Der Markt bietet mittlerweile eine Fülle von verschiedenartigsten Konstruktionen an, mit denen man eine Photovoltaikanlage auf einem Flachdach anbringen kann. Insbesondere die Leichtbauweisen nehmen hierbei eine vorherrschende Stellung ein. Das sind Systeme, die man meist ohne oder nur mit sehr geringer Beschwerung auf ein Flachdach aufbringt.
Es sollen hier nur die in der Praxis gängigsten angesprochen und auf ihre Besonderheiten hingewiesen werden.
In der Regel werden die Solarmodule auf Flachdächern mit einer künstlichen Neigung aufgeständert. Selbsttragende Leichtbauweisen haben wegen der Windlasten eine geringe Modulneigung, bei der sich der Abstand der einzelnen Reihen lediglich auf einen Wartungsgang reduziert. Sonst treten vom Sonnenstand her wegen der flachen Bauweise keine Eigenverschattungen mehr auf. Waren früher Generatorneigungen um die 25 Grad die übliche Ausführung, so werden mit dem Preisverfall von Modulen flachere Neigungen mit geringeren Erträgen zugunsten der optimalen Dachausnutzung vorgezogen. Bei den üblichen aufgeständerten Systemen sind die Module diversen Kräften ausgesetzt.
Bei den Windkräften unterscheidet man zwischen Windsog und Winddruck. Sie hängen in erster Linie vom Standort des Objektes und der Gebäudehöhe ab, gemäß Eurocode 1 (ehemals DIN 1055).
Aufgeständerte Photovoltaiksysteme bieten eine nicht unerhebliche Windangriffsfläche. Die abzuleitenden Windkräfte sind umso größer, je größer der Neigungswinkel der Generatoren, je höher das Gebäude und je ungünstiger der Standort hinsichtlich der Windlastzone ist. In den Randbereichen der Dachflächen treten besonders hohe Windspitzen auf.
Schnee erhöht die Systemlast. Er kann durch Stauverwehung auf dem Dach zwischen den Modulreihen zu unregelmäßigen und auf kleine Bereiche begrenzten Zusatzbelastungen auf den Dachflächen führen. Abrutschender Schnee von den Modulreihen erzeugt zusätzliche Linienlasten auf der Dachfläche.
Auswahl des Montagesystems
Aufgrund der aufgezeigten Problematiken kann es keine Standardauswahl für ein Montagesystem auf einem Flachdach geben. Die Auswahl muss nach den individuellen Gegebenheiten eines Flachdaches erfolgen.
Neben der Schutzfunktion gegen Niederschlag muss ein Dach gewisse Tragfunktionen aufweisen. Dies bedeutet, dass es hinsichtlich des auftretenden Niederschlags, insbesondere Schnee sowie Windkräften, eine ausreichende Tragfähigkeit aufweisen muss. Gleiches gilt, wenn das Dach begehbar sein soll oder bei einer anderweitigen Nutzung (Begrünung) zusätzliche Lasten aufnehmen muss. Zudem darf das Montagesystem den Abfluss des Oberflächenwassers nicht behindern.
Installation mit Ballastierung
Ballastierte Montagesysteme sind Konstruktionen, welche mittels Gewichten (Betonplatten, Kies) beschwert werden. Technisch sind sie nur dann realisierbar, wenn sowohl der Dachaufbau als auch das Gebäudetragwerk über hinreichende Tragreserven verfügen und die zusätzlichen Auflasten weitgehend flächig in die Dachkonstruktion abgeleitet werden können. Die im Bestand befindlichen Gebäude und deren Dachkonstruktionen haben sehr unterschiedliche Tragreserven.
Ungeachtet der statischen Reserven der Dachtragkonstruktion liegt der Schwachpunkt bei einem Warmdach bei der Wärmedämmung und Abdichtungsschicht. Auch auf sie wirken die drückenden Zusatzlasten. Bei Montagegestellen werden neben dem Eigengewicht und dem Ballastierungsgewicht auch drückende Windlasten und die Schneelasten durch das Modulfeld gesammelt und konzentriert in die Dachhaut über eine zumeist linienförmige Standfläche eingeleitet. Um die zulässigen Pressungen der Dämmung einzuhalten, bedarf es biegesteifer, großflächiger Elemente, die die Lasten gleichmäßig ausleiten, sowie einer geeigneten druckfesten Dämmschicht.
