Eigentlich haben wir mehrere Gründe, uns die Hände zu reiben: Der Zubau an Solarstromanlagen in Deutschlang erreichte im vergangenen Jahr endlich seit 2013 wieder den von der Bundesregierung verordneten „Zubaukorridor“. Und rund 1,7 Millionen Solargeneratoren erzielten rund 18 Prozent höhere Erträge als im Vorjahr. Die Preise für Photovoltaiksysteme und Stromspeicher sind weiter gesunken, das öffnet neue Märkte.
Doch wer meint, die solare Energiewende in Deutschland sei ein Stück vorangekommen, der könnte sich irren. Beginnen wir bei Pudels Kern: Die klimaschädlichen Emissionen sind in Deutschland wieder angestiegen. Der wachsende Zubau der Photovoltaik auf knapp drei Gigawatt hat auf dem Konto mit dem Kohlendioxidausstoß nichts verändert. Freilich: Der Solarzubau wirkte dämpfend auf neue Emissionen, das stimmt. Aber politisch ist die Lage genauso katastrophal wie Anfang 2018, Anfang 2017 und so weiter. Stillstand.
Drei Gigawatt: Startrampe für viel mehr!
Die höheren Solarerträge – so sehr wir uns mit den Betreibern der Anlagen freuen – sind dafür ein deutliches Signal. Es waren ja nicht wundersame Effizienzsprünge in der Technik, sondern der seit Beginn des Wetterfroschwesens heißeste und trockenste Sommer überhaupt. Es war der Sommer, der die Verwüstungen durch den Klimawandel vorwegnahm und das Menetekel in den Himmel schrieb.
Drei Gigawatt Zubau in der Photovoltaik – auch das war völlig unbefriedigend. So viel hatte die Bundesregierung erlaubt, und nun soll die Solarbranche froh sein, dass sie dieses mickrige Ziel erreicht hat – erreichen durfte?! Drei Gigawatt: Das kann nur die Startrampe sein für eine solare Energiewende, die diese Bezeichnung tatsächlich verdient.
Zehn Gigawatt pro Jahr
Denn es geht um den grundsätzlichen Wandel in der Energieversorgung, beim Strom, in der Wärmeversorgung und bei den Fahrzeugen. Es geht um 200 Gigawatt Solarleistung, die dafür – mindestens – gebraucht werden. Das muss die Messlatte sein. Also: Drei Gigawatt sind längst kein Sieg. Drei Gigawatt waren ein Durchbruch, denn sie kamen gegen enorme politische Widerstände zustande. Nun greifen ökonomische Regeln, die Tage der Einspeisevergütung sind gezählt.
Wir brauchen zehn und mehr Gigawatt im Jahr. Diesen Zubau brauchen wir nicht durch die gnadenreiche Geste von Peter Altmaier (CDU) und seine Beamten. Nicht durch Ausschreibungen wie in China, sondern durch weitere Millionen, dezentral verteilte Generatoren auf und an Gebäuden. Klar, 100, 200 oder 300 Megawatt sind schnell auf die Pampa gebaut, und besser als jedes AKW.
Die Hand am Zähler
Aber solare Großkraftwerke schreiben das überkommene Geschäftsmodell der Großkraftwerke und der Stromtrassen fort. Schon heute wird mit den Solarparks und den großen Windparks argumentiert, um die Dreckschleudern der Kohlekraft auf Teufel komm raus am Netz zu halten. Denn der wirkliche Verlust, von dem die Energiekonzerne bedroht sind, ist nicht der Kohlemeiler oder das AKW.
Es ist das allumfassende Stromnetz, das Millionen Menschen ins Monopol der Netzinfrastruktur zwingt, weil sie keine Alternativen haben. Es ist die Hand am Zähler, die den Menschen zum Stromkunden macht. Rückgrat dieses Geschäftsmodells sind die Trassen der Hochspannung, das Lieblingskind der Übertragungsnetzbetreiber. 2018 hat auch gezeigt, dass die Netzkosten mittlerweile die Strompreise dominieren.
Netzkosten dominieren die Strompreise
Es sind die Netzentgelte, die den Strompreis treiben, nicht mehr die EEG-Umlage. Alles, was Peter Altmaier tut, dient dem Netzerhalt. Da passen auch die großen Solarparks gut, als grünes Mäntelchen, sind ja ziemlich billig geworden. Und passen so gut ins Portfolio der Energiekonzerne.
