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Netzanschluss

Sinnvoll abgeregelt?

Seit Oktober 2021 müssen Photovoltaikanlagen zur Stabilität des Stromnetzes beitragen. Seither gelten neue Regeln für die Bewirtschaftung von Netzengpässen. Vom Redispatch 2.0 sind alle Solargeneratoren mit mehr als 100 Kilowatt Leistung betroffen.

Das gilt sowohl für Anlagen, die ihren Strom ins Netz einspeisen, als auch für Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung. Das betont Catharina Helbig, Teamleiterin Daten- und Prozessmanagement bei Baywa r.e. Energy Trading.

Die technische Ausstattung ist kompliziert – zumindest für Anlagen, die nach der Einführung der Direktvermarktungspflicht gebaut wurden. Denn es geht nur darum, dass die Netzbetreiber die Anlagen regeln können, wenn sich eine Schieflage im Netz ankündigt. Das kann passieren, wenn der Betrieb der Kraftwerke nicht mit dem tatsächlichen Stromverbrauch übereinstimmt. Solche Steuerungshandlungen waren schon immer notwendig. Jetzt sind einfach mehr Anlagen einbezogen.

Marktrollen bestimmen

Was bedeutet die Einbeziehung der Solaranlagen in den Redispatch? Zunächst müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. „Die nötige Hardware, um eine Anlage auf Redispatch 2.0 umzurüsten, stellt keinen großen Kostenaufwand dar“, erklärt Andreas Bombarding, technischer Leiter bei WI Energy in Trier. „Pro Einspeisepunkt kann man mit pauschalen Kosten von etwa 500 Euro rechnen. Hinzu kommen weitere Kosten für die Einrichtung der Hardware und Software sowie die Einbindung in das Photovoltaiksystem. Dieser Kostenpunkt hängt stark vom Alter und dem Zustand einer Anlage ab.“

Bei neueren Anlagen integrieren die Planer von WI Energy die Hardware schon während der Errichtung, sodass nichts nachgerüstet werden muss. Dem Netzbetreiber müssen aber in jedem Fall die relevanten Ansprechpartner mitgeteilt werden.

Dies ist zum einen der Einsatzverantwortliche (EIV), der die Anlage tatsächlich steuert. Zum anderen muss der Betreiber der technischen Ressource (BTR) benannt werden. Das ist der Anlagenbetreiber. „Diese Aufgaben übernimmt in der Regel der Direktvermarkter, da er ohnehin Zugriff auf die Anlagen hat und sie steuern kann“, erklärt Andreas Bombarding.

Netzbetreiber darf eingreifen

Der Direktvermarkter in seiner Funktion als EIV und BTR teilt dem Betreiber des Netzes alle Daten des Generators mit. Schon beim Vertrag mit den Direktvermarktern wird es jedoch knifflig. Zwar übernehmen diese die Marktrollen als EIV und BTR oft kostenlos, doch dafür bekommt der Anlagenbetreiber nur ein Basispaket.

Das heißt, die Anlagen laufen im Prognosemodell. Hier wird aufgrund der Ertragsprognose bilanziert, was weitgehend dem gängigen Einspeisemanagement entspricht. Alternativ wäre ein Planwertmodell möglich. Hier müssten aber die EIV und BTR einen Erzeugungsfahrplan aufstellen. Das können die Direktvermarkter nicht kostenlos übernehmen.

Das Prognosemodell ist genauso wie der geduldete Eingriff durch den Netzbetreiber kein riesiger Nachteil im Vergleich zu den vorhergehenden Regelungen. Alternativ wäre möglich, dass der Anlagenbetreiber den Eingriff selbst vornimmt, nachdem der Netzbetreiber eine entsprechende Aufforderung geschickt hat. Auch das ist mit Mehrarbeit seitens des EIV und des BTR verbunden, der bezahlt werden müsste. „In Zukunft wäre der Aufforderungsfall durchaus denkbar, wenn die Digitalisierung weiter vorangeschritten ist und die Schnittstellen standardisiert sind“, erklärt Andreas Bombarding. „Dann könnte der Anlagenbetreiber auch proaktiver vorgehen und eventuell sogar ein Limit setzen, wie weit die Anlage tatsächlich abgeregelt wird.“

Keine Angst vorm Redispatch: Die Aufgaben übernimmt in der Regel der Direktvermarkter mit.

Foto: WI Energy

Keine Angst vorm Redispatch: Die Aufgaben übernimmt in der Regel der Direktvermarkter mit.

Schwieriges Thema Entschädigung

Denn hier geht es um die Strommengen, die eingespeist und vergütet werden. Die Strommengen, die nicht eingespeist werden können, werden entschädigt. „Die Anlagenbetreiber sollen nicht schlechtergestellt werden, als wenn die Anlagen keinem Redispatch-Eingriff unterliegen“, beschreibt Catharine Helbig von Baywa r.e. das Grundprinzip.

In der Praxis ist dies oft nicht der Fall. Denn es kommt auf das vereinbarte Abrechnungsmodell an. Die Direktvermarkter nehmen die Anlagen kostenlos in der Regel nur in das pauschale Abrechnungsmodell auf.

Das bedeutet, dass bei einer Abregelung die Leistung der Anlage weiter fortgeschrieben wird, mit der sie zum Zeitpunkt des Eingriffs ins Netz eingespeist hat. „Wenn die Solaranlage also früh um sechs Uhr abgeregelt wird, wenn sie noch gar keine Leistung erbringt und dann den ganzen Tag über abgeregelt bleibt, gibt es für diese kompletten Tag überhaupt keine Entschädigung“, beschreibt Bombarding den realen Fall, der durchaus vorkommt.