Besonders ist darauf hinzuweisen, dass bei Dämmstoffen die angegebenen Werte für Druckspannung bei zehn Prozent Stauchung oder Druckfestigkeit auf keinen Fall in voller Höhe zur Planung dauerbelasteter Dämmkonstruktionen angesetzt werden dürfen. Unter Dauerbelastung können plastische Verformungen, dem Kriechen vergleichbar, auftreten.
Die angeführten Werte werden jedoch meist nach DIN EN 826 (Wärmedämmstoffe für das Bauwesen – Bestimmung des Verhaltens bei Druckbeanspruchung) innerhalb eines Zeitraums von nur wenigen Minuten ermittelt. Das Langzeitverhalten von Schaumkunststoffen und Dämmstoffen allgemein unter Dauerdruckbelastung wird nach DIN EN 1606 (Wärmedämmstoffe für das Bauwesen – Bestimmung des Langzeit-Kriechverhaltens bei Druckbeanspruchung) bestimmt.
Gefahr für die Dämmung
Ist oder wurde bei der Bemessung der Wärmedämmung nach DIN EN 826 eine zusätzliche punktuelle oder linienförmige Auflast (Photovoltaikanlage) nicht berücksichtigt, kommt es unweigerlich zur Verformung – sprich: Verdichtung der Dämmschicht. Bei einer mit Ballast versehenen Photovoltaikanlage hat man weitgehend schmale Linienlasten durch Betonelemente oder sogenannte Wannen, sodass die direkte Belastung auf die Dämmschicht nicht selten mehr als 80 Kilogramm pro Quadratmeter beträgt.
Die mögliche Verformung der Dämmschicht hat nicht nur einen Einfluss auf deren Funktion (Wärmedämmung), sondern auch auf die darüber befindliche Dichtungsschicht. Mit jedem Millimeter, den die Dämmung dauerhaft eingedrückt wird, erfolgt zwangsläufig eine unter Last auftretende Dehnung der Dichtungsschicht.
Verdichtungen addieren sich
Davon sind sowohl Kunststoff- als auch Bitumenbahnen betroffen. Je zahlreicher die einzelnen Modulreihen auf dem Flachdach, desto größer addieren sich die einzelnen linienhaften Verdichtungen der Wärmedämmung. Desto mehr wird die Dichtungsbahn gedehnt. Dies hat gravierende Folgen:
- Es entstehen Zugkräfte bei lose verlegten Dichtungsbahnen an den Nähten, Randanschlüssen oder an den Anschlüssen der Dacheinbauten.
- An den Rändern der eingedrückten Flächen können sich je nach Versprödung der Dichtungsbahn Haarrisse bilden.
- Durch auftretende Temperaturunterschiede kommt es zu Ausdehnungen und einem Zusammenziehen der Dichtungsbahnen. An den Rändern der Lastflächen wird hierbei die Versprödung der Dichtungsbahn gefördert.
- Es entstehen Wasserlachen unterhalb der Standflächen der Photovoltaikanlage mit für die Dachbahnen schädigender Algenbildung.
Die zusätzliche Strapazierung und die damit verbundene kürzere Lebensdauer der Abdichtung bedürfen an dieser Stelle keiner weiteren Ausführung. Insbesondere die bereits beschriebene Versprödung von Kunststoffbahnen mit zunehmendem Alter dürfte die Lebensdauer der Abdichtung bei zusätzlicher Belastung erheblich verkürzen.
Bei ballastierten Systemen ist oftmals bereits augenscheinlich die erforderliche Beschwerung entweder nicht erkennbar (bei geschlossenen Wannensystemen) oder in Zweifel zu ziehen, wenn beispielsweise Steine in unterschiedlicher Anzahl und Anordnung verwendet wurden oder deren Auflagerung nicht fixiert ist.
