Die Allianz BIPV ist jetzt anderthalb Jahre jung. Was haben Sie in dieser sehr kurzen Zeit geschafft?
Sebastian Lange: Zunächst einmal ist der Kreis unserer Mitglieder in dieser Zeit deutlich gewachsen, was uns zeigt, dass die Allianz für die Branche enorm wichtig ist. Inhaltlich haben wir an der Erstellung einer Richtlinie für Solaranlagen als hinterlüftete Fassaden gearbeitet und diese veröffentlicht. Darüber hinaus haben wir uns Gedanken gemacht, wo wir die relevanten Akteure für die BIPV-Branche abholen müssen, wer diese Akteure überhaupt sind und mit welchen Ansätzen wir das Thema BIPV bekannter machen. Wir haben uns genau überlegt, welche Hemmnisse der Solarfassade im Wege stehen, aus welchen Gründen die Integration der Photovoltaik in die Gebäudehülle noch sehr selten zu sehen ist.
Ist die Richtlinie eine Norm für die BIPV?
Das ist eher eine Anlehnung an die Arbeit zur Erstellung einer entsprechenden Norm, die in vollem Gange ist. Die Richtlinie hat unser Arbeitskreis Bau und Technik erstellt, in dem sich vor allem die Fachleute mit genau diesem Spezialwissen engagieren. Diese haben zunächst zusammengetragen, welche einschlägigen DIN-Normen existieren, die ein Architekt oder Gebäudeplaner bei der Installation einer Solarfassade beachten muss. Dann hat der Planer nicht nur die Eckdaten, sondern auch die Sicherheit, dass er alle wesentlichen Punkte beachtet hat.
Im Baugewerbe spielen europäische Normen eine wichtige Rolle. Gibt es solche für die Solarfassade?
Nein, es gibt keinen gemeinsamen regulatorischen Rahmen in Europa. Das ist ein riesiges Problem, von dem uns unsere Mitglieder berichten. Die bewegen sich in einer gewissen regulatorischen Grauzone. Für ihre Kunden ist das ein Hemmnis, weil sie nicht so richtig wissen, wann sie nun konkret einen Einzelnachweis brauchen und inwiefern die ausgestellten diversen Zertifikate gültig sind. Hier müssen die Planer bei jedem Projekt in jedem Land wieder neu schauen, welche Regeln denn eigentlich gelten.
Wie reagieren Sie als Allianz BIPV darauf?
Wir können nur auf dieses Problem aufmerksam machen. Natürlich bringen Mitglieder, die in Normungsgremien sitzen, ihr Wissen um dieses Problem dort mit ein und versuchen es zu lösen. Auch in Berichten für die Politik weisen unsere Mitglieder, vor allem die aus den Forschungsinstituten, immer wieder darauf hin, dass die Branche einen einheitlichen europäischen Rahmen braucht.
Die Solarbranche hat schon viel getan, zum Beispiel farbige Module in verschiedenen Größen und Formen entwickelt. Warum spricht sich das bei den Architekten nicht herum?
Tatsächlich läuft es oft darauf hinaus, dass die Akteure wie Architekten oder Fassadenbauer, aber auch die Bauherren gar nicht wissen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Zudem hält sich hartnäckig das Vorurteil, gebäudeintegrierte Photovoltaik sei per se zu teuer und viel zu kompliziert. Das ist immer das schlagende Argument, das gegen die BIPV gebracht wird. Hier müssen die Hersteller und Anbieter von Solarfassaden und Komponenten konkret zeigen, wie die Solaranlage einfach in das Gebäude integriert werden kann, und das auch noch wirtschaftlich im Vergleich zum herkömmlichen Baumaterial.
Um die Frage nach der Wirtschaftlichkeit wird die Branche nicht herumkommen. Wie kann sie die Debatte in die richtigen Bahnen lenken?