Über 100 dokumentierte Abregelungen

WI Energy hat bisher im Rahmen des Redispatch 2.0, also seit Anfang Oktober 2021, über 100 dokumentierte Regelfälle, bei denen die Leistung der Anlage reduziert wurde, sagt Bombarding. „Keiner dieser Fälle wurde bis heute entschädigt“, kritisiert er. „Das liegt auch daran, dass wir die verantwortlichen Marktteilnehmer noch nicht aktiv dazu aufgefordert haben. Von allein scheint die Entschädigung nicht zu kommen.“ Das liegt auch an den verschiedenen Zuständigkeiten. „Denn beispielsweise im vergangenen Jahr hatten wir in der Regel einen Marktwert Solar, der über der Marktprämie lag“, beschreibt Bombarding die Situation.

Der Netzbetreiber muss aber nur die Differenz zwischen Marktwert und Marktprämie auszahlen. Das gilt nur, wenn der Marktwert unter der Marktprämie liegt. Andernfalls bekommt der Anlagenbetreiber den Marktwert vom Direktvermarkter vergütet. Wird die Anlage abgeregelt, wenn der Marktwert über der Marktprämie ist, liegt die Entschädigungspflicht nicht beim Netzbetreiber, sondern beim Direktvermarkter.

Ausfälle bisher verschmerzbar

Das ist für einen Assetmanager der Größe von WI Energy mit gut 100 Megawatt Leistung im Portfolio, das zudem stetig wächst, bisher noch kein echtes Problem. „Denn wenn die Anlagenerträge schon in der Planung seriös prognostiziert werden, dann sind auch mal drei Tage Ausfall im Jahr drin“, sagt der Technikleiter von WI Energy. „Vor allem in einer Situation wie im vergangenen Jahr mit den hohen Marktwerten.“

Wenn die Regelungseingriffe steigen, kann es problematisch werden. Wenn der Marktwert unter der Marktprämie liegt, will der Anlagenbetreiber jeden Tag die Strommengen vergütet bekommen. Dann tut ein Sommertag weh, wenn die Anlage abgeregelt ist.

Verschiedene Modelle zur Abrechnung

Um die Situation zu verbessern, wäre ein anderes Abrechnungsmodell vorteilhaft für den Anlagenbetreiber. So wird im Spitzverfahren die Entschädigung anhand von Wetterdaten und der Kennlinie der Anlage berechnet. Es werden also die tatsächlichen Kilowattstunden entschädigt, die der Anlagenbetreiber nicht einspeisen konnte.

Ein drittes Abrechnungsmodell, bei dem die Berechnung anhand von Daten einer Referenzanlage erfolgt, ist ebenfalls besser für den Betreiber der Anlage. Doch diese Verfahren lehnen die meisten Direktvermarkter ab, zumal die technischen Voraussetzungen gegeben sein müssen.

Lösungen: Netzausbau, Digitalisierung und Transparenz

Deshalb gilt es in erster Linie, die Abregelungen zu verringern, was allerdings nicht in der Macht der Anlagenbetreiber liegt. Catharina Helbig nennt hier unter anderem den zügigen Netzausbau und die Schaffung von mehr Kapazitäten.

Dadurch können Netzengpasssituationen vermieden werden. Sie sagt: „Außerdem kann die Erzeugung durch eine intelligente Steuerung des Verbrauchs angepasst werden, sodass der Redispatch geringer gehalten werden kann.“

Digitalisierung kann Redispatch begrenzen

Andreas Bombarding sieht in der Digitalisierung eine Möglichkeit, den Redispatch zu begrenzen. Zudem fordert er mehr Transparenz. „Jeder Energieversorger hat die Verpflichtung, seine Regelmaßnahmen zu veröffentlichen“, erklärt er. „Das machen sie auch. Aber jeder hat ein eigenes Portal. Bei 860 Versorgern haben wir keinen Überblick, was wie und warum abgeregelt wird.“

Eine gemeinsame Plattform aller Versorger, auf der die Abregelungen veröffentlicht werden, würde für mehr Überblick und Transparenz sorgen. Dadurch wäre auch eine Analyse seitens der Anlagenbetreiber möglich, was wiederum den Netzen helfen könnte.

Green Planet Energy

Speicher integriert Ökostrom ins Netz

Foto: Stadtwerke_Haßfurt

Green Planet Energy hat 20 P­rozent an einem Großspeicher im fränkischen Haßfurt erworben. Dort will der Versorger testen, wie die schwankende Erzeugung von Windkraft und Solaranlagen künftig ­besser an den Stromverbrauch angepasst werden kann.

Der Lithium-Ionen-Speicher in ­Haßfurt ist seit Herbst 2021 in ­Betrieb. Er hat eine Kapazität von zehn Megawattstunden. Neben der Vermarktung der Flexibilität des Speichers im Intradayhandel senkt die Batterie mit neun Megawatt Leistung die Netznutzungskosten an der Übergabestelle zur ­Mittelspannung. Zusätzlich wird der Speicher für die Kompensation von Blindleistung genutzt.

Um den besseren Ausgleich der volatilen Ökostromeinspeisung mit dem Verbrauch zu ­erproben, wird ein zusätzliches Betriebskonzept eingeführt. Der Speicher lagert Überschüsse aus der regionalen Ökostromerzeugung zwischen. Erst wenn der Verbrauch höher als die Stromproduktion ist, speist er Energie ein.

Der Betrieb des Speichers ist auf den Elektrolyseur abgestimmt, den die Hamburger seit 2016 gemeinsam mit dem Stadtwerk Haßfurt betreiben. Diese Anlage dient dazu, bei Stromüberschuss erneuerbaren Wasserstoff herzustellen. Allerdings hat der direkte Verbrauch des produzierten Ökostroms Vorrang.

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