In vielen Fällen fehlen lastverteilende und schützende Schichten unterhalb der Konstruktion, um eine Beeinflussung oder Schädigung der weichen Bedachung zu verhindern.
Durch die direkte Auflage von Halteschienen oder punktuelle Befestigungen ergeben sich Linienlasten oder Punktlasten. Hierbei werden die Dachbahnen eingedrückt, beschädigt und verlieren ihre Regensicherheit beziehungsweise Wasserdichtigkeit.
Wannensysteme auf dem Dach
Neben Ballastierungen mittels Betonplatten kommen auch sogenannte Wannensysteme zur Ausführung. Das sind vorgeformte, wannenähnliche Kunststoffelemente, bei denen die Module auf der geöffneten Seite montiert werden. Solche Systeme wurden ursprünglich für Flachdächer mit Bekiesung entwickelt.
Auf der geplanten Standfläche dieser Wannen wurde der Kies auf der Abdichtungsschicht entfernt, um ihn als Beschwerung in die Wanne zu füllen.
Wannensysteme sind aufgrund des geschlossenen Körpers weniger windanfällig. Dafür gibt es sehr unterschiedliche und unsichere Handhabungen, was die Beschwerung angeht. Auch hier muss ein statischer Nachweis über die erforderliche Beschwerung geführt werden. Das alleinige Einfüllen des aus der Standfläche abgetragenen Kieses ist oft unzureichend.
Auch rein aus dem Bauch heraus mit Betonplatten oder anderen Ersatzstoffen ballastierte Systeme führen beim nächsten größeren Sturm zur Ernüchterung, wenn die Elemente sich auf dem Dach verschoben haben oder im schlimmsten Fall vom Dach geweht wurden.
Montage mit wenig Ballast
Die Photovoltaikindustrie hat aufgrund der statischen Besonderheit von Flachdächern mit innovativen Entwicklungen reagiert. Insbesondere sogenannte ballastfreie Systeme werden mit der erheblichen Reduzierung der Lasten beworben, die bei üblichen Konstruktionen auf das Dach aufgebracht werden müssen. Gerade bei modernen Industriedächern mit Folienabdichtung sind in der Regel nur geringe Lastreserven vorhanden, an denen ballastierte Montagesysteme scheitern.
Deshalb hat der Markt zahlreiche Produkte hervorgebracht, die eine quasi ballastfreie Aufständerung versprechen. Das ist problematisch – unter dem Gesichtspunkt einer ausreichenden Sicherheit nicht nur für die Photovoltaikanlage selbst, sondern auch für Personen, die sich im unmittelbaren Bereich der mit solchen Systemen ausgestatteten Gebäude aufhalten. Werden diese Anlagen tatsächlich den normativen Sicherheitsanforderungen gerecht?
Die Werbung mit erfolgreichen Windkanalversuchen reicht nicht aus. Denn diese Versuche mit einem einzelnen Element können erheblich von dem eines Miniaturmodells mit seinen charakteristischen Konstruktionen eines Gebäudes (Attiken, Höhenversprüngen) abweichen.
Ergebnisse von Untersuchungen zeigen, dass bezüglich des verwendeten Systems grundsätzlich entsprechende statische Berechnungen zu führen sind, um die Standfestigkeit zu garantieren. Mitunter müssen gerade in den stärker durch Winddruck und Windsog belasteten Ecken und Rändern (Bereiche F und G aus Eurocode 1 –ehemals DIN 1055 Teil 4) von Dächern zusätzliche Ballastierungen vorgenommen werden. Nicht selten reichen windinduzierte Schwingungen aus, um solche Systeme auf dem Dach zu verschieben.
Auch sogenannte Leichtbausysteme kommen oft nicht ohne eine zusätzlichen Beschwerung beispielsweise durch Steine aus.
So wird mit sogenannten Schleppmessgeräten die Oberflächenrauigkeit der Dachabdichtung bestimmt, um deren Reibungsbeiwerte bei der statischen Berechnung der Windkräfte mit zu berücksichtigen. Die Ermittlung der Oberflächenrauigkeit hängt von vielen Faktoren ab, wie Feuchtigkeit, Verschmutzung und Alterungszustand der Dachbahn.