Zunächst einmal muss sie deutlich machen, dass die BIPV im Vergleich zum herkömmlichen Fassadenmaterial nicht zwangsläufig teurer ist. Da ist es immer die Frage, womit man die Solarfassade vergleicht. In der Konkurrenz zur billigen Aluminiumfassade schneidet die schicke Solarfassade natürlich preislich schlechter ab. Im Vergleich mit einer hochwertigen Glas- oder Natursteinfassade kann die Photovoltaik aber mithalten. Zudem sind die Module Fassadenelemente, die sich im Gegensatz zu den herkömmlichen Materialien selbst finanzieren, indem sie Strom erzeugen.
Wie reagieren Sie als Allianz BIPV, um hier die Dinge ins rechte Licht zu rücken?
Für uns war das Kostenargument der Anlass für den Start eines zweiten inhaltlichen Projekts, das noch nicht abgeschlossen ist. Wir erstellen einen Leitfaden zum Thema Wirtschaftlichkeit von Solarfassaden. In diesem Papier wollen wir darstellen, wie man die Kosten der verschiedenen Baumaterialien gegeneinanderrechnen muss, sodass nicht länger Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Wie berechnen Sie denn die Kosten für eine Solarfassade?
Wir greifen da auf Erfahrungswerte zurück, wie viel ein Quadratmeter Solarfassade kostet. Außerdem gibt es neben den absoluten Einzelanfertigungen auch mehr oder weniger standardisierte Produkte. Das muss man dann gegen die Ertragsseite rechnen. Auf diese Weise können wir den Architekten und Gebäudeplanern zumindest eine Orientierung geben, wie sie sich dem Thema BIPV nähern können.
Sie müssen sich nähern. Denn die Europäische Union strebt das energieeffiziente Gebäude als Standard an. Müsste man die Architekten nicht stärker in die Pflicht nehmen, dann auch die Gebäudehülle als Ganzes zu aktivieren?
Einen gewissen Druck haben die Architekten schon aufgrund der existierenden Effizienzvorgaben. Diese werden immer strenger. Der Architekt kann selbst entscheiden, ob er diese Effizienzvorgaben mit einer dicken Wärmedämmung oder alternativ mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien umsetzt. Aber dieser Druck hilft der Branche schon. Aber es hilft ihr nicht, wenn die Architekten die aktive Fassade vorgeschrieben bekommen. Denn es kann in der Architektur nicht eine Standardlösung oder eine Technologie geben. Genau das macht ja schließlich auch die BIPV aus.
Viele Architekten greifen dann aber auf die ihnen bekannte Wärmedämmung zurück, statt sich auf das unbekannte Terrain der BIPV vorzuwagen. Wie kann man dieses Dilemma lösen?
Man muss immer am einzelnen Gebäude beurteilen, ob die Solarfassade sinnvoll ist oder nicht. Bei zu großen Verschattungen wird es schwierig, die BIPV wirtschaftlich darzustellen. Zudem muss sie auch zur Bauform passen. Deshalb wäre allenfalls eine Art Pflicht denkbar, dass die Bauherren zumindest über BIPV nachdenken und die Planer diese in ihren Entwurfsideen berücksichtigen müssen. Wenn sie ein Energiekonzept erstellen und vorlegen, sollten sie zumindest die BIPV in die Überlegungen einbezogen haben. Es hat aber keinen Sinn, die Solarfassade vorzuschreiben, wenn gar keine Sonne auf die Fassade scheint.
Die Solarfassade soll nicht Baustandard werden?
Nein. Unser Ziel ist es nicht, überall Solarfassaden umzusetzen. Unser Ziel ist es, dass sie ein selbstverständlicher Bestandteil der Architektur werden. Selbstverständlich heißt wiederum, dass die Photovoltaik in der Fassade dort eingesetzt wird, wo es sinnvoll ist, und nicht weil man sie einsetzen muss.
Die BIPV-Branche sitzt eher zwischen den Stühlen. Sie ist eine Energietechnologie, hat aber auch eine ästhetische Komponente. Wo würden sie die BIPV verorten?
