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Sparstrumpf auf dem Dach

Die Supermarktkette Aldi Süd ist einer der ganz großen Discounter im Lebensmittelhandel. Weltweit betreibt der Konzern mehr als 5.000 Filialen. In Deutschland unterhält die Firma allein mehr als 1.850 Märkte. In Österreich sind es 450, in der Schweiz über 170. In Großbritannien hat Aldi Süd schon fast 500 Supermärkte aufgebaut, in den USA 1.380. Das Geschäft ist hart umkämpft, jeder Cent und jeder Kunde zählt.

Nun haben die Manager der Handelskette erkannt, wie sie richtig sparen können: mit Photovoltaik und Erdwärme. Insgesamt 95 Megawatt Solarleistung hat Aldi Süd auf seine Dächer gebaut, um die Stromkosten in den Keller zu schicken. Zudem wird die Abwärme aus den Kälteaggregaten genutzt, wird die Beleuchtung der Supermärkte, Vitrinen und Kühlschränke auf stromsparende LEDs umgestellt. Auch die Logistikzentren des Konzerns werden modernisiert.

Bis zur Jahresmitte 2015 hat Aldi Süd bundesweit mehr als 850 Filialen mit Solargeneratoren ausgerüstet. Der Großteil des gewonnenen Stroms wird direkt in den Filialen verbraucht.

Bei Unternehmen wie Aldi ist der Bedarf an Kälte, Lüftung und Beleuchtung besonders hoch. Diese drei Verbrauchskategorien lassen sich mit Sonnenstrom besonders gut abdecken, weil kein Puffersystem in Form einer stationären Speicherbatterie notwendig ist.

Solarstrom als Markenzeichen

Rechnet man die Solaranlagen auf 29 Logistikzentren hinzu, erzeugt Aldi Süd jährlich 123 Gigawattstunden Sonnenstrom. Das entspricht dem Bedarf von 34.450 privaten Haushalten.

Zudem hat Aldi Süd bis Mitte 2015 auf den Parkplätzen von 50 Filialen die ersten Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge installiert. „Sonne tanken“ soll zum Markenzeichen von Aldi werden, vor allem in Ballungszentren wie München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Mülheim an der Ruhr. Die Kunden können dort ihre E-Bikes oder Elektroautos kostenlos aufladen – auch wenn die Sonne nicht scheint. Dann greift Aldi Süd auf das Stromnetz zurück.

Wesentliche Voraussetzung für den Einsatz der Photovoltaik war die Modernisierung der Kältetechnik. Für die Lebensmittelbranche sind Kühlung und Lüftung essenziell. Aldi Süd hat besonders effiziente Kühlmöbel angeschafft, die Leckagen in den Kältekreisen minimiert und klimafreundliche Kältemittel eingeführt.

Energieeffizienz und erneuerbare Energien gehen Hand in Hand. Allein durch Investitionen in moderne und umweltfreundliche Kühltruhen wurde der Stromverbrauch gegenüber herkömmlichen, analog geregelten Systemen um bis zu 50 Prozent reduziert.

Auf Propan umgestellt

Die neuen, steckerfertigen Truhen werden mit dem Kältemittel Propan (R290) betrieben. Bereits vier von fünf Truhen laufen bei Aldi Süd mit Propan, das als klimaverträglich gilt und die schädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffe (H-FCKW) ersetzt. Die H-FCKW gelten als wichtigste Verursacher des Ozonlochs.

Seit 2010 erhalten alle neuen Filialen Kühlregale, die mit Kohlendioxid als Kältemittel (R744) betrieben werden. Drehzahlgeregelte Verdichter und Ventilatoren für die Verflüssiger reduzieren den Strombedarf – neben elektronischen Expansionsventilen, intelligenter Regelung sowie Wärmerückgewinnung.

Erneuerung rundum

Bevor Sonnengeneratoren installiert wurden, hat Aldi Süd umfangreiche Maßnahmen in Angriff genommen, um den Stromverbrauch zu senken:

  • Verringerung der Kältemittelverluste (Leckagen) durch Verbesserungen der Anlagenkonstruktionen und regelmäßige Dichtheitsprüfungen,
  • speziell entwickelte Beleuchtungseinheiten in der Kühltechnik zur Reduktion der Wärmelast auf die Waren und zur Erleichterung des Energiemanagements im Kühlregal,
  • Einsatz von Energiesparlüftern, energiesparenden Nachtrollos und LED-Beleuchtung in den Kühlregalen,
  • Einbau von Energiezählern,
  • Ausbau der Datenfernüberwachung und Optimierung der Betriebszustände.