Fragwürdige Messungen
Die von einem Installateur durchgeführten Messungen sind im Hinblick auf die richtige Messmethode sowie die reale Einschätzung seiner Messergebnisse als fragwürdig anzusehen, da viele Faktoren das Messergebnis beeinflussen können. Weiterhin wird mit der Berücksichtigung von Reibbeiwerten bei der Statik die mögliche Einleitung von Horizontalkräften (Schubkräften), die bei Windeinfluss entstehen, bestimmt.
Die Problematik liegt jedoch in der Tatsache, dass Dachabdichtungsbahnen, egal ob bituminös oder aus Kunststoffen, weitgehend keine Schubkräfte aufnehmen können. Mit solchen Optimierungsmethoden läuft man unter Umständen Gefahr, zugunsten einer reduzierten Ballastierung quasi bereits Schäden an der Dachabdichtung mit einzuplanen.
Dies gilt vor allem bei bereits älteren Dachbahnen, bei denen die Oberfläche durch Anwitterung sicherlich gute Reibwiderstände bietet, deren Elastizität mitunter jedoch bereits deutlich nachgelassen hat.
Spezielle Ost-West-Systeme
Neu auf dem Markt seit etwa drei bis vier Jahren sind sogenannte Ost-West-Systeme. Zwei aneinanderliegende Modulreihen bilden ein eigenständiges Dachsystem. Das kann die Windangriffsflächen gegenüber einem normalen Spoilersystem nochmals reduzieren.
Der Vorteil dieser Systeme liegt neben einer relativ großen Dachflächenausnutzung in der günstigeren tageszeitlichen Ertragsverteilung – insbesondere für die Eigenstromnutzung. Durch die geschlossene Systemanordnung ist jedoch keine Wartung an der Dachabdichtung möglich.
Speziell für Flachdächer mit Kunststoffbahnen als Abdichtung finden sogenannte Folienmodule Verwendung, welche auf eine Unterfolie, die gleichzeitig die Abdichtungsfunktion übernimmt, aufgeschweißt werden. Sie sind jedoch wegen der verminderten Wirkungsgrade und aufgetretenen Schadensanfälligkeit derzeit nicht marktrelevant.
Fraunhofer IRB Verlag
Fachbuch über Inspektion,Prüfung und Instandhaltung
Wolfgang Schröder ist als Autor und Experte für verschiedene Verlage tätig. So ist er Herausgeber und Mitautor des „Ausführungshandbuchs für Photovoltaikanlagen“, das im Forum Verlag erschienen ist. Er publizierte in verschiedenen Fachzeitschriften, beispielsweise in „Der Bausachverständige“ des Fraunhofer IRB Verlags.
Demnächst erscheint sein neues Fachbuch „Inspektion, Prüfung und Instandhaltung von Photovoltaik-Anlagen“ beim Fraunhofer IRB Verlag.
Unsere Serie
Experten geben Tippsfür Flachdächer
Gewerbliche und Industriebauten verfügen oft über leichttragende Flachdächer. Auf den ersten Blick erscheint die Installation von Photovoltaikanlagen auf diesen Gebäuden sehr einfach.
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Der Autor
Wolfgang Schröder
ist Sachverständiger für Photovoltaikanlagen und Fachkundiger für baulichen Brandschutz. Nach dem Studium zum staatlich geprüften Bautechniker (Hochbau und Tiefbau) war er in einem mittelständischen Ingenieurbüro mit Bauüberwachung und Bauplanung betraut. Später qualifizierte er sich zum Projektmanager. Danach wechselte er als Bausachverständiger zum TÜV Süd sowie zu einem Systemanbieter in der Solarbranche, für den er als Projektmanager tätig war. 2008 absolvierte er die Prüfung als Sachverständiger für Photovoltaikanlagen beim Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter. 2011 wurde er beim TÜV Rheinland als Sachverständiger für Photovoltaikanlagen zertifiziert. Seitdem ist er freiberuflich tätig, auch als Sachverständiger für Dachkonstruktionen, Dacheindeckungen, Dachabdichtungen und baulichen Brandschutz.