In der Energiewirtschaft ist es schwer, mit einer Photovoltaikfassade zu überzeugen. Denn dort werden die Investitionskosten in Cent pro Kilowattstunde gerechnet. In diesem Fall geraten wir sofort in einen Vergleich mit perfekt ausgerichteten Solargeneratoren, die viel Strom erzeugen. Aber davon wollen wir endlich weg. Deshalb sehe ich die BIPV eher auf der Bauseite als auf der Energieseite. Unsere Ansprechpartner in der Politik würde ich eher im Bauministerium als in einem Energieministerium finden.
Wie sprechen Sie das Thema BIPV beispielsweise im Bauministerium an?
Als Frage der Baukultur. Zudem steht hier die Frage im Mittelpunkt, wie wir uns städtisches Leben in Zukunft vorstellen. Da geht es nicht um Photovoltaik oder nicht, sondern darum, ob wir die Photovoltaik in Form von Standardmodulen auf dem Dach haben wollen oder ob wir versuchen, sie tatsächlich nicht nur baulich, sondern auch kulturell als Teil des Stadtbildes in unsere Städte zu integrieren.
Was würden Sie sich von der politischen Seite wünschen?
Wir als BIPV-Branche wünschen uns von der Politik vor allem einen klaren Rechtsrahmen. Das würde bei der praktischen Umsetzung schon sehr viel helfen. Zudem brauchen wir Regeln, die die Umsetzung von Solarfassaden vereinfachen und unterstützen. So muss auch die Verbrauchsseite einfacher und klar geregelt sein.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
So taugt das ganze Mieterstromgesetz, wie es jüngst verabschiedet wurde, kaum für die BIPV-Industrie. Denn dort ist vorgeschrieben, dass Mieterstromanlagen nur in Gebäuden mit mindestens 40 Prozent Wohnfläche gefördert werden. Viele gebäudeintegrierte Solaranlagen werden aber derzeit an Bürogebäude gebaut. Da muss die Politik die Gebäudeintegration bei der Ausarbeitung von Gesetzen gleich mitdenken und nicht nur die Standardphotovoltaik.
Wäre auch eine finanzielle Unterstützung denkbar, um den Markt zu beleben?
Man könnte durchaus über eine monetäre Förderung nachdenken. Das fordern wir als BIPV-Branche aber derzeit nicht und sehen es bestenfalls in einem zweiten Schritt, nachdem die Hürden und rechtlichen Unsicherheiten aus dem Weg sind. Mit einer Förderung kämen wir nicht nur in eine neue Abhängigkeit. Vielmehr ist es an der Zeit, dass die Photovoltaik und damit auch die BIPV ohne Förderung zurechtkommt. Alle stöhnen über die Kostenlast aus dem EEG. Es wäre aufs falsche Pferd gesetzt, wenn wir es uns mit einer Förderung zu einfach machen. Erst einmal muss die Branche andere Aufgaben lösen, um den Markt zu vergrößern. Erst wenn das getan ist und wir sehen, da ist noch eine finanzielle Unterstützung nötig, kann man über das Thema Förderung nachdenken. Aber an diesem Punkt sind wir noch längst nicht angekommen.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Sebastian Lange
ist Anwalt für Energierecht und beschäftigt sich seit Jahren mit den juristischen Aspekten der erneuerbaren Energien. Er berät bundesweit Planer und Betreiber von Ökostromanlagen. Seit 2015 ist er zusätzlich Vorsitzender der Allianz für BIPV.
Allianz für BIPV
Die Akteure zusammenbringen
Die Allianz für Bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) wurde 2015 als Expertennetzwerk gegründet. Ansprechpartner sind sowohl Bauherren als auch Planer, Unternehmer oder Wissenschaftler. Zwei weitere zentrale Zielgruppen sind Fassadenbauer und Architekten, die letztlich die Fäden der Planung einer BIPV-Anlage in der Hand halten. Die Allianz BIPV fördert den fachlichen Austausch aller dieser Akteure und unterstützt sie bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Projekte. Zudem sorgt sie für einen regelmäßigen Informationsaustausch, arbeitet an einschlägigen Forschungsprojekten und der Erarbeitung von anerkannten Regelwerken mit. Zudem übernimmt sie die Öffentlichkeitsarbeit für die Branche, die sich als Bindeglied zwischen Bau- und Energiewirtschaft sieht. Ziel der Allianz ist es, der BIPV den Weg in die breite und selbstverständliche Anwendung zu ebnen.
