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Sektorenkopplung

Kaserne in Bamberg wird sauberes Wohnquartier

Der Wärmepumpenhersteller AIT (Alpha Innotec) hat ein Team aus Spezialisten gebildet, um nachhaltige Versorgungskonzepte für Stadtquartiere und andere Großprojekte zu entwickeln. Sie unterstützen die Planer vor Ort, um energieeffiziente Lösungen zu schaffen. Denn klar ist: Je mehr Wärmepumpen installiert werden und je besser sie in ein Gesamtsystem eingebunden sind, desto schneller kommt die Wärmewende voran.

Zu den herausragenden Projekten gehört Lagarde Bamberg. Es ist eines der größten innerstädtischen Bauprojekte in Deutschland und ein Musterbeispiel für ein ganzheitliches Energiekonzept. Bei der Umsetzung arbeiten die Experten von AIT eng mit Stefan Loskarn zusammen. Er leitet den Bereich Quartiersentwicklung bei den Stadtwerken Bamberg.

Den Blick für die Details

Wer mit ihm ins Gespräch kommt, stellt schnell fest: Der Mann hat nicht nur das große Ganze im Blick, er kennt offenbar auch jedes Detail. Vor allem aber: Stefan Loskarn ist Feuer und Flamme für sein Projekt.

Das Lagarde-Areal erstreckt sich auf rund 20 Hektar. Von 1945 bis 2014 wurde es von der US-Armee als Kasernengelände genutzt. Der Abzug der Militärs öffnete den Planern der ehemaligen Garnisonsstadt neue Möglichkeiten. Mitten in der Stadt entsteht jetzt ein neues Wohngebiet – mit Grünflächen, Gewerbe und Raum für Kulturangebote.

Energie vor Ort erzeugen und nutzen

Das Vorhaben ist ambitioniert: Die Planer setzen auf eine Energieversorgung, die möglichst viele erneuerbare Energiequellen vor Ort nutzt. „Dafür haben wir sehr genau austarierte Energie-, Wärme- und Mobilitätskonzepte entwickelt“, sagt Stefan Loskarn.

Das Ergebnis spricht für sich: Rund 70 Prozent der benötigten Energie gewinnen die Stadtwerke mitten in der Stadt aus erneuerbaren Ressourcen – im Wesentlichen mit Photovoltaikanlagen und Geothermie. Damit setzen die Bamberger Maßstäbe. Denn neben den Neubauten – Wohnhäuser, Bürokomplexe und Gewerbeflächen – gilt es, auch Bestandsgebäude zu versorgen, die meisten denkmalgeschützt. Kein einfaches Unterfangen.

Im ersten Bauabschnitt, dem westlichen Teil des Lagarde-Campus, entstehen derzeit rund 900 Wohneinheiten und zahlreiche Gewerbe- und sonstige Flächen, beheizt und zum Teil gekühlt mit Wärmepumpen von Alpha Innotec.

14.000 Quadratmeter Solarfläche als Basis

Den Strombedarf des Quartiers – Lagarde West und Ost – decken die Betreiber über rund 14.000 Quadratmeter Solarflächen ab. Die Solarmodule versorgen die Wärmepumpen mit regenerativ gewonnenem Strom und sind, mit Ausnahme der denkmalgeschützten Bauten, auf fast allen Dächern installiert.

Im Endausbau wird die geplante Solarleistung rund 1.700 Kilowatt in Lagarde West und ungefähr 1.300 Kilowatt in Lagarde Ost erreichen. Die Solarkraftwerke liefern ihren Strom ins elektrische Betriebsnetz des Areals. Ein Teil geht in die Wärmepumpen, der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist und deckt über diesen Umweg den sonstigen Strombedarf im Quartier. Bilanziell, rechnet Stefan Loskarn vor, kommt der Strom für Lagarde zu 100 Prozent aus Photovoltaik.

Rund 70 Wärmepumpen installiert

Um die Energie unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erzeugung nutzen zu können, sind die Gebäude mit großen Wärmespeichern ausgestattet. Insgesamt werden im Endausbau von Lagarde West rund 70 Wärmepumpen von Alpha Innotec installiert sein. Sie produzieren im Jahr etwa 8.500 Megawattstunden Wärme.

Ihre Umweltenergie beziehen sie aus 55 Erdsonden, die auf dem Gelände bis zu 120 Meter tief in den Untergrund getrieben wurden. Zum anderen werden sie über horizontal verlegte Erdkollektoren mit insgesamt rund 20.000 Quadratmetern Fläche gespeist. 11.000 Quadratmeter davon liegen unter den Neubauten – ein Novum, denn bislang werden solche Erdkollektoren üblicherweise nicht überbaut.

Energie aus dem Abwasser anzapfen

Zusätzlich zapfen die Stadtwerke den nahe gelegenen Abwasserkanal an, der das ganze Jahr über Abwärme mit Temperaturen zwischen acht und zwölf Grad Celsius liefert. Dafür haben sie auf dem Boden des Abwasserkanals 750 Quadratmeter Wärmetauschermatten aus Edelstahl installiert.

