Wenn Sie ein Vierteljahrhundert zurückschauen: Wie ging es damals los?
Andreas Siegemund: Die Consolar Solare Energiesysteme GmbH wurde im Jahr 1994 von Rolf Konrad, Ulrich Leibfried, Hans Stork und mir gegründet. Ich hatte damals gerade mein Studium beendet. Meine Diplomarbeit schrieb ich bei der Firma Bomin Solar. Ein Jahr lang arbeitete ich mit Ulrich Leibfried in einem gemeinsamen Ingenieurbüro.
Was haben Sie dort gemacht?
Das war schon der Vorläufer von Consolar. Wir hatten damals einen kompakten Folienabsorber entwickelt, der Warmwasser auf dem Dach erzeugt. Das System war vor allem für südliche Länder gedacht. Es war sehr effizient und brauchte nur wenig Material. Ein weiterentwickeltes System wurde später dann tatsächlich produziert und vermarktet.
1994 haben Sie Consolar gegründet, mit den drei erwähnten Partnern. Worum ging es Ihnen damals?
Wir wollten in den erneuerbaren Energien etwas bewegen, und das ist uns gelungen. Zunächst haben wir einen Schichtenspeicher entwickelt, zusammen mit seiner Regelung. Es ging darum, die Solarwärme aus thermischen Kollektoren möglichst effizient zu nutzen. Unser erster Schichtenspeicher bestand aus Kunststoff, fasste 500 Liter und war mit 60 Kilogramm der leichteste auf dem Markt. Später haben wir auf der Basis des Kunststoffspeichers eine Stahl-Pufferspeicher-Linie mit Paradigma zusammen entwickelt und zur Serienreife gebracht.
Haben Sie auch Solarkollektoren gefertigt?
Zunächst haben wir sie zugekauft. Später bauten wir eine eigene Fertigung für Röhrenkollektoren auf. In den ersten Jahren haben wir uns mit Kombianlagen, das heißt der solaren Heizungsunterstützung und Warmwassererwärmung, beschäftigt. Damit waren zwischen 15 und 50 Prozent solare Deckung möglich. Vor 13 Jahren haben wir schließlich die solare Wärmepumpe Solaera entwickelt, die mit hohen Systemjahresarbeitszahlen Gebäude zu 100 Prozent mit Wärme aus speziellen Kollektoren versorgt.
Erklären Sie es kurz?
Bei Solaera haben wir die Solarthermie mit einer Sole-Wärmepumpe gekoppelt. Wir hatten einen speziellen Flachkollektor für den Betrieb mit einer Wärmepumpe entwickelt. Dieser konnte auch unter niedrigen Umgebungstemperaturen arbeiten und hatte einen Lüfter auf der Unterseite des Absorbers. Bis minus 15 Grad Celsius konnte die Wärmepumpe die Energie von der Sonne und aus der Luft nutzen. Diesen kondenswasser- und vereisungsfesten Kollektor haben wir mit einer Sole-Wärmepumpe und mit einem Eisspeicher kombiniert, der die kalten Lufttemperaturen in der Nacht überbrückte. Vom Solaera haben wir rund 200 Systeme verkauft.
Welche Vorteile hatte das Solaera-System?
Mit Solaera konnten wir eine Systemjahresarbeitszahl zwischen vier und fünf erreichen, was dem Stromverbrauch von guten Erdsonden-Wärmepumpen entspricht, aber keine Bohrung oder Erdarabeiten erforderlich macht. Mit dem Solaera-System kann man den Wärmebedarf eines Wohnhauses für Warmwasser und Heizung zu 100 Prozent bei sehr geringem Strombedarf decken. Darin sehen wir einen Beitrag zur Energiewende, da bei vielen Grundstücken zum Beispiel auch im städtischen Umfeld keine Erdarbeiten vorgenommen werden können.
Wie lief es seinerzeit geschäftlich?
Wir hatten eine starke Nachfrage, als wir Solaera auf den Markt gebracht haben. Das System hat eine Leistung von sieben Kilowatt und kostete zwischen 30.000 und 35.000 Euro. Gerade als wir Solaera zur Serienreife fertig entwickelt hatten, entfiel die Bafa-Förderung für Neubauten. Für den Gebäudebestand sind sieben Kilowatt Heizleistung nur bei einer starken Sanierung eine ausreichende Leistung, entsprechend war das Marktsegment für Solaera klein geworden.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Für den Gebäudebestand brauchte man ein zusätzliches Heizsystem, also eine zweite Wärmequelle. Solche Anlagen ließen sich wegen der Kosten von zwei Systemen schwerer verkaufen, aber die Lösung haben wir erfolgreich umgesetzt und bieten sie bis heute an.
Wie viele Mitarbeiter hatte Consolar in den besten Zeiten?
Rund 60. Das war 2008. Heute sind wir noch zwölf Mitarbeiter, ganz tolle Leute.