Erst in der jüngsten Zeit ist Sonnenstrom so lukrativ geworden, dass er sich zur Bedarfsdeckung der Supermärkte anbietet. Ein Fachpartner von Aldi Süd ist REC Solar aus Norwegen. Gemeinsam mit Pohlen Solar aus Regenstauf planen und bauen die Skandinavier nun etliche Photovoltaikanlagen für die Lebensmittelkette. Alle Generatoren sind baugleich. Insgesamt werden an 250 Standorten 140.000 Solarmodule von REC mit einer Gesamtleistung von rund 35 Megawatt installiert.

In acht Jahren amortisiert

Die Anlagen sind so geplant, dass je nach Standort rund 60 bis 90 Prozent der erzeugten Solarenergie direkt vor Ort verbraucht werden. In einer umfassenden Studie hatte REC untersucht, unter welchen Bedingungen und für welche Segmente gewerbliche und industrielle Solaranlagen für den Eigenverbrauch profitabel sind. Das Ergebnis überrascht nicht: Der gewerbliche Eigenverbrauch ist insbesondere für den Handel attraktiv. Handelsketten müssen in der Regel hohe Steuern und Abgaben auf eingekauften Strom zahlen. Durch selbst produzierten Strom können sie ihre Energiekosten deutlich reduzieren. Die Amortisationsdauer liegt unter acht Jahren, die EEG-Umlage eingerechnet.

Deshalb backt Aldi Süd mit Sonnenstrom große Brötchen. Die meisten Supermärkte sind Neubauten, die über ausreichend Dachfläche verfügen. Auch in der Nutzung von bestehenden Immobilien und in der Modernisierung bietet sich Kältestrom aus Photovoltaik an. Denn der Stromhunger der Kältetechnik und der Klimatisierung ist enorm.

Ein Beispiel ist das Kekswerk von Griesson – de Beukelaer im sächsischen Wurzen. In der 20 Kilometer östlich von Leipzig gelegenen Fabrik musste die alte Kältemaschine ersetzt werden. Sie wurde mit Ammoniak betrieben, genügte jedoch für eine Erweiterung der Produktion nicht mehr. Bei sommerlicher Hitze häuften sich die Störfälle, zumal die Anlage nicht nur die Keksmaschinen, sondern auch die Fabrikhallen kühlen sollte.

Wie bei vielen Lebensmitteln ist es bei Keksen wichtig, dass die Temperatur in den Hallen ein enges Fenster von 18 bis 20 Grad Celsius genau einhält. Nur dann haben die Kekse eine gute Qualität, sind kross und frisch. Vor allem die Lasuren sind sehr empfindlich gegen zu große Schwankungen.

So wurde eine zweite Kälteanlage installiert, um die Räume zu kühlen. Die neue Kältemaschine hat eine elektrische Anschlussleistung von 376 Kilowatt. Die drei Rückkühler sind mit modernen EC-Motoren ausgestattet.

Die Leistungsaufnahme jedes Ventilators beträgt 11,4 Kilowatt. Eingebaut wurde die Anlage bei laufender Produktion, während der Weihnachtszeit. Da liefen die Bänder gerade auf Hochtouren: fürs Ostergeschäft. Ähnlich sieht es in der Produktion von Schokolade aus. In dieser Branche ist die Kältetechnik der größte Stromverbraucher.

Neue Kunden ansprechen

Für die Hersteller und Händler von Lebensmitteln ist Sonnenstrom mittlerweile unverzichtbar. Die Stromkosten mit Photovoltaik zu senken, sichert auf lange Sicht die Umsätze und Tausende von Jobs in diesem Industriezweig. Schon 2013 hat Olaf Höhn erkannt, welche Chancen sich durch Sonnenstrom bieten. Höhn ist Geschäftsführer der Florida-Eis Manufaktur in Berlin.

Jedes Kind in der Hauptstadt kennt die blauen Lieferwagen. Nun halten mit Sonnenenergie aufgeladene Kühlakkus das Speiseeis kalt, wenn es zu den Kunden und Filialen ausgefahren wird. Die Fabrik arbeitet klimaneutral.

Die Eisherstellung ist ein Sommergeschäft, im Winter ruht die Produktion. Im Jahr 2012 wurde ein neues Fabrikgebäude geplant, auf einem Grundstück an der Berliner Stadtgrenze.