Insgesamt kommen übers Jahr knapp 5.700 Megawattstunden für die Wärmepumpen zusammen – ganzjährig und unabhängig von der Witterung. Etwas mehr als 3.000 Megawattstunden liefert die Geothermie, der Rest kommt aus dem Abwasser der umliegenden Stadtteile.

Hoher Wirkungsgrad der Wärmepumpen

Die Wärmepumpen erzeugen mit einer Kilowattstunde Betriebsstrom bis zu fünf Kilowattstunden Heizenergie. Dazu ist in jedem Neubau eine Heizzentrale untergebracht, in der – je nach Größe und Heizlast des Gebäudes – zwischen einer und drei Sole-Wasser-Wärmepumpen ihren Dienst verrichten.

Verteilt wird die aus der Erde und dem Abwasserkanal gewonnene Primärenergie über ein sogenanntes kaltes Nahwärmenetz. Damit machen sich die Bamberger einen weiteren Effekt zunutze. Anders als bei einem warmen Nahwärmenetz entstehen aufgrund der vergleichsweise niedrigen Temperaturen praktisch keine Verteilverluste.

Im Gegenteil: Das Trägermedium wird in nicht isolierten Leitungen zu den Wärmepumpen in den Gebäuden transportiert. So nimmt es auf seinem Weg zusätzliche Wärme aus dem umgebenden Erdreich auf.

Kaltes Nahwärmenetz unterstützt Kühlung

Ein erwünschter Nebeneffekt angesichts der immer heißer werdenden mitteleuropäischen Sommer: Über das kalte Nahwärmenetz lassen sich die angeschlossenen Gebäude angenehm kühlen. „Dabei wird die Wärme aus den Häusern ins Erdreich abgeführt und gegen kühlere Sole ausgetauscht“, erläutert Stefan Loskarn. Die Wärmepumpen bleiben ausgeschaltet. Das Ergebnis ist ein sanfter Kühleffekt, der bis auf den Betrieb der Umwälzpumpen keine Energie kostet.

Die Wärme, die durch diese sogenannte passive Kühlung in den Untergrund verbracht wird, steht am Beginn der Heizperiode wieder zur Verfügung. Denn das Erdreich speichert die Wärme über Monate hinweg. Außerdem regeneriert dieser Kreislauf den Wärmevorrat im Untergrund und beugt dauerhaftem Auskühlen vor.

Zwei gasbetriebene BHKW als Back-up

Zwei erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke dienen als Back-up. Sie laufen stromgeführt und liefern bei Bedarf – falls die Solargeneratoren für längere Zeit zu wenig Energie liefern – Strom für den Betrieb der Wärmepumpen. Die dabei erzeugte Prozesswärme wird in einem Warmwasser-Pufferspeicher gesammelt und steht den Bestandsgebäuden über das Fernwärmenetz zur Verfügung.

Ein ausgeklügeltes System steuert sämtliche Energieflüsse auf dem Lagarde-Campus. Es sorgt unter anderem dafür, dass die Wärmepumpen heißes Wasser bereiten, wenn die Solaranlagen mehr Strom produzieren, als auf dem Campus verbraucht wird.

Warmwasser möglichst solar erzeugen

Diese auf Vorrat erzeugte Wärmeenergie wird in kleineren Warmwasserspeichern in den Gebäuden eingelagert. Insgesamt stellen sie ein zusätzliches thermisches Speichervolumen von rund 160 Kubikmetern zur Verfügung – verteilt über alle Gebäude. Damit sind sie wichtige Tagesspeicher, um ein eventuelles Überangebot an Photovoltaikstrom vom Tag für den Abend und die Nacht nutzbar zu machen.

Die Systemsteuerung sorgt auch dafür, dass der Bedarf an Wärme und Strom in jedem Gebäude immer optimal abgedeckt ist. Gleiches gilt für die Wiederverwertung sonstiger Energie, die im System anfällt, aber aktuell nicht genutzt wird. Gegebenenfalls regelt das System auch, dass die Back-up-Systeme angezapft werden – sei es das Stromnetz oder das Fernwärmenetz der Bamberger Stadtwerke.

Alle Register gezogen

Inzwischen sind mehr als 100 Wohnungen in Lagarde West bezogen. Die Erschließungsmaßnahmen für den Abschnitt Lagarde Ost laufen seit Ende 2022. Hier sollen in den nächsten Jahren weitere rund 300 Wohneinheiten entstehen.

Das Beispiel zeigt: Wer heute ein Stadtquartier zukunftssicher und nachhaltig mit Energie versorgen will, muss alle energetischen Register ziehen. Dazu gehört das Anzapfen nahe gelegener Primärenergiequellen wie Abwasserkanäle, Grund- oder Flusswasser und Geothermie. Dazu gehört aber vor allem als zentrales Element die Kombination von Photovoltaik und Wärmepumpen.

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