Klar, auch das war ein gewaltiger Erfolg. 2018 wurde die Photovoltaik zur preiswertesten Generatortechnik – und zwar weltweit. Deshalb denken die Chinesen darüber nach, ihre Ausbauziele wieder anzuheben. Deshalb stehen überall die Zeichen auf Wachstum. Aber so lange sich die Energieversorgung nicht vom Stromnetz abnabelt, die Trassen überflüssig macht, werden weder die Strompreise sinken. Noch kann die Photovoltaik ihre Kostenführerschaft behaupten. Weil wir zur Vollversorgung mit sauberem Strom hybride Systeme brauchen, mit hybriden Kosten – und vor allem teuren Netzstrukturen.
Regionalnetze statt Trassen
Es geht um die andere, alternative Energieversorgung. Natürlich werden wir Stromnetze auch in Zukunft brauchen, etwa für die Ballungszentren. Aber das werden Regionalnetze sein, die ihren Strom aus dem Umland beziehen. Berlin und Brandenburg könnten dafür ein gutes Beispiel sein, wenn die Sozis in Potsdam nach vorn denken würden. Auch muss niemand mehr Strom aus Westdeutschland nach Bayern tragen. Schon heute könnte sich Deutschlands wichtigster Freistaat selbst versorgen, wenn die CSU in München nach vorn denken würde.
Es sind die politischen Widerstände, um die es geht. CDU, CSU, SPD und auch die FDP klammern sich an das althergebrachte Versorgungssystem, wie Schiffbrüchige an die Planken der Titanic. Ausschreibungen helfen unserer Branche und dem Zubau, aber sie bleiben was sie sind: Brosamen unterm Tisch der Satrapen.
Zu gerne möchten die sogenannten Volksparteien zu den guten, alten Zeiten der rauchenden Schlote und der strahlenden Atomreaktoren zurück – ins Goldene Zeitalter der Energiekonzerne. Als RWE, Eon & Co. noch satte Gewinne erwirtschafteten. Und ihre Parteikassen gut füllten, damit sich daran nichts ändern soll, bis zur nächsten Wahl.
Gelebte Demokratie statt staatlicher Almosen
Wir sprechen nicht von den Almosen des Staates, sondern von gelebter Demokratie. Vom Aufstand des Bürgers, der den (notwendigen) Staat immer wieder aufs Neue in seine Schranken weisen muss, ihn begrenzen muss, um die totale Bürokratie zu verhindern.
Die Energiewende von unten – auf Millionen Dächern, an Millionen Fassaden – ist das wichtigste Projekt zur weiteren Demokratisierung der Zivilisation. Klingt vielleicht pathetisch, ist aber so. Ohne Demokratie ist die Energiewende nicht möglich, nirgends auf der Welt. Umgekehrt gilt auch: Ohne Energiewende gibt es keine Demokratie.
Stromtrassen stützen die Bürokratie
Denn überall sind die monopolisierten Stromnetze zur Stütze des bürokratischen Apparats verkommen. Nur die Rüstungsindustrie ist enger mit den politischen Strukturen verquickt als die Energiewirtschaft. Das gilt für China, Russland, die USA, Frankreich und Deutschland gleichermaßen.
Doch wenn die Leute sich weitgehend selbst mit Energie versorgen, braucht es nur noch ein Reststromnetz. Dann braucht es auch nur noch einen Rest von Regelung durch den Staat, einen kleinen, klitzekleinen Rest von Peter Altmaier und Konsorten. Diese Verantwortung kann man dann getrost an die Länder und Kommunen übertragen.
Die Energiewende von unten
Auch das war eine wichtige Erkenntnis aus dem Jahr 2018: Der politische Widerstand gegen das unsägliche Energiesammelgesetz kam vor allem aus den Regionen. In den Gemeinden und in den Bundesländern wächst das Verständnis, welche Chancen die Energiewende bietet. Wenn sie von unten kommt.
So wird das Jahr 2019 erweisen, ob sich die Solarbranche in Deutschland damit zufrieden gibt, treuer Vasall und Untertan von Staates Gnaden zu sein. Oder ob wir es schaffen, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Bremser wie Peter Altmaier (CDU) und seine Beamten braucht kein Mensch, keiner, der für seine Kinder und Kindeskinder denkt.
Die Ausschreibungen haben wir bereits gewonnen. Nun müssen die Kosten runter, wo es um die Gebäude geht. Jedes Haus, das sich selbst versorgt, bedeutet Rückbau des Stromnetzes. Bedeutet ein Stück mehr Freiheit, ein Stück mehr Demokratie.
Nun wünschen wir allen Leserinnen und Lesern einen guten Start ins neue Sonnenjahr! Viel Arbeit wartet auf uns, ebenso viele Widerstände. Und große Ermutigung – siehe zweitausendachtzehn.