Ein kleines Windrad stromt mit

Das Energiekonzept stammt von der Firma Fenderl Energy. Der Strom für die Kältetechnik wird durch 700 polykristalline Solarmodule des chinesischen Herstellers Eging PV erzeugt, die zusammen 172,5 Kilowatt leisten. Die Strings wurden mit zehn Tripower-Wechselrichtern von SMA verschaltet, jeder leistet 17 Kilowatt. Aufgestellt wurden die Module auf dem Flachdach der Werkshalle, mit Ballastierung.

Seit Februar 2013 läuft die Anlage, der Strom wird vornehmlich in der Fabrik verbraucht. Mittlerweile ist ein kleines Windrad hinzugekommen, um Strom in sonnenarmen Stunden zu liefern. Geschäftsführer Höhn wirbt damit, dass sein Eis ohne Emissionen von Kohlendioxid hergestellt wird. Diese Idee ist aufgegangen. Heute ist Florida-Eis in zahlreichen Supermärkten gelistet, eigene Cafés bieten die kühlen Spezialitäten für Berliner und Touristen an.

Das Berliner Beispiel zeigt, wie ein kleiner Hersteller mit Sonnenstrom punkten kann – bei den Kosten und bei den Kunden. Es geht nicht mehr darum, die Dächer möglichst voll mit Solarmodulen zu belegen, sondern den Strombedarf mit Solartechnik genau abzudecken. Sogar bis nach Norwegen hat sich die Sache herumgesprochen, profitieren deutsche Anbieter von ihren Erfahrungen in der Photovoltaik.

Auch im Ausland erfolgreich

In Vestby haben IBC Solar und der norwegische Fachpartner Fusen AS innerhalb von neun Tagen die bis dahin größte Aufdachanlage in dem skandinavischen Land installiert. Anfang Oktober 2014 wurden insgesamt 370 Kilowatt installiert. Eigens zur Einweihung der Anlage reiste Tord Lien an, Minister für Öl und Energie in Oslo.

Investor war der Asko-Konzern, der wichtigste Großhändler für Lebensmittel in Norwegen. Der Solargenerator versorgt ein Logistikzentrum des Unternehmens. Nach dem erfolgreichen Start sollen auch die anderen 13 Standorte auf klimaneutrale Energien umgestellt werden. Allein in Vestby verfügt Asko über ausreichend Dachfläche, um zehnmal mehr Solarleistung zu installieren. Mittelfristig will Asko 20 Prozent seines Strombedarfs aus Photovoltaik decken. Rund 80 Prozent werden mit Windkraft abgedeckt.

Acht Megawatt für Kühlung

Eigenverbrauchsanlagen mit einigen Hundert Kilowatt gehören mittlerweile zum Standard. Doch die Generatoren können durchaus größer sein, viel größer. Nur fünf Minuten von der Autobahn A5 steht in Heddesheim ein riesiger Gebäudekomplex, wie übereinander gestapelte blaue und orangefarbene Würfel. Das ist das neue Verteilzentrum von Pfenning Logistics, genannt Multicube Rhein Neckar. Steil brennt die heiße Julisonne auf die Dächer der Lagerhallen. Doch die Temperatur der Kühlhäuser beträgt nur zwei bis drei Grad Celsius.

Die Kühlung frisst sehr viel Strom. Deshalb hat sich der Spediteur für Photovoltaik entschieden. Gebaut wurde die Anlage von Wirsol aus Waghäusel. „Wir erreichen mit der Solarstromanlage auf dem Dach des Logistikzentrums eine Deckungsrate von 90 Prozent“, erläutert Projektleiter Steffen Steinel von Wirsol. Nur zehn Prozent des Stroms muss Pfenning aus dem Netz kaufen.

Immerhin acht Megawatt hat Wirsol auf das Dach von Pfenning geklotzt, in Ost-West-Ausrichtung, auf elf Hektar Dachfläche. „Wir haben das auf 15 Minuten aufgelöste Lastprofil des Logistikzentrums animiert, um das Erzeugungsprofil der Anlage diesem Lastprofil anzunähern“, erklärt Steinel. Die Ausrichtung der Module gen Osten und Westen sorgt dafür, dass der Generator schon die Energie der aufgehenden Sonne nutzt und früh am Tag Strom produziert.

Die Spitzen abgeschnitten

Die nach Westen ausgerichteten Module hingegen bedienen sich der Nachmittagssonne. „Wir haben die Erzeugungsspitzen abgeschnitten“, sagt Steffen Steinel. Die Größe des Generators wurde so ausgelegt, dass er die Halle im Winter gut mit Solarstrom versorgt. Die dadurch entstehende Überproduktion im Sommer ist relativ gering, da die Kühlanlagen in den beiden Hallen in den warmen Monaten mehr Strom brauchen als im Winter.

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