwa 15 Prozent kommt, alle anderen liegen deutlich höher.“
Dennoch gibt es immer mehr Kunden, die einen Speicher wollen, um ihren Autarkiegrad zu erhöhen. „Dafür ist dann ein Speicher selbstverständlich sinnvoll, vorausgesetzt, eine gewisse Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage lässt sich noch erreichen.“
Welche Batterie man dann einsetze, müsse individuell geklärt werden. „Da spielt neben dem Eigenverbrauch des Speichers natürlich das Zusammenspiel mit dem Batteriewechselrichter und dessen Nennleistung eine Rolle. Nicht zu vergessen der Lastgang im zu versorgenden Gebäude – also wann wie viel Strom verbraucht wird.“
Rund zwei Drittel seines Geschäfts macht Karl-Rudolf Maas nicht zuletzt aufgrund seiner persönlichen Historie mit Landwirten, hinzu kommen ein paar wenige Projekte im Gewerbebereich. Aber auch die Nachfrage von Privatleuten sei inzwischen wieder konstant gut. „Ich gehe für die kommenden Jahre von einem stabilen Markt mit positiver Tendenz aus.“
Ab 2020 wird es spannend
Richtig spannend wird es nach seiner Einschätzung ab 2020, wenn die Photovoltaikbetreiber der ersten Stunde aus der garantierten Vergütung fallen. „Das betrifft mehr als 100 unserer Bestandskunden. Danach kommen jedes Jahr weitere hinzu.“ Und ab etwa 2022 steigt die Zahl der betroffenen Anlagen und deren Größe. Ein Marktsegment, das zum Tagesgeschäft hinzukommt, freut sich der Solarteur schon jetzt.
Zusätzliche Impulse für die Photovoltaik in Baden-Württemberg setzt das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) des Landes, das seit Juli 2015 in Kraft ist. Demnach müssen bei der Erneuerung einer Heizung mindestens 15 Prozent der gesamten Energie, die im Gebäude verbraucht wird, aus erneuerbaren Quellen stammen.
„Die Heizungsbauer haben mittlerweile gemerkt, dass Solarthermie dafür keine geeignete Lösung ist. Aber wenn ich pro 100 Quadratmeter Wohnfläche zwei Kilowatt Photovoltaik installiere, dann werde ich nicht nur den gesetzlichen Vorgaben gerecht – ich kann den selbst erzeugten Solarstrom auch noch selbst nutzen oder einspeisen.“
Verbraucher differenziert ansteuern
Das Thema Eigenverbrauch werde vor diesem Hintergrund ohne Zweifel an Bedeutung gewinnen. „Dafür brauchen wir ein ausgefuchstes Einspeisemanagement wie etwa den Home Manager von SMA – ein System, das mich in die Lage versetzt, möglichst viele Verbraucher möglichst differenziert anzusteuern.“ Zu diesen Verbrauchern werde künftig die Wallbox gehören – die private Tankstelle fürs Elektroauto.
Preise sinken weiter
Denn natürlich werde sich die E-Mobilität in absehbarer Zeit zu einem Treiber entwickeln. „Wenn ich mir ein E-Mobil anschaffe, das weitgehend mit Solarstrom aus eigener Erzeugung fährt, dann ist das ein Kostenfaktor – und damit ein stechendes Argument sowohl fürs Elektroauto als auch für eine Photovoltaikanlage.“
Spätestens dann werde auch ein Solarspeicher interessant. Umso mehr, wenn auch deren Preise sinken und zugleich die Effizienz steigt. Im Übrigen: „Dass wir mit Photovoltaik deutliche Vorteile gegenüber Solarthermie bieten, liegt auf der Hand. Allein schon deshalb, weil sich mit Überschuss an warmem Wasser nichts anfangen lässt. Ein Überschuss an Solarstrom lässt sich aber immer noch vermarkten – wenn auch zu vergleichsweise niedrigeren Preisen.“
Wenn er sich abseits der betrieblichen Entwicklung etwas wünschen dürfte, dann stünde an erster Stelle, „dass die Politik endlich die Möglichkeiten der aktuellen Technik für den Klimaschutz mit aller Entschiedenheit aufgreift. Schließlich sind wir und sehr viele unglaublich aktive Pioniere in dieser Region dafür einmal angetreten. Dass sich eigennützige Geschäftsinteressen so hartnäckig gegen jede Vernunft durchsetzen können, hätten wir noch 2010 niemals für möglich gehalten.“
Inzwischen habe die Branche nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch die richtige Technik. „Deswegen wird es letztlich kein Halten mehr geben.“