Bieten Sie das Solaera-System noch an?
Wir haben den Hybridkollektor letztes Jahr durch Solink ersetzt. Das ist ein PVT-Kollektor, der solarthermische Energie und Sonnenstrom mit sehr hoher Effizienz kombiniert. Damit holen wir sieben Prozent mehr Strom aus dem Solarmodul und nutzen die Dachfläche gleich doppelt, thermisch und elektrisch. Außerdem treibt der Sonnenstrom die Wärmepumpe an. Die Kunden werden unabhängiger vom externen Strombezug. Solink wollen wir in der zweiten Jahreshälfte 2019 auch zur Kühlung anbieten, denn der Kollektor kann im Sommer gut Wärme abgeben.
Im vergangenen Jahr haben Sie den PVT-Kollektor Solink als Prototyp vorgestellt, unter anderem in unserem Heft zur Sektorkopplung im November. Wie war die Resonanz?
Wir haben sehr viele Angebote geschrieben, die Nachfrage war und ist erfreulich groß. Aus der Serie haben wir 2018 zusammen mit unserem holländischen Entwicklungspartner 50 Anlagen verkauft. In Holland sind Gaskessel im Neubau seit dem Sommer 2018 verboten, das übt einen starken Druck auf den Markt für Wärmepumpen aus. Jetzt können wir die Fertigungskapazitäten entsprechend ausbauen.
PVT-Kollektoren sind nicht so einfach zu stecken wie Solarmodule. Die Installateure müssen sehr sorgfältig beim hydraulischen Anschluss ein. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Das darf man nicht unterschätzen. Vor Jahren hatten wir ein Drainback-System unter dem Namen Solar Pur entwickelt. Das lief mit reinem Wasser und hatte zehn Quadratmeter Kollektorfläche, einen Kunststoffspeicher, die Regelung und eine Pumpe. Das fiel gerade in die Zeit, als der Markt für Solarthermie in die Rezession schlitterte. Um dieses System zuverlässig betreiben zu können, war ein konstantes Gefälle in der Verrohrung wichtig.
Warum war das Gefälle so wichtig?
Sonst konnte es im Winter vereisen. Obwohl in Holland diese Systeme weit verbreitet sind, hat das den einen oder anderen Installateur in Deutschland überfordert. Statt die Rohre gerade zu fixieren, wurden sie teilweise frei verlegt und froren ein. Das war uns eine wichtige Lehre. Bei Solink haben wir 1.000-fach bewährte Montage- und Stecksysteme auch für die Wärmeseite eingesetzt. Die Lösung ist ein Ergebnis unserer Erfahrung aus mehreren Jahrzehnten solarer Entwicklungsarbeit.
Was haben Sie daraus gelernt?
Die Systeme müssen so einfach wie möglich sein, vor allem bei der Installation. Das ist ganz wichtig. Unser Kombispeicher Solus war sehr erfolgreich, weil er ziemlich einfach ist. Es ist ein Naturumlaufsystem, das passiv aufgrund der Dichteunterschiede von Wasser arbeitet, sehr gut schichtet und dabei wenig anfällig für Störungen oder Montagefehler ist. Mit dieser Technologie wurden europaweit über 40.000 Systeme verkauft.
Der Markt für Solarthermie ging auf und ab, ebenso die Photovoltaik. Wie konnten Sie sich über all die Jahre motivieren weiterzumachen? Gute Ingenieure wurden überall gesucht.
Klar, wenn es rauf und runter geht, braucht man eine starke Motivation. Uns ging und geht es darum, weg von den fossilen Energien zu kommen, weg von den Emissionen, aber auch weg vom Atomstrom. Dafür haben wir uns immer wieder viele Gedanken gemacht und sehr innovative Lösungen gefunden, die oft patentiert wurden. Das ist unser Beitrag zum Klimaschutz, das ist unsere Motivation.
Rückblick auf ein Vierteljahrhundert: Worauf sind Sie vor allem stolz?
Consolar hat den Markt durch seine Entwicklungen und Ideen bereichert. Eine Anlage steht in der Antarktis und versorgt bei Extrembedingungen die belgische Forschungsstation. Wir haben den Markt mit Schichtspeichertechnologie, mit sehr brennstoffsparenden Regelungssystemen, innovativen Röhrenkollektoren und der solaren Wärmepumpe ohne Erdsonden vorangebracht. Wir haben Handwerker, Stadtwerke, Planer und Architekten für erneuerbare Energien sensibilisiert und nicht selten begeistert. Und mit Solink verknüpfen wir die Erfahrung und das Beste aus der Wärme- und der Stromwelt zu einem neuen System, in dem wir ein großes Potenzial für die Zukunft sehen.
Was hat Ihnen am meisten Sorgen bereitet?