Die Allianz BIPV ist bewusst nicht als Branchenverband gestartet, obwohl sie sich natürlich als eine Art Fachverband sieht. Allerdings wollte die Allianz von vornherein einen Widerspruch der bestehenden Verbände vermeiden, wo das Thema zwar am Rande, aber immerhin doch Teil der Arbeit ist. Sie will eine Lücke besetzen, die die Verbändelandschaft bisher hinterlassen hat, nämlich die konzentrierte Beschäftigung mit einem Thema, das bislang in der Nische behandelt wurde. Deshalb und auch aufgrund der Stellung zwischen Bauseite und Energieseite versteht sich die Allianz BIPV eher als Plattform, als Angebot, auch mit anderen Verbänden zusammenzuarbeiten, genauso wie als Drehscheibe, um die relevanten Akteure zusammenzubringen.
Erste Ergebnisse
Alle Normen und Vorgaben zusammengetragen
Das erste Papier, das die Allianz für BIPV veröffentlicht hat, beschäftigt sich mit der Nutzung der BIPV als vorgehängte, hinterlüftete Fassade. In dem Merkblatt sind die Anforderungen an die BIPV-Fassade und deren Komponenten zusammengefasst, die in Deutschland gelten. So regeln die Landesbauordnungen auf der Basis der Musterbauordung die Installation einer Solarfassade. Diese verweist wiederum auf die Bauprodukteverordnung, wo die Produkte definiert sind, die eingesetzt werden dürfen.
Konkret haben die Autoren des Leitfadens formuliert, welche Voraussetzungen Module, Wechselrichter, Kabel und andere Komponenten mitbringen müssen, damit man diese überhaupt in der Fassade verbauen darf. Hier sind alle einschlägigen Normen und baurechtlichen Anforderungen zusammengetragen, die in diesem Bereich gelten. So müssen die Modulhersteller, wenn sie ihre Paneele für Fassaden anbieten, nicht nur die elektrische Seite beachten. Ihre Produkte müssen auch die Vorgaben hinsichtlich anderer Schnee-, Wind- und mechanischen Lasten erfüllen. Sie müssen ausreichend stabil sein, dass sie nicht zerbrechen, wenn der Wind direkt auf die Fassade drückt oder die Temperaturen schneller wechseln als auf dem Dach. Außerdem müssen sie sich wie ein Sicherheitsverbundglas verhalten, wenn sie tatsächlich einmal kaputtgehen sollten.
Auf der Seite der Leistungselektronik beschreiben die Autoren ausführlich, wie die Wechselrichterkonzepte für die BIPV-Fassade aussehen müssen und welche technischen Möglichkeiten den Planern und Architekten dafür zur Verfügung stehen – bis hin zum Netzanschluss.
Die Autoren des Leitfadens beschreiben ausführlich, wie die Module an der Fassade befestigt werden müssen. Ein umfangreiches Kapitel setzt sich ausschließlich mit der Planung einer Solarfassade auseinander. Dort bekommt der Leser Informationen, wie er Verschattungen, den besonderen Einstrahlungswinkel und Reflexionen bei der Auslegung der Anlage einbeziehen muss. Hier wird auch auf die architektonischen Möglichkeiten verwiesen, mit denen sich Verschattungen vermeiden lassen.
Das Merkblatt richtet sich zum einen an die Hersteller von BIPV-Komponenten und an deren Vertrieb. Auf der anderen Seite wollen die Autoren natürlich vor allem Architekten, Planern und Fassadenfachverlegern das notwendige Fachwissen an die Hand geben, um die Hürden auf dem Weg zur BIPV-Fassade zu beseitigen.