Die fehlende Wahrnehmung und Wertschätzung der Politik für die Arbeit, die in den erneuerbaren Energien geleistet wurde. Das unterschätzte Potenzial, das in ihr steckt, ist nach wie vor ein Problem. Das war in den ersten Jahren anders, als Consolar und der Markt gewachsen sind. Heute gibt es eine unsinnige Diskussion über die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien.
Was genau meinen Sie damit?
Sie lässt die Kosten für Wetterextreme wie Dürren oder Stürme völlig außer Acht, ganz zu schweigen von den dadurch mitverursachten Flüchtlingsströmen und gesundheitlichen Auswirkungen. Effekte, die leider immer stärker jeden Einzelnen betreffen und spürbar werden. Nur wenige in der Politik sind anscheinend in der Lage, die anstehenden Notwendigkeiten zu erkennen und mutig zu handeln. Der Kohleausstieg sollte nicht erst in 2019 kommen, sondern hätte schon 20 Jahre früher kommen müssen. Aber natürlich sollte sich jeder auch selber am Schopf packen. Jeder Einzelne trägt Verantwortung für sich und seine Umwelt, da gibt es noch viel Spielraum, sein Verhalten anzupassen.
Was wünschen Sie sich für die nächsten 25 Jahre?
Dass die Politik sich ihrer Verantwortung für künftige Generationen stärker bewusst wird und auch danach handelt. Es muss sich spürbar etwas tun. Länder wie Holland und Dänemark sind mit ihrem Verbot von fossil betriebenen Kesseln Deutschland mittlerweile voraus. Darüber hinaus ist zum Beispiel eine CO2- und Umweltabgabe überfällig, welche die externen Risiken und Folgekosten angemessen berücksichtigt und dadurch steuernd in den Energiemarkt wirkt.
Brauchen wir neue Fördersysteme?
Die vielen aktuellen Förderungen sind so unübersichtlich, dass sie eher die Marktentwicklung blockieren als fördern. Die Politik sollte mehr Unabhängigkeit zeigen und Kompetenz entwickeln, durch mehr Experten und Strategieentwicklung in den Ministerien, mit weniger Einfluss durch die Industrie.
Welchen Trend sehen Sie in den kommenden Jahren?
Die erneuerbaren Technologien wachsen zusammen und lösen fossile Technologien ab: Biomasse und Wärmepumpen zur Wärmegewinnung, Stromerzeugung über Wasser, Windkraft und Solarenergie. Die E-Mobilität könnte auch schneller kommen als gedacht. Sie wurde von der deutschen Automobilindustrie verschlafen, vielleicht auch wegen zu großer Nähe zur Politik. Umweltfreundliche Energieversorgungssysteme werden dezentraler. Energie wird zunehmend beim Verbraucher produziert. Unsere Kunden verstehen und wollen das.
Das Interview führte Heiko Schwarzburger.
Innovation zur ISH in Frankfurt/Main
Solink liefert solare Kraft und Wärme vom Dach
Um die Wärmepumpe mit Solarwärme und Sonnenstrom zu versorgen, hat Consolar einen speziellen PVT-Kollektor entwickelt. Solink wird mit Sole-Wasser-Wärmepumpen kombiniert. Das neue Photovoltaik-Thermie-Modul zur kombinierten Strom- und Wärmeerzeugung weist eine sehr große Luft-Wärmetauscher-Fläche von 20 Quadratmetern für einen zwei Quadratmeter großen Kollektor auf. Hinzu kommt ein sehr hoher Wärmeübergangskoeffizient von der Umgebungsluft zum Wärmeträgermedium.
Die Entwickler stellten sich folgende Ziele: Die Vereisung bei kühlen Außentemperaturen um null Grad Celsius zu minimieren, das Solarmodul mit der Umgebungsluft zu kühlen und den Solarstromertrag zu erhöhen. Ziel war es außerdem, die Kostendegression zu nutzen, indem Standardsolarmodule sowie verbreitete industrielle Fertigungsverfahren für Wärmeübertrager verwendet werden.
Im Wesentlichen besteht das Konzept des neuen PVT-Moduls darin, dass der Wärmeübertrager auf der Unterseite des Solarmoduls nicht nur die nicht in Strom umgewandelte Solarenergie nutzt, sondern zusätzlich für die Wärmeaufnahme aus der Umgebungsluft optimiert wurde.
Der PVT-Kollektor Solink ist auf der ISH in Frankfurt/Main am Stand von Consolar (Halle 11.0/D57) zu sehen.
Andreas Siegemund
ist Maschinenbauingenieur, Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer von Consolar in Frankfurt/Main. Vor der Gründung des Unternehmens im Jahr 1994 arbeitete er in einem Ingenieurbüro und machte bei der Firma Bomin Solar eine Studien- und Diplomarbeit. Zuvor hatte der heute 54-Jährige an der Technischen Universität Darmstadt studiert.